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Wirtschaft

ISIS-Vormarsch: Auswirkungen auf Türkische Wirtschaft schlimmer als US-Invasion 2003

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Kurzfristig hat der Vormarsch der extremistischen ISIS im Irak noch keine großen Auswirkungen auf den Ölpreis oder die türkische Wirtschaft gehabt. Dies kann sich jedoch schon bald ändern, befürchten namhafte Wirtschaftsexperten. (Foto: reuters)

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Noch hat der ISIS-Vormarsch im Irak keine gravierenden wirtschaftlichen Effekte. Doch türkische Unternehmen befürchten massive Einbußen im Handel.
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Der Vormarsch des „Islamischen Staates im Irak und in Syrien“ (ISIS, mittlerweile nur noch IS) führt auch unter den Verantwortlichen in Wirtschaft und Finanzwesen zu wachsender Sorge. Der Energiemarkt könnte durch die Entwicklungen in gravierender Weise beeinträchtigt werden, wird befürchtet, zumal der Irak der zweitgrößte Ölproduzent innerhalb der Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) ist.

Die annähernd 150 Milliarden Barrel Öl, die jährlich im Irak produziert werden, machen 9% der gesamten Ölfördermenge aller OPEC-Staaten aus. Es ist davon auszugehen, dass die Erfolge des ISIS den Ölpreis massiv ansteigen lassen werden. Mittlerweile wurde außerdem bekannt, dass der ISIS nach der Eroberung von Ölanlagen selbst illegal irakisches Öl verkauft.

Die chaotische Situation im Irak hat auch die türkischen Finanzmärkte in Mitleidenschaft gezogen und zu einem Verfall der türkischen Lira gegenüber dem Dollar geführt. So stand die Lira auf dem internationalen Devisenmarkt plötzlich bei 2,15 US$. Außerdem sollen einem Bericht der in Istanbul ansässigen Süleyman Şah Universität zufolge auch die Rohölpreise und der türkische Außenhandel in negativer Weise beeinflusst werden.

Rückt ISIS in den Süden vor, steigt der Ölpreis sprunghaft an

Dem Bericht zufolge soll jeder Dollar mehr an Ölpreis die türkische Wirtschaft mit zusätzlichen 300 Mio. US$ belasten, was sich auf das derzeitige Außenhandelsdefizit und die Inflationshöhen auswirken soll. Die Unruhen im Irak sollen zudem den Exportmarkt ins Nachbarland schwächen.

Die schlechte Infrastruktur und die Instabilität in der Region haben es verhindert, dass der Irak seine Ölreserven effizient nutzen kann. Obwohl die irakische Ölproduktion im Laufe der vorangegangenen fünf Jahre um 30% gestiegen war, macht sie lediglich 3,6% der Weltproduktion aus.

Dem Bericht zufolge sei der Großteil der Ölfelder und Fördereinrichtungen im Süden des Landes zu finden. „Deshalb hat die Einnahme Mossuls durch ISIS den Ölpreis anfangs nicht beeinflusst. Sollte ISIS jedoch beginnen, in den Süden des Landes vorzurücken, wäre ein Anstieg der Preise auf 115-120 US$ keine Überraschung“, heißt es weiter.

Außerdem sei, so der Bericht, der Irak nach Deutschland der zweitgrößte Markt für türkische Exporte. „Die Exporte der Türkei in den Irak belaufen sich derzeit auf etwa 12 Milliarden US$. Dieser Umfang wird durch die Kampfhandlungen beeinträchtigt werden und die türkische Wirtschaft schwächen“, stellen die Forscher fest.

Vor allem türkische Exporteure nehmen diese Entwicklung ernst. Ein führender Offizieller der Türkischen Exporteursversammlung (TİM) übt Kritik an der türkischen Außenpolitik und befürchtet, dass die türkischen Exporteure den Preis für diese bezahlen würden. Denn durch die Konflikte in Syrien und nun auch im Irak sind die Handelsrouten nach Süden vorerst unpassierbar.

Auswirkungen auf Türkische Wirtschaft schlimmer als US-Invasion 2003

Der Präsident der Vereinigung der Textil- und Bekleidungsexporteure Istanbuls (İHKİB), Hikmet Tanrıverdi, geht davon aus, dass das Erstarken des ISIS im Irak eine größere Auswirkung auf die türkische Wirtschaft haben würden als die US-Invasion im Jahre 2003. „Mit einer Steigerung von 12,4% ist der Textilsektor führend unter den Exporten“, betont Tanrıverdi. „Unsere Textilexporte stehen derzeit insgesamt bei 17,3 Mrd. US$ und könnten noch 20 Mrd. US$ erreichen; der Irak beunruhigt uns jedoch alle, weil dies einer unserer wichtigsten Märkte ist.“

In den Irak gingen im letzten Jahr Exporte im Umfang von 12 Mrd. US$, zu diesen steuerte der Textilsektor 580 Mio. US$ bei. Hikmet Tanrıverdi berichtet, dass in den ersten fünf Monaten des Jahres Textilien für insgesamt 277 Mio. US$ in das krisengeschüttelte Nachbarland gegangen seien, was einem Plus von 28,5% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum entspreche.

Trucker haben Angst um ihre Sicherheit

Sein Stellvertreter Mustafa Çıkrıkçıoğlu stimmte mit ihm im Wunsch überein, alle Probleme im Irak mögen in absehbarer Zeit enden. „Wir mögen die Effekte jetzt noch nicht bemerken, aber ich mache mir Sorgen, dass wir bald erkennen könnten, wie sehr uns diese Probleme schaden“, betonte er.

Die Sektion der Transporteurskammer in Gaziantep berichtete, dass türkische LKW-Fahrer sich immer öfter weigern, Lieferungen in den Irak zu bringen, weil der ISIS eine derartige Gefahr innerhalb der Region bedeuten würde. Nach der Entführung von 32 Truckern durch die ISIS am 10. Juni sei die Angst um die eigene körperliche Unversehrtheit zu groß.

„Wir können wegen der Sicherheitsbedenken keine Güter in die irakische Region bringen. Dies stellt für jeden Exporteur in die betroffene Region ein großes Problem dar“, betont Zafer Aydıngüler, der Vorsitzende der Kammer.