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DTJ-Blog

Flüchtlingsfamilie eine Nacht zu Gast bei mir

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Flüchtlingsfamilie, Flüchtlinge, Wirtschaftsflüchtlinge, Flüchtlingskrise
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BLOG Ich hatte vom 7.-18. September Urlaub. Wegfahren fiel in diesem Jahr aus, darum wollte ich die Zeit sinnvoll nutzen. Über Facebook bin ich zur Gruppe „Mannheim sagt JA“ gestoßen. Diese Gruppe organisiert schon seit einigen Wochen Bahnhofsdienste, die sich um verirrte oder gestrandete Flüchtlinge kümmert. Die Menschen bekommen belegte Brötchen, warmen Tee, Kleidung und geeignete Schuhe – je nach dem, was gerade gebraucht wird. Auch Hygieneartikel oder Spielzeige werden nach Bedarf verteilt.

Ich hatte am Montag, den 14.09., eigentlich nur einen Fahr- und Abholdienst, um unser Material nach dem Eintreffen des letzten Zuges wieder ins Lager zu fahren. Dann entdeckte unsere Gruppe aber noch eine Familie aus Syrien. Ein Ehepaar mit zwei kleinen Kindern, der Sohn drei Jahre alt, die Tochter sieben Jahre alt. Sie strahlten Bildung und Gepflegtheit, allerdings auch Erschöpfung und Verwirrung aus. Der kleine Sohn wurde auf unserem provisorischen Bett am Bahnhof in Decken gewickelt. Dem weinenden Mädchen gab eine unserer Helferinnen ein Seifenblasen-Fläschchen, welches sofort nach dem ersten Pusten ein Lachen ins Gesicht zaubern konnte.

Wohin mit der Flüchtlingsfamilie in der späten Nacht?

Es kam jedoch schnell die Frage auf, wohin um diese späte Stunde mit dieser Familie. Da ich am selben Tag 100 Euro im Lotto gewonnen hatte, wollte ich dem Vater der Flüchtlingsfamilie 50 Euro geben. Die hat er aber abgelehnt. Ich ging dann etwas abseits, um ungestört mit meiner Frau telefonieren zu können. Nachdem ich das Einverständnis meiner Frau hatte, habe ich angeboten, die Familie für eine Nacht bei uns aufnehmen zu können. Die Familie wirkte etwas zweifelnd, war aber so erschöpft, dass mein Angebot angenommen wurde.

Glücklich, geholfen zu haben und glücklich, Hilfe bekommen zu haben.

Ich musste zunächst unser Material wegfahren und fuhr dann zurück, um die Familie einzusammeln. Wir wohnen ca. eine halbe Stunde vom Bahnhof entfernt, so konnte ich mich ein wenig mit den Menschen unterhalten. Nur die Mutter konnte einigermaßen Englisch. Sie wäre Betriebswirtin, der Mann Maschinenbau-Ingenieur, was mir aufgrund ihrer Ausstrahlung auch glaubhaft erschien. Drei Tage hätten sie nicht geschlafen. Mit dem Plastikboot über das Mittelmeer, durch Ungarn und Mazedonien, quasi genau die Route, die wir aus den Nachrichten schon kannten.

Um zwei Uhr morgens kamen wir bei mir Zuhause an. Meine Frau hatte ein Zimmer komplett hergerichtet, so dass die Familie sofort schlafen gehen konnte.

Am nächsten Morgen haben wir gefrühstückt. Natürlich haben wir darauf geachtet, dass keine Wurst mit Schweinefleisch auf dem Frühstückstisch war. Nach dem Frühstück habe ich sie zurück zum Bahnhof gefahren. Sie mussten weiter nach Frankfurt, von dort nach Fulda, wo ein Verwandter auf sie wartete. Ich habe noch dafür gesorgt, dass sie das richtige Ticket bekommen und in den richtigen Zug gestiegen sind. Dann haben wir uns verabschiedet.

Von „Wirtschaftsflüchtlingen“ kann hier nicht die Rede sein

Mein Eindruck von der Familie war, dass sie nur noch an ihrem Ziel ankommen wollte. Überschwängliche Dankbarkeit, wie man sie vielleicht aus schlechten Filmen kennt, fand nicht statt. Das war auch nicht notwendig. Es war eine Familie, die unverschuldet in eine maximale Notsituation geraten ist, wie es jedem passieren kann. Sie wollten so wenig Umstände wie möglich machen und so schnell wie möglich wieder zu einer Normalität zurück finden. Von „Wirtschaftsflüchtlingen“ kann hier absolut keine Rede sein. Sie wollten mir sogar Geld geben, was ich aber natürlich abgelehnt habe.

Insgesamt war es für mich keine große Sache. Gekostet hat es mich nichts. Es war für mich aber sehr bewegend, zur richtigen Zeit der richtige Mann gewesen zu sein. Und stolz auf meine Frau, die das ohne zu Zögern mitgemacht hat, bin ich sowieso.