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Politik

Ankara vor den Trümmern seiner Syrienpolitik

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Erst nach mehreren Jahren sah sich die türkische Regierung gezwungen, al-Nusra als terroristische Organisation einzustufen. Dies und die Entwicklung im Irak zeigt, wie sehr sich die Syrienpolitik Ankaras als Fehlschlag erwies. (Foto: reuters)

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Erdogan und Assad
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Der bekannte Kolumnist der Hürriyet, Semih Idiz, hat auf dem Internetportal „al-Monitor“ eine verheerende Bilanz hinsichtlich der türkischen Syrienpolitik während der letzten Jahre gezogen – die sich jetzt auf indirektem Wege über den Irak, aber möglicherweise auch schon bald auf direktem Wege über Syrien selbst rächen könnte.

Gefällt wurde die Entscheidung, die in Syrien operierende al-Qaida-Zelle al-Nusra offiziell zur terroristischen Organisation zu erklären, eine Woche, nachdem US-Präsident Barack Obama zwar einerseits vor den Kadetten in West Point angekündigt hatte, die Unterstützung für jene Kräfte innerhalb der syrischen Opposition aufzustocken, welche „die beste Alternative zu Terroristen und brutalen Diktatoren bieten“ würden – andererseits aber auch der Türkei, Jordanien, Libanon und dem Irak mehr Hilfe in Aussicht gestellt hatte, um „Terroristen entlang der syrischen Grenze“ besser ins Visier nehmen zu können.

Einstufung der USA anfänglich als „übereilt“ kritisiert

Lange Zeit, so Idiz, hatte der Westen die Regierung in Ankara sogar im Verdacht – die türkische Opposition äußerte diesen sogar offen -, Jabhat al-Nusra und ähnliche terroristische Verbände zu unterstützen. Unter Diplomaten sei es kein Geheimnis gewesen, dass sowohl Premierminister Recep Tayyip Erdoğan als auch Außenminister Ahmet Davutoğlu diese Gruppierung ursprünglich als die effektivste und erfolgreichste Formation im Kampf gegen den syrischen Präsidenten Assad betrachtet hatten.

Entsprechend war es auch nicht verwunderlich, dass aus Ankara die Entscheidung der USA vom Dezember 2012, al-Nusra offiziell zur terroristischen Organisation zu erklären, Medienberichten zufolge als „übereilt“ kritisiert wurde. Es wurde bisweilen sogar darüber spekuliert, dass Ankara al-Nusra als mögliche Fünfte Kolonne nutzen könnte, sollten kurdische Gruppen von Syrien und vom Nordirak aus versuchen, gegen die Sicherheitsinteressen der Türkei zu agieren.

Erst im August 2013 bezeichnete Davutoğlu auf eine parlamentarische Anfrage der Opposition hin al-Nusra als Gruppierung, die Extremismus unterstütze und die von den USA und der UNO auf der Liste der terroristischen Organisationen geführt werde. Erst neun Monate später zog Ankara hinsichtlich dieser Beurteilung nach.

Dass es nach langer Zeit dazu gekommen sei, zeige, so Idiz, dass Ankara selbst begreife, dass man immer und immer wieder aufs falsche Pferd gesetzt habe. Assad sitzt fester im Sattel als je zuvor, es wird keine westliche Militärintervention geben, wie sie nach dem Giftgasangriff vom August 2013 im Raum stand, Russland und der Iran sehen sich bestätigt und die Türkei wird selbst zum Ziel terroristischer Banden, wie sie im Grenzgebiet zwischen Syrien und dem Irak operieren.

Sturz Assads ist vom Tisch

Auch für die USA und Europa müsse der Schwerpunkt der Syrienpolitik zwangsläufig weg von einem immer unwahrscheinlicheren Sturz Assads und hin zu einem Eindämmen der terroristischen Gefahr durch „djihadistische“ und al-Qaida-nahe Gruppen gehen. Am Ende hatten diese Gruppen sich auch als das Haupthindernis im Bestreben Ankaras erwiesen, eine internationale Militäraktion gegen Damaskus herbeizuführen. Zu viele politische Entscheidungsträger im Westen erkannten, dass nach einem Sturz Assads ein Vakuum entstehen könnte, das extremistische Verbände füllen könnten. Und die Entwicklungen im Irak mehr als zehn Jahre nach der US-Invasion zeigen, dass diese Gefahr nicht nur kurzfristig real erscheinen muss.

Der Terroranschlag von Reyhanli am 11. Mai 2013, der mindestens 50 Todesopfer gefordert hatte, war sichtbarer Ausdruck dessen, was sich an terroristischem Potenzial am Ende gegen den Westen im Allgemeinen und die direkt an vorderster Front gelegene Türkei im Besonderen richten könnte.

„Sunnitische Achse“ zerbrochen

Die „sunnitische Achse“ gegen Syrien, die einst die Türkei, Ägypten, Saudi-Arabien und Katar umfasst hatte, ist zerfallen, ohne gegen Assad auch nur das Geringste ausrichten zu können, analysiert Idiz weiter. Mittlerweile hegen die Mitglieder dieser Achse sogar gegeneinander Argwohn und stellen die guten Absichten des jeweils anderen in Frage – während Irans Präsident Rohani auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Präsident Abdullah Gül davon sprach, dass die Türkei und sein Land dazu ausersehen seien, gemeinsam den Terrorismus zu bekämpfen und den „wahren und göttlichen Islam in der Welt“ zu fördern.

Der Türkei bleibe in absehbarer Zukunft nichts anderes übrig, als sich noch stärker mit den USA abzustimmen, wenn es um die Syrienpolitik geht, aber auch dem Iran als neuer Regionalmacht gegenüber offen zu bleiben, der sich – ebenso wie Russland – angesichts der Entwicklungen in Syrien und der terroristischen Bedrohung im Irak nur bestätigt sehen könne.