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Tränen bei Pirlo, Balotelli und Co.: Italiens Traum ist beendet

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Drei Wochen lang spielte Italien eine überraschend gute, phasenweise mitreißende EM. Und dann kassiert die Mannschaft die höchste Final-Niederlage der Geschichte (Bild:dpa).

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Tränen bei Pirlo, Balotelli und Co.: Italiens Traum ist beendet
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Kiew (dpa) – Am Ende eines großen Turniers flossen nur noch die Tränen. Als Andrea Pirlo von Michel Platini die Silbermedaille umgehängt bekam, bewahrte er noch mühsam seine Fassung. Als Italiens genialer Spielmacher aber wenig später mitansehen musste, wie der UEFA-Präsident den Spaniern den EM-Pokal überreichte, fing selbst der Mann an zu weinen, der sonst noch nicht einmal nach wichtigen Siegen wie im Halbfinale gegen Deutschland seine Emotionen zeigt.

«Italien, das Ende eines Traums», schrieb die Zeitung «Corriere dello Sport» nach dem demütigenden 0:4 im Fußball-EM-Endspiel gegen Spanien. Besser hätte man die Gefühlslage dieser Mannschaft und eines ganzen Landes nicht zum Ausdruck bringen können.

Ausgerechnet jenes Team, das zuvor alle überrascht hatte mit seinem forschen und selbstsicheren Spiel, kassierte am Ende einer rasanten Entwicklung von der Skandalnudel über den Außenseiter zum Titelkandidaten des Turniers die höchste Niederlage, die es je in einem EM-Finale gab.

«Wir waren nicht die gleiche Mannschaft wie vorher», sagte Torwart Gigi Buffon. Und Leonardo Bonucci meinte: «Es ist so bitter, weil wir geglaubt haben, es packen zu können.» Unsanfter als die Azzurri kann man aus einem Traum nicht aufwachen.

Pirlo fehlten nach dieser Schmach die Worte. Ohne auch nur kurz zu den wartenden Journalisten aufzuschauen, schlich er mit hängendem Kopf aus dem Stadion. Der 33-Jährige war auch im Finale ein Spiegelbild des italienischen Teams.

Zwar hatte der große Stratege die Überraschungsmannschaft mit seinen Ideen und präzisen Pässen überhaupt erst hineingeführt in dieses Spiel. Dort schleppte er sich dann aber genauso müde und ausgelaugt wie alle anderen Italiener über den Platz.

«Einige von uns konnten gar nicht richtig laufen», meinte Giorgio Chiellini. Nach drei Auswechslungen und der Verletzung von Thiago Motta konnte der viermalige Weltmeister diesen Horrorabend nicht einmal vollzählig zuende spielen. «Wir waren einfach nicht fit und nicht frisch», haderte auch Trainer Cesare Prandelli. «Wenn es etwas zu bedauern gibt, dann die Tatsache, dass wir nicht genug Zeit hatten, um uns auf dieses Endspiel vorzubereiten.»

Pirlo lebte im Olympiastadion von Kiew aber noch etwas anderes vor: Wie man selbst in der bittersten Niederlage Größe zeigt. Lange vor der Siegerehrung umarmten er und Buffon die spanischen Spieler, die sie aus so vielen Länderspiel- und vor allem Champions-League- Schlachten kennen. «Ich bin sehr stolz auf meine Mannschaft», sagte Prandelli. «Sie hat gezeigt, dass man mit Würde verlieren kann.»

So haben selbst die so brutal zuende gegangenen Wochen in Polen und der Ukraine dem italienischen Fußball wahrscheinlich mehr Sympathien eingebracht als jeder einzelne seiner WM-Titel. Ein Team, das immer für seine Zerstörungskunst berüchtigt war, spielte auf einmal mutig. Und eine Mannschaft, die noch unmittelbar vor der EM in einen Manipulationsskandal verstrickt war, zeigte viel Fairplay. «Weine nicht Italien! Wir fahren erhobenen Hauptes heim. Ihr seid trotzdem Champions», titelte deshalb «Tuttosport».

Staatspräsident Giorgio Napolitano lud die Mannschaft für Montag völlig unabhängig vom Ausgang des Endspiels in seinen Palast in Rom ein. «Jeder von uns ist traurig über die Niederlage, aber das kann die Erinnerungen an ein fantastisches Turnier nicht auslöschen», meinte Chiellini. «Wir haben mit Millionen von Italienern geträumt. Und das muss der Anfang für unsere Zukunft sein.»

Diese Zukunft, so viel ist seit Sonntagnacht klar, wird weiter von Prandelli gestaltet werden. Der 54-jährige Reformer ist derart angetan von seinem Team, dass er alle Bedenken wegen des Manipulationsskandals oder der Anstrengungen in seinem Job beiseite schob. «Es gab Zeiten, als ich nicht ganz sicher war, ob ich weitermache», sagte er. «Aber dieses Projekt muss weitergehen.»
Von Sebastian Stiekel und Wolfgang Jung, dpa