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Gesellschaft

Geburt per Kaiserschnitt: Türkei auf Platz 1

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Mehr als die Hälfte aller Neugeborenen kommen in der Türkei per Kaiserschnitt zur Welt. Damit liegt die Türkei unter den 34 OECD-Ländern an erster Stelle – und weit weg von der empfohlenen Rate für Kaiserschnittgeburten.

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Die Türkei hat mit Abstand die größte Kaiserschnittsrate unter den sogenannten 34 OECD-Ländern. Deutschland liegt auf Platz 12. Das gab die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in ihrer letzten Statistik bekannt.

Demnach führt die Türkei mit einer 50.4 %igen Kaiserschnittsrate die Liste an oberster Stelle an. Auf den Plätzen folgen Mexiko und China mit einer Quote von 45.2 % und 44.7 %. Damit verfehlen diese Länder die Richtlinie der Weltgesundheitsorganisation in Höhe 5- 15 % um ein Vielfaches. An die vorgeschriebene Norm konnten sich erstaunlicherweise lediglich vier Länder halten: Finnland, Niederlande, Israel und Island, wobei Island das Land mit der niedrigsten Rate (15.2 %) ist.

Dem Bericht zur Statistik zufolge sollen die Kaiserschnittgeburten in fast allen OECD-Ländern in den letzten Jahrzehnten zugenommen haben. Während die Kaiserschnittrate im Jahr 2000 um 20 % stieg, erhöhte sich die Rate 13 Jahre später von 20 auf 28%. Lediglich in einigen Ländern habe sich der Anstieg seit Mitte der 2000er Jahre verlangsamt. Dazu gehören Finnland und Schweden. Selbst in Italien sei sie deutlich gesunken, obwohl die Preise für den Kaiserschnitt nach wie vor sehr hoch seien.

Was sind die Gründe für den Anstieg?

Zu den Gründen für diesen Anstieg gehören etwa die gesunkenen Risiken von Kaiserschnittgeburten, Haftungsfragen bei ärztlichen Kunstfehlern, die Bequemlichkeit der Planung sowohl für die Ärzte als auch für die Patienten und Veränderungen in der Beziehung zwischen Arzt und Patient. Auch Berichte über Komplikationen bei der versuchten normalen Geburt und die finanzielle Stärke tragen zur Tendenz zum Kaiserschnitt. Andere Trends, wie die Zunahme der Erstgeburten bei älteren Frauen und der Anstieg der Mehrlingsgeburten in Folge von Kinderwunschbehandlung, trugen ebenso zum globalen Anstieg der Kaiserschnitte bei.

Nichtsdestotrotz solle man den Kaiserschnitt nicht auf die leichte Schulter nehmen: Denn der Eingriff führe weiterhin zu einer erhöhten Sterberate unter den Müttern, einer erhöhten Krankheitshäufigkeit bei Müttern und Neugeborenen sowie vermehrten Komplikationen bei den folgenden Geburten. Diese Risiken würden außerdem in Verbindung mit den erhöhten finanziellen Kosten die Frage aufwerfen, ob die Kosten der Kaiserschnittentbindung nicht möglicherweise höher seien als ihr Nutzen.

Beweggründe der türkischen Patienten 

Nach Veröffentlichung des Berichtes zur Kaiserschnittrate hat sich auch Dr. Mustafa Öztürk, stellvertretender Präsident des Instituts für Volksgesundheit des türkischen Gesundheitsministeriums, zu Wort gemeldet: „Für den Kaiserschnitt sprechen mehrere Dinge: Vor allem der schnelle und risikioarme Eingriff und die Bestimmung des Geburtstages sind ausschlaggebend.“ Doch das seien vor allem Beweggründe seitens der Patienten, betont Öztürk. „Dann gibt es noch die Sicht der Ärzte, die zum Kaiserschnitt raten. Traurigerweise agieren solche Ärzte meistens nicht aus medizinischen, sondern gesetzlich bedingten Gründen. Enorm hohe Sanktionen schrecken die Ärzte ab“. Genau dieser Druck müsse abgeschafft werden, so Öztürk.

Auch in Deutschland werden Stimmen laut: Nina Martin, Sprecherin des Deutschen Hebammenverbandes, befürwortet den Eingriff nur, wenn er medizinisch notwendig ist. „Wir halten Wunschkaiserschnitte nicht für sinnvoll. Es gibt nur wenige medizinische Gründe, die einen Kaiserschnitt unabdingbar machen. Dazu zählt, wenn das Kind quer zur Längsachse der Mutter liegt oder der Mutterkuchen vor dem Muttermund. In vielen Fällen ist der Kaiserschnitt eine Option, aber nicht immer ein Muss, etwa bei einer Beckenendlage, hohem Geburtsgewicht, Zwillingsgeburten oder einem vorangegangenen Kaiserschnitt“, wird sie im „Spiegel“ zitiert.

Weitere Details des Berichts 

Der Bericht wirft weitere interessante Aspekte auf. Es wurde festgestellt, dass es erhebliche Schwankungen der Kaiserschnittraten zwischen den Regionen und Krankenhäusern innerhalb des gleichen Landes gibt. In der Türkei beispielsweise gebe es weiterhin starke Unterschiede – sehr große Raten im Westen im Gegensatz zu sehr niedrigen im Osten (s.u.). Auch gebe es in mehreren Ländern Anzeichen dafür, dass private Krankenhäuser eher dazu neigen, mehr Kaiserschnitte als öffentliche Krankenhäuser durchzuführen. In der Schweiz beispielsweise wurden in privaten Kliniken mehr Kaiserschnitte festgestellt (41%) als in öffentlichen Krankenhäusern (30,5%).

Die "Kaiserschnittkarte" der Türkei: Im Westen kamen 2014 deutlich mehr Kinder per Kaiserschnitt zur Welt als im Osten.