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Politik

Can Dündar: „Erdoğan ist der Erste, der verurteilt werden müsste“

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Can Dündar, der im Ausland untergetauchte Chefredakteur der Zeitung Cumhuriyet, hat sich via Twitter zur Säuberungswelle in der Türkei gemeldet. Dündar, der in der Türkei wegen investigativer Recherche zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde, listete über den Kurznachrichtendienst 20 Punkte auf, in denen er die Gülen-Bewegung, die nach Darstellung der türkischen Regierung für den Putschversuch am 15. Juli verantwortlich sein soll, und Präsident Erdoğan in scharfen Worten kritisiert. Wir dokumentieren an dieser Stelle seine Aussagen:

1. Es ist Zeit, einige Worte an die regierungstreuen Medien loszuwerden, die noch bis vor einigen Jahren Fethullah Gülen lobten, sich nun aber radikal von ihm abgewendet haben und uns zu „FETÖ-Anhängern“ erklären.

2. In meinem ganzen Leben war ich noch nicht einmal in Pennsylvania (Wohnort von Gülen im US-Exil, Anm. d. Red.), bei einer Tagung der Abant-Plattform (eine von der Gülen-Bewegung veranstaltete Konferenz von Journalisten und Intellektuellen unterschiedlicher politischer Ausrichtungen, Anm. d. Red.) oder der Türkisch-Olympiade. Ich habe meine Stimme aber auch nicht gegen jene erhoben, die dort waren. Es ist jedermanns eigene und freie Entscheidung.

3. Niemals war ich auf einem Foto mit Gülen zu sehen, auch habe ich mich nie in eine Reihe gestellt, um ihm die Hand zu küssen. Ich war nicht in Übersee, um mir seinen Segen zu holen.

4. Weder habe ich geschrieben, dass es das natürliche Recht der Hizmet-Bewegung ist, eine Rolle im Staat zu übernehmen, noch habe ich mir Gebete von ihnen erhofft.

5. Ich habe mich nicht sehnsüchtig hingestellt und diejenigen, die fernab von der Türkei im Ausland leben, zur Rückkehr in die Heimat eingeladen.

6. Als sie Briefe an Gülen schrieben, veröffentlichte ich Artikel über die Unterstützung der USA für den Prediger.

7. Während der Ergenekon-Prozesse habe ich ausgesagt, dass es ein Netzwerk namens Ergenekon tatsächlich gibt, aber dass der Prozess dazu missbraucht werde, um kritische Stimmen zu verurteilen.

8. Erdoğan sagte damals selbst, dass er der Staatsanwalt dieser Prozesse sei, die von Gülen gelenkt wurden.

9. Als ich berichtete, dass in Gülen-Schulen in Russland CIA-Agenten arbeiten, wurde ich von Gülen-Anhängern verklagt. Meine Telefone wurden abgehört.

10. Aber so, wie wir gegen das unrechtmäßige Vorgehen der Gülen-Anhänger waren, so sind wir auch jetzt gegen das unrechtmäßige Vorgehen gegen die Bewegung und ihre Anhänger.

11. Die AKP, die erst jetzt gemerkt haben will, mit was für einer Gefahr sie es zu tun hat, ist rein und ohne Schuld, und wir, die jahrelang mit dieser Bewegung zu tun hatten, sind auf einmal selbst ein Teil von „FETÖ“? Das ist wohl ein schlechter Witz.

12. Falls jemand verurteilt werden soll, der diese Organisation in irgendeiner Form unterstützt hat, dann muss das zuallererst Recep Tayyip Erdoğan sein, der einst sagte: „Was haben wir ihnen denn nicht gegeben, was sie haben wollten?“

13. Wir wurden verurteilt, wegen Spionage, Unterstützung der Parallelstruktur, illegaler Kredite und Immobilienverkäufe. Ohne Beweise, ohne Zeugen. Doch wir wurden freigesprochen.

14. Was jetzt die Putsch-Vorwürfe angeht: Auch da habe ich mir nichts zu Schulden kommen lassen. Meine Dokus, Bücher und Artikel der letzten Jahre sprechen für sich.

15. Der 15. Juli war der Tag eines blutigen Putschversuchs. Wir werden immer gegen einen Putsch sein und das Parlament verteidigen.

16. Aber die Regierenden nehmen den Tag zum Anlass und verhängen den Ausnahmezustand, um ihre zivile Diktatur zu errichten. So wie wir gegen den Putsch waren, werden wir uns auch gegen das stellen.

17. Es muss gewürdigt werden, wie das Volk sich gegen den Putsch stellte. Aber all jene, die an die Demokratie glauben, müssen sich auch gegen die Gefahr einer dauerhaften autokratischen Herrschaft wehren.

18. Auch beim Referendum vom 12. September 2010 wurde mit den Gefühlen der Menschen gespielt. So wie ich damals „Nein“ sagte, tue ich es heute noch.

19. Während wir jene verdammen, die das Parlament bombardieren und auf Zivilisten schießen, dürfen wir nicht vergessen, uns jenen in den Weg zu stellen, die die Arbeit des Parlaments behindern, die Todesstrafe gutheißen und eine Hexenjagd veranstalten.

20. Unsere Antwort auf Putsche und zivile Diktaturen ist bekannt: Die Stärkung der Demokratie-Front! Jeder soll auf seine eigene Geschichte blicken und erst dann andere mit Schmutz bewerfen.