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Politik

Brüssel tritt die Flucht nach vorne an

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Nur wenige Tage, nachdem deutsche Unionspolitiker die Aussetzung der Beitrittsverhandlungen zwischen der Türkei und der EU gefordert und eine Mitgliedschaft ausgeschlossen hatten, eröffnet Brüssel ein neues Verhandlungskapitel. (Foto: dpa)

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Brüssel tritt die Flucht nach vorne an
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Erstmals seit drei Jahren haben die EU-Regierungen bei den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ein neues „Verhandlungskapitel“ eröffnet. Die Verhandlungen über den Themenbereich Regionalpolitik werden aber erst im Oktober beginnen, vereinbarten die Außen- und Europaminister der EU nach Angaben einer Ratssprecherin am Dienstag in Luxemburg.

Zuvor muss die EU-Kommission ihren jährlichen Bericht über die Lage in der Türkei vorlegen. Damit reagiert die EU auf die gewaltsame Niederschlagung von Demonstrationen der Opposition in der Türkei.

Die Beitrittsverhandlungen sind in 35 „Kapitel“ unterteilt, deren Eröffnung aufseiten Brüssels die Einstimmigkeit seitens der EU-Regierungen voraussetzt und von denen nunmehr insgesamt 14 eröffnet und lediglich eines bereits geschlossen wurde. Der bisher letzte Themenbereich war im Juni 2010 eröffnet worden.

Als „gute Entscheidung in schwieriger Lage“ begrüßte Bundesaußenminister Guido Westerwelle am Dienstag die Entscheidung. Er hatte den Kompromissvorschlag vorgelegt. Kurz zuvor hatte er gesagt: „Bei allem, was wir auch an verständlichen Reaktionen empfinden und sehen in Anbetracht der Ereignisse der letzten Tage, dürfen wir nicht außer Acht lassen, dass wir ja auch strategische langfristige Interessen haben.“ Man müsse „eine diplomatisch kluge Entscheidung“ treffen.

Ankara begrüßt Eröffnung des neuen Verhandlungskapitels

Der türkische Außenminister Ahmet Davutoğlu hat die Eröffnung des neuen „Verhandlungskapitels“ in den Beitrittsverhandlungen mit der EU begrüßt. Der Schritt sei wichtig für sein Land, sagte Davutoğlu am Dienstag. Das Außenministerium in Ankara bezeichnete die Entscheidung der EU-Regierungen in einer Mitteilung als Schritt in die richtige Richtung, der aber noch nicht weit genug gehe.

Die EU-Beitrittsverhandlungen sind in 35 sogenannte Kapitel eingeteilt. Jedes davon muss durch einstimmigen Beschluss aller EU-Staaten für Verhandlungen geöffnet und am Ende der Verhandlungen wieder geschlossen werden. Im Fall der Türkei sind nach dem Beschluss der Außenminister vom Dienstag nunmehr 14 Kapitel geöffnet worden. Davon ist nur eines (Wissenschaft und Forschung) bereits wieder geschlossen.

Aus politischen Gründen ist derzeit eine ganze Reihe von Verhandlungskapiteln noch blockiert. Die EU-Staaten hatten im Dezember 2006 beschlossen, die Eröffnung von acht Kapiteln auf Eis zu legen und keines der bereits geöffneten Kapitel zu schließen. Damit soll Druck auf die Türkei ausgeübt werden, das teilweise von der türkischen Armee besetzte Zypern als Teil des bestehenden Freihandelsabkommens mit der EU anzuerkennen und Häfen und Flughäfen auch für Zypern zu öffnen.

Zusätzlich dazu hat Zypern sechs Verhandlungskapitel blockiert. Außerdem hat Frankreichs damaliger Präsident Nicolas Sarkozy fünf Kapitel blockiert. Von diesen wurde eines – Regionalpolitik – vom jetzigen Präsidenten François Hollande wieder deblockiert. Es ist jenes, dessen Eröffnung nun beschlossen wurde. Das bedeutet, dass bei 14 geöffneten und 18 blockierten Kapiteln derzeit nur noch drei Kapitel geöffnet werden könnten: Dabei handelt es sich um die Themenbereiche Beschaffungswesen, Wettbewerb und Sozialpolitik. (dpa/dtj)