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Politik

„Notwendige Aufarbeitung“ oder „Schauprozess“?

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In Istanbul beginnt in Abwesenheit ein Prozess gegen mehrere hochrangige israelische Offiziere wegen der Ereignisse rund um die „Gaza-Flottilla“ 2010. Die diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und der Türkei sind seit damals abgekühlt.

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„Notwendige Aufarbeitung“ oder „Schauprozess“?
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Ein türkisches Gericht hat am heutigen Dienstag damit begonnen, die Rolle israelischer Militäroffiziere im Zusammenhang mit den Todesfällen auf der türkischen Passagierschiff „Mavi Marmara“ im Juni 2010 aufzuarbeiten.

Damals war eine Gruppe von Aktivisten aus mehreren Ländern in Richtung Gaza unterwegs, um gegen die Blockade des 2005 von Israel an die Palästinensische Autonomiebehörde übergebenen Gazastreifens zu protestieren, die das Land nach dortigen Machtübernahme durch die Hamas 2006 verhängt hatte.

Eskalation der Gewalt

In Anbetracht des Versuchs, die Blockade zu durchbrechen, brachten israelische Sicherheitskräfte die „Mavi Marmara“ auf und enterten das Schiff, das sich zu diesem Zeitpunkt noch in internationalen Gewässern befunden haben soll. Dabei kam es zu Übergriffen von Aktivisten auf israelische Soldaten, die daraufhin das Feuer eröffneten. Bei der Aktion starben neun türkische Staatsangehörige und ein türkischstämmiger Amerikaner. Laut Anklage seien auch 189 Personen während der Aufbringung verletzt worden. Der Vorfall führte zu schweren diplomatischen Verstimmungen zwischen der Türkei und Israel, die bis heute noch nicht beigelegt werden konnten.

In einer bereits im letzten Sommer vorbereiteten Anklage fordert der Istanbuler Sonderstaatsanwalt Mehmet Akif Ekinci, vier führende Kommandeure der israelischen Armee, darunter den Generalstabschef, für deren von der Anklage behauptete Verwicklung in die Erstürmung der Flottille in Abwesenheit jeweils zehn Mal eine verschärfte lebenslängliche Freiheit zu verhängen.

Hüseyin Oruç, der Vizepräsident der türkischen Abteilung der 2010 in Deutschland wegen des Verdachts der Unterstützung terroristischer Aktivitäten verbotenen IHH (Stiftung für Menschenrechte, Freiheiten und Humanitäre Hilfe), der Eigentümer und Betreiber der „Mavi-Marmara“-Flottille war, sagte gegenüber „Zaman“: „Die Türkei ist das erste Land, das die rechtswidrigen Handlungen Israels vor Gericht bringt.“ Das Verfahren sei „eine sehr signifikante Angelegenheit, da heute der Tag sein wird, an dem das saubere Image Israels Schaden nehmen“ würde.

Gülen kritisierte Vorgehen der Aktivisten

Das israelische Außenministerium hingegen betonte in einer offiziellen Stellungnahme, das Verfahren wäre ein „Schauprozess“ und habe „weder mit Gerechtigkeit noch mit Recht etwas zu tun“. Aus diesem Grund seien bis heute keine Vorladungen an die Angeklagten erfolgt, keine Informationen ihnen gegenüber eröffnet worden und es hätte nicht einmal einen symbolischen Versuch gegeben, ihnen die Möglichkeit zu geben, ihren Standpunkt darzulegen oder sich vertreten zu lassen.

Der angesehene türkische Gelehrte Fethullah Gülen hatte im Juni 2010 gegenüber dem „Wall Street Journal“ die Aktivisten der „Mavi Marmara“ für ihr gewaltsames Vorgehen gegenüber den Sicherheitskräften kritisiert und dazu aufgefordert, Genehmigungen für Hilfslieferungen nach Gaza ordnungsgemäß von den israelischen Behörden einzuholen. Seine Leute hätten in diesem Zusammenhang noch nie Probleme gehabt, so Gülen.

Das starke und auch im eigenen Land nicht unumstrittene Engagement der türkischen Regierung im Zusammenhang mit Gaza wird von politischen Beobachtern zum einen als Ausdruck eines politischen Führungsanspruchs der Türkei gegenüber der islamischen Welt gewertet, zum anderen soll im Falle einer Aufhebung der Blockade der Gazastreifen einen vielversprechenden künftigen Absatzmarkt für türkische Waren und Dienstleistungen darstellen.