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Gesellschaft

Stuttgart: Tausend Rosen gegen die Zwietracht

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Stuttgart wurde am Samstag Schauplatz einer tollen Geste. Am Kronprinzplatz wurden 1000 Rosen verteilt. Initiiert wurde die Aktion von einer sunnitischen und einer alevitischen Studentin. (Foto: Yasin Aykanat)

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Stuttgart: Tausend Rosen gegen die Zwietracht
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Die Gezi-Park-Proteste prägten in den vergangenen Monaten nicht nur in der Türkei das öffentliche Bild, auch in der deutsch-türkischen Community waren die Demonstrationen ein großes Thema. Sie polarisierten die türkische Gesellschaft, die Spannungen waren bis nach Deutschland spürbar. Politiker mit und ohne Migrationshintergrund äußerten sich, Medien zeichneten sich zum Teil durch eine undifferenzierte Berichterstattung aus, jahrelange Freundschaften gingen in die Brüche. Zwei Studentinnen war das zu viel.

Während viele eine Funkstille bevorzugten oder dazu übergingen, nur noch übereinander statt miteinander zu reden, tauschten sich Merve Gül, eine sunnitische Türkin, und ihre Freundin Ezo Sazpınar, eine alevitische Kurdin, in dieser Zeit regelmäßig aus. Die sich bemerkbar machende Spaltung in der deutsch-türkischen Community machte sie betroffen. Aus der Betroffenheit reifte die Überlegung, gemeinsam etwas gegen die vergiftete Stimmung zu unternehmen.

Merve und Ezo entschieden sich dafür, 1000 mit Zitaten bestückte Rosen öffentlich auf dem Stuttgarter Kronprinzplatz zu verteilen. Auf facebook machten sie ihre Idee publik und erhielten umgehend viel Zuspruch von Freunden und Außenstehenden. „Uns ging es darum, für Freundschaft und Zusammenhalt zu werben. Der Zuspruch unseres Umfeldes war überwältigend und brachte die Aktion dann endgültig ins Laufen.“

Zwei Freundinnen, ein Ziel: Versöhnung

Eine facebook-Veranstaltung „Weiße Rosen für Freundschaft“ wurde erstellt, Aufgaben verteilt. Schließlich mussten noch Zitate gesammelt werden. Die Wahl fiel auf vier sowohl von Sunniten als auch Aleviten anerkannte Persönlichkeiten: Den Propheten Muhammad, den vierten Kalifen Ali und den islamischen Mystikern Dschalal ad-Din Muhammad Rumi und Hacı Bektaş-ı Veli. Viele Vorschläge gingen ein, nicht alle konnten berücksichtigt werden, denn die Zitate sollten in drei Sprachen, nämlich in Türkisch, Deutsch und Englisch wiedergegeben werden, sodass eine Begrenzung nötig war. Freunde der beiden übernahmen die Übersetzungsarbeit.

„Wenn Du für eine Sache einstehst, solltest Du zunächst selbst von ihr überzeugt sein, andere von ihr zu überzeugen, ist erst der zweite Schritt“ oder „Es kann kein besseres Eigentum geben als die Vernunft, keinen besseren Freund als einen guten Charakter, keine bessere Erbschaft als der Anstand und keine bessere Würde als das Wissen“ war dann am vergangenen Samstag auf den an den Rosen angehefteten Zetteln zu lesen.

Wichtig war den Studentinnen, dass die Aktion eine rein private Initiative blieb, sowohl aus organisatorischer als auch finanzieller Hinsicht. „Entscheidend für uns war, eine Aktion ohne die Unterstützung von NGOs zu organisieren, an der Menschen verschiedenster Gesinnungen und aus jeder Schicht teilnehmen konnten. Das haben wir mit der Rosenaktion geschafft. Es gab viele emotionale Momente. Die Menschen freuten sich, als ihnen unbekannte Personen eine Rose schenkten. Viele bedankten sich durch eine Umarmung“, sagte Ezo Sazpınar im Anschluss an die Aktion, an der sich rund 30 Studenten beteiligten.

Positive Energie getankt

Die Rosen kamen bei den Beschenkten gut an. „Mein Kind, alles was Geld kostet, kommt vom Teufel. Diese Rosen und ihr kommt aber von Gott“, brachte eine alte Dame ihre Gefühlslage zum Ausdruck. Andere wiederum teilten ihre positiven Erfahrungen mit Migranten.

Doch auch für die Studenten, die die Rosen verteilten, blieb unter dem Strich viel Positives hängen. Viele von ihnen begegneten sich am Samstag zum ersten Mal, allerdings machte sich dies nicht weiter bemerkbar. „Ich habe im Nachhinein zahlreiche Nachrichten von den Teilnehmern bekommen“, erklärt Merve Gül. „Sie schrieben, dass sie am Samstag sehr viel positive Energie tanken konnten“. Schade fand sie einzig, dass nur etwa die Hälfte der 70 Personen, die sich angekündigt hatten, anwesend war. Doch allein das habe gereicht, um Mut für die Zukunft und ein besseres Miteinander zu schöpfen – und zu geben.