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Kolumnen

Nach „Dönermorden“ jetzt „Knoblauchbrände“?

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Nach Berlin und Bielefeld sind nun auch Oldenburg und Mölln Schauplätze von Übergriffen auf islamische Gotteshäuser geworden. Der öffentliche Aufschrei hält sich jedoch immer noch in überschaubaren Grenzen.

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Die Übergriffe auf Moscheen haben in den letzten Jahren signifikant zugenommen. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervor. Lagen die Übergriffe zwischen den Jahren 2001 und 2011 noch im Schnitt bei jährlich 22, stiegen diese im Jahr 2012 auf durchschnittlich 35 bzw. im Jahr 2013 auf 36. Ferner kann man der Antwort entnehmen, dass von Anfang 2012 bis März 2014 insgesamt 78 Anschläge verübt wurden, davon allein 13 in dem Bundesland Niedersachsen.

Moschee in Oldenburg Ziel von Molotowcocktails

Nachdem es zuletzt Übergriffe auf Moscheen in Berlin, Bielefeld und Mölln gab, wurde jetzt erst bekannt, dass am vergangenen Wochenende die Hacı-Bayram-Moschee in Oldenburg Ziel eines Anschlags war. Dies berichteten die Nord-West-Zeitung (NWZ), Neue-Osnabrücker-Zeitung (NOZ) sowie das Fach- und Debattenportal IslamIQ. Türkische Medien berichteten am Tag darauf, dass es sich bei den Tätern um zwei Personen handle, die zwei Molotowcocktails gegen die Moschee geworfen hätten. Die NOZ schreibt, dass die Hintergründe der Tat noch nicht aufgeklärt seien. Ermittelt werde in alle Richtungen, da ein politischer Hintergrund nicht ausgeschlossen werden könne. Auch der polizeiliche Staatsschutz sei eingeschaltet worden.

Am Mittwoch berichtete das Portal „Herzogtum direkt“ zudem von der neuerlichen Schändung einer Moschee in Mölln.

Rechtsextremistische Motive unwahrscheinlich?

Beachtlich ist jedoch der Satz in der NOZ: „Rechtsextreme Motive seien jedoch eher unwahrscheinlich“. Bereits in der Vergangenheit wurden oftmals vorschnell rechtsradikale, rassistische und menschenfeindliche Motive ausgeschlossen. Bei den NSU-Morden wurde dies besonders deutlich. Jedoch mit ungeahnten Konsequenzen. Beschuldigt wurden unter anderem Familienangehörige. Die sogenannten „Dönermorde“ und die Ermittlungsgruppen, die z.B. Namen wie „Bosporus“ etc. erhielten, suchten die Täter unter den Einwanderern. Es fielen Begriffe wie Schutzgelderpressung, Drogenkrieg und Menschenhandel. Es gab Innenminister, die bereits am Tattag von NSU-Anschlägen rechtsextremistische Hintergründe ausschlossen. Vielleicht wäre es daher angebracht, rechtsextreme Motive nicht so abrupt auszuschließen und die Ermittlungen erst abzuwarten. Umso erleichterter wäre die Öffentlichkeit, wenn am Ende herauskäme, dass den Angriffen auf die Oldenburger und den anderen Moscheen kein rassistischer Hintergrund zugrunde liegt.

Studien belegen rechte Einstellungen

Jedoch kann nicht ausgeblendet werden, dass Muslime in Deutschland immer mehr abgelehnt werden. So hat eine neue Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes noch einmal deutlich gemacht, dass Sinti und Roma sowie Muslime in diesem Land auf Ablehnung stoßen. Viele der Befragten sind der Meinung, dass Sinti, Roma und Muslime „durch ihr Verhalten“ für Feindseligkeiten selbst verantwortlich seien: Bei Muslimen denken das 51, bei Sinti und Roma 49 und bei Asylbewerbern 41 Prozent. Die „Mitte“-Studie der Universität Leipzig kommt zu ähnlichen Ergebnissen: So stimmt mehr als jeder Dritte (36 Prozent) der Aussage zu: „Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden“. Und 43 Prozent fühlen sich „durch die vielen Muslime (…) manchmal wie ein Fremder im eigenen Land“.

Man vergleiche: Die Äußerung, Juden seien „durch ihr Verhalten“ selbst schuld an antisemitischen Einstellungen, gilt anerkanntermaßen als Kernmerkmal des sekundären Antisemitismus.

Einwanderer fühlen sich im Stich gelassen

Und auch diesmal werden Einwanderer und Muslime weitgehend allein gelassen. Da nur wenige deutsche Politiker und vor allem die Öffentlichkeit kaum Anteil an dem Leid der Menschen nehmen, wird die Lücke durch andere Staaten gefüllt. Eigentlich sehr schade um die vertane Chance, das verloren gegangen Vertrauen durch das sogenannte „Staatsversagen“ während der NSU-Mordserie zurückzugewinnen. Im jüngst veröffentlichten Bericht des Thüringer NSU-Untersuchungsausschuss wird sogar das Unmögliche für möglich gehalten. Die Vermutung der Experten in dem 1800-seitigen Bericht lautet: „Gezielte Sabotage“.

Die Aufdeckung der Hintermänner bei den so genannten NSU-Morden hat über zehn Jahre auf sich warten lassen. Die politische und juristische Aufarbeitung dauert bereits drei Jahre. Noch sind bei den Moscheebränden keine Menschen umgekommen. Zum Glück. Beim NSU-Terror haben nicht nur die Ermittler sondern auch die Medien in die falsche Richtung geguckt und von „Dönermorden“ gesprochen. Für die Moscheebrände hat man noch keinen stigmatisierten Begriff gefunden.

Yasin Baş ist Politologe, Historiker, Autor und freier Journalist. Zuletzt erschienen seine Bücher: „Islam in Deutschland – Deutscher Islam?” sowie „nach-richten: Muslime in den Medien“.