Connect with us

Kolumnen

Das Island-Debakel: Wann sind endlich mal wir schuld?

Published

on

Spread the love

Droht nun wieder einmal ein Turnier ohne die Türkei? Die WM 2006 in Deutschland fand ohne die Türkei statt, ebenso die darauffolgenden Turniere 2010 in Südafrika sowie 2014 in Brasilien. Auch die EM 2012 in Polen und Ukraine musste ohne die Türken auskommen. Und die EM 2016 in Frankreich darf wohl auch ohne die Türken stattfinden.

Fest steht noch nichts. Aber das erste Qualifikationsspiel ging für die Türken gründlich schief. Sie haben gegen Island mit 0:3 verloren. Gegen ein Land, dessen Gesamtbevölkerung nicht einmal die Hälfte der lizenzierten Spieler der Türkei ausmacht, dessen größtes Stadion gerade mal 15.000 Zuschauern Platz bietet.

So ein Ergebnis verlangt natürlich nach einer gründlichen Analyse. Es versteht sich von selbst, dass unerfreuliche Fragen gestellt, nötigenfalls bittere Schlüsse gezogen werden müssen.

Die Türken müssen es geradezu als eine Demütigung empfunden haben, als der Trainer der isländischen Nationalmannschaft behauptete, die Türken hätten sie nicht überrascht und sei ein leichtes Spiel für sie gewesen.

Ja, die Analyse muss gemacht werden, so unerfreulich sie auch ausfallen sollte, sowohl auf der Ebene der Spieler, als auch auf der Ebene des Trainers und der Fussball-Funktionäre.

Die Ebene der Spieler: Quotenfußballer?

Auf der Ebene der Spieler wundert man sich über so viel Unvermögen. Sind es vielleicht nicht Fußballer, die ihren Stammplatz hart erkämpft haben, sondern durch irgendwelche Quotenregelungen in die Nationalmannschaft gekommen sind? Dabei sollten doch bei der Nationalmannschaft, wo die nackte Leistung zählt, irgendwelche Quoten wie Bartträger, Tattoo-Träger oder andere Eigenschaften überhaupt keine Rolle spielen!

Auf der Ebene der Fußballer überrascht es auch, dass bislang keiner der Spieler die Verantwortung über die peinliche Niederlage übernommen und zurückgetreten ist. Muss man denn unbedingt auf den Gewinn der Weltmeisterschaft warten, um von der Nationalmannschaft zurückzutreten? Muss man alles von den Trainern erwarten?

Wissen sie denn nicht, dass sie von ihrem Trainer nicht erwarten können, dass er zurücktritt? Ein Imperator, wie er im Land genannt wird, tritt doch nicht zurück. Schon allein historisch gibt es das doch gar nicht. Wo hat man denn so etwas schon mal gesehen?

Die Ebene des Trainers: Wolldecke statt Trikot wäre besser gewesen

Trotz seiner Allmacht und Reputation im türkischen Fußball muss sich aber auch der Trainer Fatih Terim einiges vorwerfen lassen. Ein paar Punkte zur Spielanalyse hat er schon geliefert. Nach dem Spiel gab er zu, dass er einige Sorgen gehabt hatte, darauf hingewiesen hatte, dass Island eine gute Mannschaft sei.

Das ist schon mal gut. Denn ein Trainer, der vor einem so wichtigen Spiel sagt, der Gegner könne eigentlich gar nichts, der riskiert den Vorwurf, den Gegner auf die leichte Schulter genommen zu haben.

Er sagte auch, dass das dem Nordpol am nächsten gelegene Land mit seiner niedrigen Temperatur von 11 Grad die mit mediterranem Klima verwöhnten türkischen Spieler negativ beeinflusst hätte.

Auch dies ist natürlich ein wichtiger Hinweis. Da ließe sich aber einwenden: Dass Island das Wort „Eis“ im Namen hat und wo es liegt, hätte man auch vor dem Spiel wissen können. Grundkenntnisse in Geographie- und Englisch hätten gereicht.

Man hätte dann die Spieler mit Wolldecken umhüllt auf das Spielfeld lassen können. Dann hätten sie keine Eisstarre erlebt. Wer weiß, wie viele Tore sie dann geschossen hätten?!

Fatih Terim muss sich auch vorwerfen lassen, dass er bei der Wahl der Spieler Fehler gemacht hat und dass sein größter Fehler bei seinem Verzicht auf erfahrene Spieler liegt. Wo ist überhaupt Hakan Şükür? Warum bringt er ihn nicht?

Und wo ist Recep Tayyip Erdoğan? Im Rahmen der Einweihung des Stadiums von Başaksehir, das nunmehr seinen Namen trägt, gab es ein Fußballspiel. Die von Terim betreute Mannschaft hatte als Spielerstar den Stürmer Recep Tayyip Erdoğan in ihren Reihen. Erdoğan schoss innerhalb von 15 Minuten drei Tore, sodass seine Mannschaft das Spiel am Ende 9:4 gewonnen hat. Talent auf der eigenen Seite traf auf Klugheit und Voraussicht auf der anderen Seite!

Warum verzichtet der Imperator auf so ein wichtiges Stürmer-Talent?

Die Ebene der FIFA und UEFA: Keiner nimmt den Hut

Aber auch die FIFA und UEFA-Verantwortlichen müssen sich an die eigene Nase fassen und sich einiges vorwerfen lassen. Was haben sie getan, um diesen Breitensport für die türkische Mannschaft attraktiver zu machen? Warum vermögen sie bei den Türken nicht genug Leistungsbereitschaft hervorzurufen, damit die Qualifikation endlich mal klappt?

Das allerwichtigste: Warum haben wir bislang von keinem UEFA-Verantwortlichen gehört, dass er dafür die Verantwortung übernommen und seinen Hut genommen hat?

Eigentlich hat die Türkei genug Talente. Die Schuld aber tragen immer die anderen. Wann aber sind endlich mal wir schuld?