Politik
Trotz Festnahmen: HDP beendet Parlamentsboykott
Nach der Verhaftung ihrer Parteiführung hatte die pro-kurdische HDP angekündigt, sich aus der Parlamentsarbeit zurückzuziehen. Nungab Parteisprecher Bilgen bekannt, die Arbeit wieder aufnehmen zu wollen – trotz oder gerade wegen der steigenden Repression gegen seine Partei.
Die prokurdische Demokratiepartei der Völker HDP hat angekündigt, ihren Parlamentsboykott zu beenden und die Arbeit in der Türkischen Nationalversammlung wieder aufnehmen zu wollen. Nach der Festnahme von 11 führenden HDP-Politikern, darunter beide Vorsitzende und Fraktionschef, hatte die Partei angekündigt, den Parlamentssitzungen künftig fernzubleiben. „Jetzt sind wir hier. Auch wenn Ihr es nicht wollt, werden wir uns an der Parlamentsarbeit beteiligen. Weder werden wir, wie Ihr es euch erhofft, diesen Ort verlassen, noch werden wir eine Marionette in dem Spiel sein, das hier aufgeführt wird“, sagte Ayhan Bilgin, der Pressesprecher der HDP, an die regierende AKP gewandt in der Fraktionsversammlung seiner Partei (Foto).
Ein weiterer Funktionär der HDP wertete die Aussagen Bilgins als Rückkehr zur Teilnahme an den Gesetzgebungsverfahren: „Wir werden weiterhin an Volksversammlungen festhalten. Gleichzeitig haben wir aber auch beschlossen, uns an den Gesetzgebungsverfahren zu beteiligen.“ Der HDP wird von der türkischen Regierung vorgeworfen, der politisch Arm der Terrororganisation PKK zu sein.
Unter dem Vorwurf, Terroristen zu unterstützen wurden gemeinsam mit den beiden Parteivorsitzenden Figen Yüksekdağ und Selahattin Demirtaş am 4. November insgesamt 11 Abgeordnete der HDP verhaftet. Acht Abgeordnete der Partei sitzen immer noch in Untersuchungshaft. Darüber hinaus ging die Regierung in den letzten Wochen gegen Dutzende HDP-geführte Kommunalverwaltungen vor. 8 Bürgermeister von Provinzhauptstädten wurden bereits abgesetzt, darunter Gültan Kışanak, Bürgermeisterin von Diyarbakır, der größten kurdischen Stadt in der Türkei. Insgesamt sitzen 39 gewählte HDP-Bürgermeister im Gefängnis. Die Maßnahmen der türkischen Justiz gegen die gewählten Politiker wurden sowohl von europäischen Regierungen als auch von den Institutionen der EU scharf verurteilt.
Eine Delegation europäischer Sozialdemokraten wollte Parteichef Selahattin Demirtaş kürzlich besuchen, um Solidarität mit der HDP zu bekunden. Wie der SPD-Europaabgeordnete Arne Lietz der Deutschen Presse-Agentur in Istanbul sagte, wurden die Abgeordneten aus Deutschland, Schweden, Italien, Frankreich und Bulgarien jedoch von bewaffneten Polizisten daran gehindert, sich dem Gefängnis im westtürkischen Edirne zu nähern. „Die EU ist keine Union von Diktaturen, sondern von Demokratien. Und ich sehe dieses Land in eine Diktatur schlittern“, äußerte Lietz sich auch kritisch zum EU-Beitrittsprozess der Türkei.
Nach Demirtaş wollte die Delegation der regierungskritischen Zeitung Cumhuriyet in Istanbul einen Solidaritätsbesuch abstatten. Zehn Mitarbeiter der Zeitung sitzen in Untersuchungshaft, darunter auch der Chefredakteur Murat Sabuncu. Auch gegen sie werden Terrorvorwürfe erhoben. (dpa/dtj)