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Gesellschaft

Flüchtlingshilfe muslimischer Vereine: „Dies ist keine Gefälligkeit, sondern unsere Pflicht“

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In letzter Zeit wird immer häufiger Kritik laut, dass muslimische Verbände zu wenig tun würden, um syrische Flüchtlinge zu unterstützen. DTJ ist dieser Behauptung nachgegangen.

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Essensausgabe für Flüchtlinge
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Seit vergangener Woche werden in den sozialen Medien und mittlerweile in den Nachrichtensendern Stimmen laut, muslimische Verbände seien zu passiv und ließen ihre hilfesuchenden Glaubensbrüder im Stich. Diesen Vorwurf haben wir uns zum Anlass genommen, einige türkisch-islamische Verbände in Deutschland genauer unter die Lupe zu nehmen, ob und wie sie (syrischen) Flüchtlingen helfen.

Öffentlichkeitsarbeit ausbaufähig

Die IGMG (Islamische Gemeinschaft Millî Görüş e.V.) – zweitgrößte muslimische Religionsgemeinschaft in Deutschland – hat vergangene Woche in einer Pressemitteilung Stellung zu den Vorwürfen genommen: „Das einzige, was man Muslimen in diesem Kontext vorwerfen könnte, ist die sicherlich ausbaufähige Öffentlichkeitsarbeit. Das steht an solchen Tagen aber ohnehin nicht im Vordergrund“, erklärte der IGMG-Generalsekretär Bekir Altaş und wies die Vorwürfe entschieden zurück. Abgesehen davon, dass sämtliche Projekte ausnahmslos privat und durch Spendengelder finanziert seien, treffe der Vorwurf, Muslime seien passiv, nicht zu, so Altaş.

Reagiert habe die IGMG und der Hilfs- und Sozialverein Hasene e.V. mit einem umfangreichen Sofortmaßnahmenpaket auf die aktuelle Flüchtlingssituation in Deutschland und Europa. Über 600 IGMG-Moscheen und Einrichtungen werden nach Aussagen Altaş‘ 1.000 Flüchtlingsfamilien aufnehmen. Man rechne mit knapp 4000 Flüchtlingen. Auch habe IGMG Liegenschaften zur Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung gestellt. Anlässlich des kommenden islamischen Opferfestes wolle IGMG die Opferfestkampagne auch auf Deutschland erweitern. Zudem wolle die IGMG in staatlich anerkannten islamischen Schulen – in privater Trägerschaft – Kontingente für Flüchtlingskinder schaffen. Dabei werde alles kostenlos sein. Hierzu führe die IGMG bereits mit mehreren Schulen (EU-weit knapp 70) ernste Gespräche.

Für Kemal Ergün, Vorsitzender der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüş (IGMG), sei aber eines ganz klar: „Die Hilfe ist keine Gefälligkeit, sondern unsere Pflicht. Als islamische Religionsgemeinschaft stehen wir in der Verantwortung.“

Drei längerfristige Projekte

Mit Abstand einer der aktivsten Vereinen ist unter anderem auch Time To Help e.V. Bereits mit Anfängen der Einwanderung syrischer Flüchtlinge nach Europa – im Juni vergangenen Jahres – hat sich Time To Help reorganisiert. Heute stehen nicht nur bedürftige Länder in Afrika, sondern auch syrische Flüchtlinge in Deutschland sowie in anderen Ländern auf dem Hilfsplan.

Hierzu entwickelte er kurzerhand drei Projekte, die er neben den laufenden Hilfsplänen für Flüchtlinge schnellstens zu Leben erwecken will. Hierzu habe Time To Help eine für Flüchtlinge spezialisierte Kommission gegründet, bei dem in ganz Deutschland 1250 ehrenamtliche Mitglieder und Vereine, die sehr eng mit den zuständigen Behörden der entsprechenden Bundesländern sowie Bezirken kooperieren und sieben Tage die Woche arbeiten und beispielsweise Bedarfslisten erstellen, so Ahmet Bağdatlı, Vereinspräsident von Time To Help.

