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Politik

Bilder geschändeter Frauenleichen in Cizre: Kriegsverbrechen oder PKK-Propaganda?

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Türkische Sicherheitskräfte sollen zwei Frauen gefoltert und ihre Leichen auf den Bürgersteig geworfen haben. Fotos davon lösen Kontroversen aus. Die Echtheit der Bilder lässt sich nicht zweifelsfrei belegen, aber es wäre nicht das erste Mal, dass so etwas passiert.

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Leichen gefolterter Frauen in Cizre
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In der Türkei wird erneut über die Echtheit von Belegen für mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen der Sicherheitskräfte im Südosten des Landes diskutiert.

Über die sozialen Medien wurden die Fotos von zwei toten Frauen in Umlauf gebracht, die nackt ausgezogen auf einem Gehweg liegen und auf deren Leichen Folterspuren zu sehen sind. Sie sollen in Cizre aufgenommen und von türkischen Sicherheitskräften gepostet worden sein.

Das Gourverneursamt von Şırnak veröffentlichte umgehend eine Erklärung, wonach die besagten Fotos mit Cizre nichts zu tun haben. Sie seien veröffentlicht worden, nachdem erklärt wurde, dass die Operationen ebendort erfolgreich beendet wurden.

Demzufolge wurden sie einzig mit dem Ziel in Umlauf gebracht, den Erfolg der Sicherheitskräfte in ein schlechtes Licht zu rücken. In der Erklärung heißt es auch: „Unsere Sicherheitskräfte handeln bei all ihren Aktionen den Anweisungen der Staatsanwälte gemäß im Rahmen des Rechtsstaats.“

HDP-Abgeordneter: „Der Gouverneur lügt“

Der HDP-Abgeordnete aus Şırnak, Faysal Sarıyıldız, der die Entwicklungen in Cizre aus nächster Nähe verfolgt, zeigte sich jedoch nicht überzeugt von der Erklärung des Gouverneurs. Über Twitter beschuldigte er ihn, ein Lügner zu sein. Sarıyıldız twitterte:

„So wie ich sicher bin, dass der Gouverneur von Şırnak ein Lügner ist, so bin ich auch sicher, dass die besagten Fotos in Cizre entstanden sind. Der Gouverneur wurde seit dem ersten Tag der Blockade der Stadt beauftragt, das unmenschliche Verhalten des Staates zu vertuschen.“

Auch die Ko-Vorsitzende der HDP, Figen Yüksekdağ protestierte gegen die Fotos. In einer Pressekonferenz bezeichnete sie die Bilder als „einen niederträchtigen, ehrlosen Angriff.“ Yüksekdağ sagte: „Wir sind sehr traurig über die niederträchtigen Fotos aus Cizre. Aber wir schämen uns nicht. Gegen die Unterdrücker setzen wir Frauen Gegenwehr. Was da offenbart wurde, ist nicht der Körper der toten Frau, sondern das Kriegsverständnis der Machthaber.“

In Anspielung auf die erfolgreiche Beendigung der militärischen Operationen in Cizre sagte Yüksekdağ: „Die große Siegesoperation hat sich zu einem Alptraum gewandelt. Ihr Plan, die Menschen auf die Knie zu zwingen, ist zu einem Alptraum geworden. Und ich sage es in aller Deutlichkeit: Ihr Alptraum wird kein Ende nehmen. Als eine türkische Frau erachte ich es als eine Beleidigung meiner Person, meine Stimme nicht gegen Angriffe zu erheben, die im Namen des Türkentums erfolgen .“

Ähnliche Zwischenfälle wurden bereits bestätigt

Sarıyıldız vertritt die Meinung, dass denjenigen, die die Fotos unmittelbar zu verantworten haben, denjenigen, die dies angeordnet haben, sowie dem Gouverneur von Şırnak, der diese Taten  zu vertuschen versuche, eines Tages der Prozess gemacht werden wird, wie dem früheren serbischen Präsidenten Slobodan Milošević. Zu Erhärtung seiner These hat Sarıyıldız die besagten Fotos mit anderen Bildern verglichen, die von Twitter-Accounts der türkischen Spezialkräfte veröffentlicht wurden.

Bereits im vergangenen Oktober wurde über einen Fall diskutiert, bei dem Bilder von türkischen Soldaten auftauchten, auf denen zu sehen war, wie eine männliche Leiche an ein Fahrzeug gebunden und durch die Straßen geschleift wurde. Vor allem regierungstreue Medien verbreiteten daraufhin die Behauptung, die Bilder seien gefälscht worden. Das Revolverblatt Yeni Akit wartete gar mit dem vermeintlichen Original des Bildes auf, auf dem das Fahrzeug ohne die daran gebundene Leiche zu sehen war. Es war relativ offensichtlich, dass das Bild ziemlich dilettantisch mit Photoshop bearbeitet wurde.

Kurz danach stellte sich heraus, dass es sich bei dem Toten um die Leiche von Hacı Lokman Birlik handelte. Die Fotos und Videoaufnahmen wurden von einem Twitter-Account namens JİTEM (dem Namen eines informellen Geheimdienstes der Gendarmerie) veröffentlicht.

Ebenfalls im August vergangenen Jahres kam an die Öffentlichkeit, dass die am 10. August 2015 bei einem Gefecht mit türkischen Sicherheitskräften getötete PKK-Kämpferin Kevser Eltürk eine ähnliche Behandlung erfuhr. Drei Soldaten posierten mit ihrer nackten Leiche für Erinnerungsfotos. Der Gouverneur von Mus hatte zugegeben, dass es sich um ein echtes Foto handelte.

HDP-Politiker wenden sich an die EU und Deutschland

Unterdessen haben die beiden Vorsitzenden der prokurdischen Partei HPD, Selahattin Demirtaş und Figen Yüksekdağ, einen Brief an den Präsidenten des Europäischen Rats Donald Tusk, den Präsidenten der Europäischen Kommission Jean-Claude Juncker und an Bundeskanzlerin Angela Merkel  geschickt.

Darin  stellen sie fest, dass die kurdische Frage und die Aufgabe der Gespräche eine Quelle der Instabilität in der ganzen Region darstellen. Menschenrechtsverletzungen und Aktionen jenseits der Rechtsstaatlichkeit seien zur Routine geworden.

Die beiden HDP-Vorsitzenden fordern von Deutschland und der EU, die Kopenhagener Kriterien nicht zum Gegenstand von Verhandlungen mit der Türkei zu machen und wieder stärker auf demokratische Prinzipien zu setzen.