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Gesellschaft

„Bio“, „gluten-“ und „laktosefrei“ – warum nicht auch „halal“?

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Was steckt in den Gummibärchen? Muslime schauen beim Lebensmittelkauf genau auf die Inhaltsstoffe. Oft gehen sie deshalb in türkische Läden. Das muss nicht so bleiben. (Foto: dpa)

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«Halal-Siegel» sind am 24.06.2014 in Berlin auf Käseprodukten in einem Kühlregal eines türkischen Supermarktes zu sehen.
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Arbeiter werfen Kartons auf den Boden, räumen Paprika und Auberginen in die Regale. In einem türkischen Supermarkt in Berlin-Neukölln erklärt einer von ihnen, wie Muslime es mit den Essensregeln ihrer Religion so halten. Das sei wie bei einer Hand – so unterschiedlich wie die Finger seien auch die Menschen. „Nicht alle glauben gleich“, sagt der Mann. Schwein und Alkohol? Diese Zutaten landen nicht in den Einkaufskörben streng gläubiger Muslime, verstecken sich aber in so manchem Produkt.

In Gummibärchen zum Beispiel. An der Kasse baumeln Tüten mit Fruchtgummis aus Rindergelatine, hergestellt in der Türkei. Deutsche Produzenten entdecken erst langsam, welcher Markt hinter Produkten steckt, die muslimischen Regeln entsprechen. Der Verein „Die Lebensmittelwirtschaft“ glaubt, dass Hersteller und Supermärkte das Potenzial unterschätzen. In Deutschland lebten allein etwa drei Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln. Ihre Kaufkraft für Lebensmittel werde auf 18 bis 20 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.

„Das mit dem Fleisch ist schwierig“

Türkisch-arabische Supermärkte nutzen diese Lücke und importieren viele ausländische Produkte. Auch Şefik Aras geht regelmäßig mit seiner Frau in einen der Läden. „Und das, obwohl ich selbst einen Supermarkt habe“, erzählt der Kaufmann. Er betreibt einen Edeka-Markt und verkauft dort auch einige Artikel, die den Regeln des Islams entsprechen und als halal gelten. Der Kunde sei bereit, dafür auch mehr Geld zu zahlen, sagt Aras. Was er nicht verkauft, ist Halal-Fleisch. Denn das mit dem Fleisch sei schwierig.

Die Tiere müssen nämlich nach islamischen Regeln geschlachtet werden. Das bedeutet ohne Betäubung von einem islamischen Metzger, der dabei den Namen Gottes spricht, erklärt Hamza Wördemann vom Zentralrat der Muslime in Deutschland. Das sei in Deutschland mit entsprechender Ausnahmegenehmigung erlaubt. Es gebe aber viele Beschränkungen, deswegen werde nicht so viel geschlachtet.

Große Umsätze machen stattdessen Unternehmen in Holland und Belgien. Und manche Märkte in Deutschland importieren diese Ware. Selbst Dönerläden werben in Berlin reihenweise mit Schriftzügen wie „100 Prozent halal“.

Nicht alles, wo halal draufsteht, ist auch halal

Aber nicht immer stimmt das. „Es gibt auch manche Gastronomen, die einfach ein „halal“ draufdrucken, ohne zu sagen, woher das kommt“, kritisiert Wördemann. Der Begriff sei nicht geschützt. Stattdessen existierten unterschiedliche Siegel. Mehrere Stellen in Europa verteilten solche Zertifikate. Auch der Zentralrat vergibt gegen Gebühr ein eigenes Halal-Siegel.

Händler Aras kann sich vorstellen, dass halal später einmal ausgezeichnet wird wie heute „bio“, „glutenfrei“ oder „laktosefrei“. Die Organisation Foodwatch wünscht sich, tierische Bestandteile kennzeichnen zu lassen. Nach Ansicht Wördemanns könnten auch andere Etiketten helfen – zum Beispiel die Hinweise „Ohne Schweinefleisch“ oder „Ohne Alkohol“. Auch wenn Tiere mit Betäubung geschlachtet würden, könne das vermerkt werden. Viele Muslime würden das Fleisch dann nicht anrühren, sagt er. „Aber es wird auch welche geben, die es kaufen.“ (dpa/dtj)