In einem Kurzinterview mit der Tageszeitung Zaman äußerte sich Bağdatlı über die drei Projekte: „Mit den Projekten „Kleiderspende mit Zustellgarantie“, „Geschwister-Familie“ (türkisch: kardeş aile) und „Pflegefamilie“ (türksich: koruyucu aile) wollen wir den Flüchtlingen nicht nur kurz-, sondern auch längerfristig unsere Hilfe anbieten.“ Direkt nach dem Opferfest wolle Time To Help mit einer Winterkleidungskampagne sein Hilfsprogramm erweitern, so Bağdatlı. „Zuallererst planen wir eine Kleiderspende in Deutschland, bei dem die Spender auf die Zuverlässigkeit zählen können. Jedes gespendete Kleidungsstück erhält einen Barcode, das dem Spender zugeordnet wird. Per SMS oder Mail erfahren die Spender schließlich, wo und bei wem die Spenden angekommen sind“, so Bağdatlı. Besonderen Wert lege der Verein auf das Geschwister-Familie-Projekt, dieses sei für eine Vereinfachung des Lebens im neuen Land sowie eine gute Integration unerlässlich. Das Pflegefamilien-Projekt für Waisenkinder soll Ende diesen Monats abgeschlossen werden.

Auch die Verantwortlichen von Time To Help sind der Auffassung, dass die Öffentlichkeitsarbeit zu kurz geraten ist. Abhilfe soll eine speziell für Flüchtlinge gemachte Homepage leisten. Dort würden in Kürze unter anderem die Bedarfslisten für die entsprechenden Bundesländern und Bezirken veröffentlicht. „Damit können Spender sehen, in welcher Stadt welche (Kontakt-) Person zuständig ist“, betont Bağdatlı. Weitere Informationen finden sich hier: www.timetohelp.eu und www.ayniyardim.com.

„Behörden nehmen unsere Bereitschaft zur Hilfe nicht an“

Auch der ZMD (Zentralrat der Muslime) in Deutschland öffnete seine Türen für die Flüchtlinge. „Wir tun alles, was in unserer Hand liegt. Sei es mit Nahrungsmitteln, Unterkunft, Kleider, gesundheitliche und psychische oder mit bürokratischer Unterstützung“, so Nurhan Soykan, Generalsekräter des ZMD. Zur Enttäuschung Soykans hätten sie als Zentralrat lediglich eine behördliche Kooperation angeboten bekommen. „All unsere Anstrengungen und Pläne machen wir aus eigener Kraft“, so Soykan. Auf der Agenda des ZMD stünden derzeit zwei Projekte. Die Pflegeelternschaft habe, noch bevor das Projekt vorgestellt wurde, 70 Zusagen erhalten. Außerdem sei ein Waisenhaus in Planung.

DITIB: Konzept als Wegweiser für andere Vereine

Auch DITIB, Ableger der türkischen Religionsbehörde Diyanet in Deutschland, legt Hand an und hilft den Flüchtlingen, wo es geht: „Es ist eine menschliche und islamische Aufgabe, der wir nachgehen“, so Dr. Zekeriya Altuğ, Zuständiger für Außenbeziehungen bei DITIB. Wie fast alle andere Vereinen sei auch DITIB mit Kleider- und Nahrungsmittelspenden vor Ort. Auch in den Moscheen organisiere sie kleine Veranstaltungen, um den Flüchtlingen die Ankommen in der Gesellschaft zu erleichtern. Außerdem sei DITIB gerade mit der Erstellung eines Konzeptes beschäftigt, das in Kürze veröffentlicht werden soll. Es enthalte kurz- und langfristige Projekte, die den Vereinen DITIBs als Wegweiser dienen solle, so Altuğ.

Islamic Relief bietet 94.748 Familien Unterkunft

Der Verein Islamic Relief e.V. hat – nach Angaben der eigenen Homepage – seit 2012 223 humanitäre Projekte in verschiedenen Bereichen durchgeführt und damit mehr als 7 Millionen Menschen in Syrien und den Nachbarländern erreicht. Insgesamt konnte demzufolge 94.748 Familien eine Unterkunft gegeben werden. Die Hilfen begrenzten sich dabei aber nicht nur auf Nahrungsmittel vor Ort, sondern umfassten auch Länder, in die die Syrer geflüchtet sind. Dabei werde von Lebensmittelpaketen und Notunterkünften bis hin zu psychosozialer Unterstützung für Kinder ein breites Hilfsspektrum abgedeckt. In Berlin beispielsweise würden Kleiderspenden gesammelt und in Kleiderkammern in Koordination mit Flüchtlingsheimen den Geflüchteten zur Hilfe gestellt. Diverse andere Hilfskampagnen finden sich hier http://www.islamicrelief.de.

Auch WEFA e.V. lässt die Flüchtlinge nicht allein. Vergangene Woche beispielsweise hat der Verein 2000 Flüchtlingen in Ungarn Hilfen aus Wien geschickt. Darunter waren Decken, Nahrungsmittel, Wasser, Kleidung, Hygiene-Artikel (insbesondere für Frauen und Kinder) und Spielzeug.