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Kolumnen

Signale rund ums Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

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Der Wechsel an der Spitze des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge hat mitten in der Flüchtlingsdebatte großes Aufsehen erregt. Der neue Chef scheint nicht die naheliegendste Wahl gewesen zu sein. Oder steht ein politisches Kalkül hinter der Wahl Frank-Jürgen Weises?

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Die Nachfolge von Manfred Schmidt als Leiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Nürnberg steht fest. Frank-Jürgen Weise, eigentlich Leiter der Bundesagentur für Arbeit, ist neuer Chef der Behörde, die laut Welt vom 17.09.2015 schon länger Probleme habe. Optimistisch titelt das Springer-Blatt: „BA-Chef Weise soll die Flüchtlingskrise managen. Damit trifft das Blatt mehrere Nerven der aktuellen Debatte. Dass Weise den Posten übernimmt, dürfte nicht an der räumlichen Nähe in Nürnberg liegen und auch nicht daran, dass es keinen passenderen Nachfolger gegeben hätte, aber diese Übernahme setzt Zeichen und diese sind wichtig.

Denn es stellt sich die Frage, warum nicht Vizepräsident Michael Griesbeck diesen Posten erhielt. Eine Stellungnahme in Personalfragen war vom BAMF nicht zu erhalten, aber Kenner der „Integrationsszene“ in Nürnberg und darüber hinaus, denen Griesbeck als kompetent und mit einem großen Überblick über die vielfältigen Aspekte der Thematik bekannt ist, wundern sich über den Verlauf der Dinge.

Mit Weise wird ein klares Zeichen gesetzt und damit eine Fokussierung auf nur einen Aspekt der Aufgaben des BAMF: Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen. In dieser Logik übertitelt die Tagesschau-Website „Chef des Flüchtlingsamts [sic!] benennt Probleme“, als Weise seine „Mängelliste“ vorlegt.  Zur Behebung des Mitarbeitermangels im BAMF „würden eingespielte Personal-Rekrutierungszentren der Arbeitsagentur beitragen.“ Die Frage ist, ob sie die Kriterien verändern, nach denen Aufenthaltsrechte gewährt werden. Denn nimmt man die kürzlich erschienene Studie „Bestimmung von Fachkräfteengpässen und Fachkräftebedarfen in Deutschland“ (Working Paper 64) aus dem Amt ernst, dann könnte eine Verschränkung der Themen Asyl und Arbeitsmarkt vorangetrieben werden.

Zwar wird in dem Working Paper richtig zusammengefasst: „Ein flächendeckender Fachkräftemangel ist in Deutschland nicht zu beobachten. Bundesweite Fachkräfteengpässe lassen sich derzeit lediglich in der Gesundheits- und in der Pflegebranche identifizieren. Nichtsdestotrotz gibt es auch in anderen Branchen und Berufszweigen temporäre bzw. regional auftretende Fachkräfteengpässe, die sich empirisch-analytisch erfassen und als Momentaufnahme des Arbeitsmarktes entsprechend darstellen lassen.“ Dennoch wird die Interessenlage aus deutscher Sicht deutlich, und die scheint durch das gesamte Papier. Nicht zuletzt die Arbeitgeberorganisation Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) lässt freudig verlauten: „Wie gut, dass es so viele Zuwanderer gibt.“ Soll es die Aufgabe von Herrn Weise sein, die Vermischung der Kategorien Asyl und Anerkennung von Berufsabschlüssen zur Erweiterung des Arbeitsmarktes voran zu treiben? Angesichts der zumeist gut ausgebildeten Syrer, die hier eintreffen, böte sich das fast an.

Während sich die Berichterstattung auf den Begriff „Flüchtlingskrise“ geeinigt zu haben scheint, bezieht sich das zusammengesetzte Wort wohl weniger auf die Krise für die von Heimatverlust betroffenen Menschen. Vielmehr wird mit dem Kompositum ein Bezug zu den Notstandsszenarien für Deutschland herstellt, die seit Wochen die Medien dominieren. Bleiben wir beim Beispiel Syrien zur Einordnung des Phänomens. Insgesamt sollen 11 Mio. Syrer auf der Flucht sein, davon ca. 4. Mio. im Ausland. Die meisten Geflüchteten sind innerhalb Syriens untergekommen – übrigens in den Gebieten, die von Bashar al-Assad kontrolliert werden. Im kleinen Libanon sind inzwischen ein Viertel der Bevölkerung syrische Flüchtlinge, in Jordanien und der Türkei säumen riesige Notlager die Grenzen.

Die Wenigsten – und zwar vor allem die Gebildeten und Betuchten – machen sich auf den Weg nach Europa, vornehmlich nach Deutschland. Die hier Ankommenden sind nicht nur die Spitze des Eisbergs, sie sind auch ein Aderlass für ihr Land. Wenn nun von Hilfen für die Herkunftsregionen gesprochen wird, dann allenfalls im Zusammenhang mit humanitärer Hilfe für Geflüchtete in der Region – von einer Zukunft für die Menschen vor Ort ist da nicht die Rede, und auch nicht von der Unterbindung der Waffenlieferungen an die verschiedenen Kriegsparteien.

Gleichzeitig gibt es von Unternehmerseite Interesse am fliehenden Bildungsbürgertum, denn eine Vergrößerung des Arbeitnehmermarktes verspricht weitere Lohnsenkungen. Die zu erwartende Konkurrenzsituation mit teureren Arbeitskräften aus dem Inland dürfte den bisherigen Bemühungen des BAMF zuwider laufen, das sich dem „gesellschaftlichen Zusammenhalt“ gegenüber verpflichtet sieht – ein Wert, für den zumindest Herr Griesbeck seit Jahr und Tag eingetreten ist.