Kolumnen
Die Einsamkeit der Kriegsgegner in der Türkei
Laut dem türkischen Verteidigungsministerium ist die Armee für einen Militäreinsatz in Nordsyrien bereit. Es bleibt also der Befehl des Oberkommandanten Recep Tayyip Erdoğans abzuwarten, damit die zweitgrößte Armee der NATO loslegt und in das südliche Nachbarland einmarschiert.
Aus Sicht der türkischen Regierung geht es darum, die „Terroristen östlich des Euphrat-Flusses zu vertreiben und die Nationale Sicherheit und das eigene Überleben zu sichern“. Der stellvertretende Vorsitzende der regierenden AKP, Numan Kurtulmuş, sieht bereits in die Zukunft und erklärt jetzt schon den Sieg „mit Gottes Erlaubnis“. In einer Talkshow des Fernsehsenders Habertürk sprach er offen über die Absicht der AKP: „Die Intention der Türkei ist ganz und gar offen. Wir werden in Syrien niemals die Absicht eines Besatzers hegen. Auch werden wir keine der ethnischen Gruppen der anderen vorziehen oder benachteiligen.“ Die Türkei wolle lediglich eine 30 km breite Sicherheitszone errichten, damit syrische Kriegsflüchtlinge aus der Türkei in ihre Heimat zurückkehren könnten.
Als Volksverräter zu gelten, geht in der Türkei schnell
Wer geht das Risiko ein, einem Krieg, bei dem es um nichts geringeres als um die Sicherheit der Nation geht und der Sieg mit Gottes Hilfe mit den Händen zu fassen ist, zu widersprechen? Jeder, der diesen Schritt wagt, würde in der heutigen Türkei sofort den Stempel des Volksverräters aufgedrückt bekommen. Ein Verräter, der gegen die Interessen der Nation agiert und mit ausländischen Mächten unter einer Decke steckt.
Doch umso wichtiger ist es genau heute darauf hinzuweisen, dass ein Krieg niemals alte Probleme löst, sondern viele neue schafft. Der moderne Krieg ist zudem eine gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Selbstzerstörungsmaschine. Die Opfer eines Krieges sind nicht nur die beteiligten Soldaten – was ja schlimm genug ist – sondern auch die unbeteiligte Zivilbevölkerung. Der Lebensraum von Tieren und Pflanzen wird für Jahre, wenn nicht Jahrzehnte zerstört. Er führt zu Feindschaften, die wie eine Blutrache über Jahrzehnte andauern und friedlichen Möglichkeiten der Konfliktlösung den Weg versperren. Ich sage Nein zum Krieg! Die Kunst der Politik und der Diplomatie ist es, vorhandene Konflikte mit friedlichen Mitteln zu lösen. Dazu sind alle an dem syrischen Konflikt beteiligten Staaten verpflichtet.
Der Journalist Hasan Cemal ist einer der wenigen mutigen Persönlichkeiten in der Türkei, der ganz sanft seine Stimme erhebt und auf die Sinnlosigkeit eines Krieges hinweist: „Ich bin gegen einen Krieg. Die Lösung liegt nicht im Krieg, sondern im Frieden. Der Frieden liegt nicht auf der Spitze des Gewehrlaufs, sondern im Dialog. Er führt über den Weg des Verhandelns an einem Tisch. Eine Türkei, die mit Kurden aller Länder in der Region auf dem Weg des Friedens voranschreitet, wird im Inneren den Raum für Demokratie und Recht stärken und an Einfluss in der Region gewinnen. Ein Krieg vertieft die Sackgassen der Türkei und führt zur politischen und wirtschaftlichen Instabilität. Frieden zu schaffen ist schwieriger als Krieg zu führen. Habt keine Angst vor dem Frieden, sondern vor dem Krieg.“
Die Kriegsgegner, sie stehen auf verlorenem Posten in der Türkei.