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Gesellschaft

DİTİB nimmt Einladung in Armenier-Gedenkstätte an

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Die Potsdamer Armenier-Gedenkstätte Lepsiushaus erhält voraussichtlich noch in diesem Jahr Besuch von Vertretern der Berliner Şehitlik-Moschee. Wie der evangelische Berliner Bischof Markus Dröge am Dienstag auf Anfrage bekannt gab, nahm die Moscheeleitung seine Einladung in die Forschungs- und Begegnungsstätte an, die sich vor allem mit den am 2. Juni per Bundestagsresolution als Völkermord anerkannten Massakern an Armeniern im Osmanischen Reich beschäftigt. Nach Angaben Dröges ist ein Besuch wegen Terminproblemen aber erst nach der Sommerpause möglich. Nach Angaben des Moscheevorstands war als Termin der 5. Juli vorgeschlagen worden – der erste Tag des Ramadan-Festes. „Ein kleines bisschen mehr Sensibilität bei solchen religiösen Fragen hätte ich eigentlich von einem Bischof erwartet“, sagt Ender Çetin, der Vorsitzende der Şehitlik-Moschee, dem DTJ. 

Doch das ist nicht das Einzige, was der Einladung einen faden Beigeschmack gibt: Zu der Einladung kam es, nachdem der Träger der Moschee, der Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DİTİB), ein Fastenbrechen mit Bundestagspräsident Norbert Lammert abgesagt hatte. Hintergrund war besagte Resolution des Bundestags, die der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan scharf kritisiert hatte. Als Reaktion lud Dröge Ender Çetin zu einem Besuch in das Lepsiushaus ein, um dort über „die historische Forschung zum Völkermord an den Armeniern“ zu sprechen.

„Gerade dann, wenn es Diskussions- und Gesprächsbedarf gibt, halten wir es für problematisch, Begegnungen abzusagen“, schrieb Dröge an Çetin. Die konstruktive Zusammenarbeit zwischen Şehitlik-Moschee und evangelischer Kirche müsse fortgeführt werden. „Gemeinsam sollten wir für ein friedliches Zusammenleben aller Menschen eintreten und den interreligiösen Dialog vertieft und in wahrhaftiger Weise fortführen. Dazu gehört es auch, in schwierigen Fragen das Gespräch miteinander zu suchen“, so Dröge.

Unverständnis für B.Z.-Artikel

Doch Çetin zufolge war es so einfach nicht mit der Einladung: Er selbst habe erst aus der B.Z. von ihr erfahren, sagt er gegenüber DTJ. Erst daraufhin habe er eine E-Mail erhalten und als die richtige, schriftliche Einladung bei ihm einging, sei in der B.Z. bereits der zweite Artikel zur Einladung Dröges erschienen: „Schlägt die Şehitlik-Moschee die Einladung des Bischofs aus?“, vom B.Z.-Chefkolumnist Gunnar Schupelius. Çetin wirkt ungehalten über diesen Ablauf der Ereignisse. Es wirke so, als solle der Eindruck vermittelt werden, dass DİTİB die ausgestreckte Hand des evangelischen Bischofs zurückstoße. „Dabei sind wir immer offen für einen Austausch, auch wenn wir wissen, dass es bei dem Thema sehr unterschiedliche Meinungen gibt“, beteuert Çetin.

Hinzu kommt noch, dass laut Çetin „nach wie vor keine Einigung über das Format des Treffens herrscht“. Lepsius habe vorgeschlagen, sich nur im kleinen Kreis zu treffen und die Begegnung für ein persönliches Gespräch zu nutzen. Çetin hingegen legt laut eigener Aussage Wert darauf, dass es eine öffentliche Veranstaltung wird: Er wolle, dass sie sowohl der Presse als auch Wissenschaftlern, „gern auch von beiden Seiten“, zugänglich ist.

Das Lepsiushaus in Potsdam setzt sich für den zivilgesellschaftlichen Dialog zwischen Türken, Armeniern und Deutschen ein. Johannes Lepsius (1858-1926) war ein evangelischer Theologe, der sich für die Armenier im Osmanischen Reich engagierte. Er gründete das Armenische Hilfswerk und und war Mitbegründer der Deutsch-Armenischen Gesellschaft. Sein „Bericht über die Lage des armenischen Volkes in der Türkei“ und die als „Lepsiusdokumente“ bekannte Sammlung „Deutschland und Armenien 1914-1918“ zählen zu den wichtigsten Zeugnissen der Ereignisse von 1915 und 1916. In ihnen beschreibt er das Vorgehen der osmanischen Truppen und das Leid der Armenier während der Massaker und Deportationen.

Türkei widerspricht deutscher Darstellung

Das Lepsiushaus, das sich in Lepsius‘ ehemaliger Villa befindet, von der aus er 1916 seinen „Bericht über die Lage des armenischen Volkes in der Türkei“ an Reichstagsabgeordnete und Journalisten versandte, wurde nach der Wiedervereinigung restauriert und ist nun eine Forschungs- und Begegnungsstätte. Sie beherbergt neben einer Dauerausstellung über Lepsius‘ Leben und Wirken das Johannes-Lepsius-Archiv.

In seiner Resolution hatte der Bundestag die Massaker des Osmanischen Reiches an den Armeniern 1915/16 als Völkermord eingestuft und eine Mitschuld des Deutschen Reiches eingeräumt. Die Türkei widerspricht dem und räumt lediglich Massaker, Vertreibungen und beiderseitige Gewalttaten ein.

Da es daraufhin zu Drohungen auch gegen deutsche Bundestagsabgeordnete kam, hatte die DİTİB das Fastenbrechen mit Lammert abgesagt – laut eigenen Angaben wegen Drohungen türkischer Nationalisten im Internet. Letzte Woche dann lud DİTİB auf Anweisung der Kölner Zentrale die SPD-Bundestagsabegordnete und Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Aydan Özoğuz von einem geplanten Iftar-Empfang in Hamburg aus. “Mit meiner Ausladung hat DİTİB eine Chance vertan, klar Stellung gegen Extremisten zu beziehen”, kommentierte Özoğuz die Entscheidung. (mit Material von kna)