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Politik

NSU: Das Zeugensterben geht weiter

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Mit dem Tod einer 20-jährigen Zeugin am Samstagabend sinkt die durchschnittliche Lebenserwartung von Zeugen im NSU-Umfeld weiter drastisch ab. Die Todesumstände erinnern an jene des V-Mannes „Corelli“. (Foto: dpa)

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Ordner zum Untersuchungsausschuss "Rechtsterrorismus/NSU BW" des baden-württembergischen Landtags stehen am 09.02.2015 in Stuttgart (Baden-Württemberg) in einem Sicherheitsraum, in dem Akten des Untersuchungsausschusses gelagert werden. Nach dem überraschenden Tod einer Zeugin im Stuttgarter NSU-Untersuchungsausschuss hat die Obduktion nach Angaben der Polizei keine Hinweise auf ein Fremdverschulden ergeben. Die 20 Jahre alte Frau sei an den Folgen einer Embolie gestorben, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft am 30.03.2015 mit. Bei der Toten handelt es sich um eine Ex-Freundin von Florian H., der ehemalige Neonazi, der im Herbst 2013 in einem Wagen in Stuttgart verbrannte. Florian H. soll gewusst haben, wer die Polizistin Kiesewetter 2007 in Heilbronn getötet hatte.
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Ein Songtitel der vor allem ihrer rechtsradikalen Vergangenheit wegen bekannten Musikgruppe „Böhse Onkelz“ lautet „Nur die Besten sterben jung“. Ob sie dabei rechte Kameraden im Sinn hatten, ist ungewiss. Fakt ist, dass die durchschnittliche Lebenserwartung von Zeugen im Umfeld der 2011 entdeckten Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) seit Samstagabend wieder um Einiges gesunken sein dürfte.

An diesem ist eine 20-jährige Frau, die als Zeugin im NSU-Untersuchungsausschuss des Stuttgarter Landtags ausgesagt hatte, aus bislang ungeklärter Ursache gestorben. Wie Polizei und Staatsanwaltschaft in Karlsruhe am Sonntag mitteilten, fand sie der Lebensgefährte am Samstagabend gegen 18.25 mit einem Krampfanfall in ihrer Wohnung. Die Ärzte hätten das Leben der jungen Frau nicht mehr retten können.

NSU-Zeuge Florian H. sollte zu Kiesewetter-Mord aussagen

Bei der Toten soll es sich um eine Ex-Freundin von Florian H. handeln, einem ehemaligen Neonazi, der im Herbst 2013 selbst in einem Wagen in Stuttgart verbrannt war – angeblich soll es sich dabei um einen Selbstmord aus Liebeskummer gehandelt haben. Florian H. soll angeblich gewusst haben, wer die Polizistin Michèle Kiesewetter 2007 in Heilbronn getötet hat.

Der Mord wird den mutmaßlichen Rechtsterroristen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) zugerechnet. Am Tag seines Todes hatte H. noch einmal von der Polizei befragt werden sollen. Im Zuge der Ermittlungen soll es zu gravierenden Schlampereien gekommen sein und die Polizei habe unter anderem Gegenstände im Wagen übersehen.

Die 20-jährige Ex-Freundin hatte als Zeugin im NSU-Untersuchungsausschuss in Stuttgart in nicht-öffentlicher Sitzung ausgesagt, weil sie erklärt hatte, sie fühle sich bedroht. Der Ausschuss soll die Verbindungen der rechten Terrorzelle in den Südwesten Deutschlands und mögliches Behördenversagen genauer betrachten.

Obduktion soll Klarheit bringen

Der Ausschussvorsitzende Wolfgang Drexler sagte der Deutschen Presse-Agentur, es wäre fahrlässig, nun irgendwelche Spekulationen zum möglichen Hintergrund des Todes der Frau zu äußern. Der Tod könne vielerlei Gründe haben.

Der Extremismusexperte und Berliner Politikprofessor Hajo Funke, der den NSU-Untersuchungsausschuss verfolgt und Vertrauensperson der Familie von Florian H. ist, zeigte sich schockiert über den Tod der 20-Jährigen. „Die Sicherheitsbehörden sind gut beraten, wenn sie diesem Tod durch Obduktion und intensivster Aufklärung nachgehen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur am Sonntagabend. Ansonsten wäre dies unter Umständen ein weiterer ungeklärter Todesfall.

Nach dem überraschenden Tod einer jungen Frau, die als Zeugin im NSU-Untersuchungsausschuss des baden-württembergischen Landtags ausgesagt hatte, soll eine Obduktion für Klarheit sorgen. Die Obduktion der Leiche sollte noch am Sonntagabend vorgenommen werden.

Bereits „Corelli“ soll an „Unterzuckerung“ gestorben sein

Der Untersuchungsausschuss soll die Verbindungen der rechten Terrorzelle in den Südwesten Deutschlands und mögliches Behördenversagen genauer betrachten. Den NSU-Terroristen werden eine überwiegend rassistisch motivierte Serie von zehn Morden, zwei Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle zugeschrieben.

Medizinisch betrachtet ist – vor allem in jüngeren Jahren – vor allem eine bestehende Epilepsie die häufigste Ursache für Krampfanfälle. Ob eine solche im Falle der toten Zeugin vorlag, ist bis dato ungeklärt. Es kommen aber Fachportalen zufolge auch andere Faktoren wie Unterzuckerung – eine solche soll die Todesursache des NSU-Zeugen und früheren V-Manns Thomas Richter aka „Corelli“ gewesen sein -, eine andere schwere Stoffwechselstörung, Sauerstoffmangel oder aber auch eine Vergiftung in Betracht. (dpa/dtj)