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Panorama

Wie Ausbeutung und Misswirtschaft die einzigartige Natur der Türkei zerstören

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Seerotz im Mamara-Meer, Überflutungen im Norden, Waldbrände im Süden: In der Türkei leidet die Natur unter Ausbeutung, Misswirtschaft und Korruption. Dass Präsident Erdoğan für den Privatstrand seines neuen Protzbaus feinsten Sand aus einem Naturschutzgebiet ankarren ließ, passt ins Bild.

Im Norden des Landes werden ganze Dörfer weggeschwemmt. Im Süden brennt der Wald einer gesamten Region. Und in Istanbul herrscht Wassermangel, während ein paar Meter weiter das Marmara-Meer zu einem lebensfeindlichen Schleimklumpen mutiert. Die Natur in der Türkei leidet und es häufen sich schwere Unwetter und Umweltkatastrophen.

Der türkische Präsident beschwichtigt: „Das passiert nicht nur in unserem Land, sondern auch die USA, Kanada, Deutschland und viele weitere Länder in Europa haben mit allen möglichen Katastrophen zu kämpfen.“ Sicher hat der Klimawandel globale Auswirkungen, aber unter Erdoğan mehren sich Menschen-gemachte Naturkatastrophen.

Fokus auf Kapital und Ausbeutung

Der Zustand der Wälder ist – zum Beispiel in den Provinzen Muğla und Antalya – desaströs. Neubauten werden immer näher an Flussbetten gebaut, Bäche mit Beton in Kanäle gezwängt und neu errichtete Wasserwerke greifen immer mehr in die Natur ein. Die Folgen dieser Misswirtschaft offenbaren sich langsam, aber mit Wucht.

2021 wurden sie sichtbar durch die schlimmsten Waldbrände und Überschwemmungen in der Geschichte des Landes. Das liegt auch daran, dass Ankara das Kapital und nicht die Umwelt oder gar ihren Schutz in den Fokus nimmt. Die Natur interessiert die Mächtigen so lang, wie sie Geld einspielt – sei es durch Tourismus, Energiewirtschaft oder Fischerei.

Schleimplage im Marmara-Meer

Blöd nur, wenn sich eine beliebte Touristenattraktion wegen der exzessiven Nutzung zu einer dickflüssigen Grütze entwickelt. Die Rede ist vom türkischen Marmara-Meer, das unter einer von Algen ausgelösten Schleimplage leidet.

Der auch Seerotz genannte Schleim vermehrt sich wegen des unbehandelten Abwassers, das direkt ins Binnenmeer abgelassen wird. Die Plage zeuge von einem gefährlichen Umgang mit der Natur, sagte der Biologe Muharrem Balcı der Zeit.

Neben der 16-Millionen-Metropole Istanbul befinden sich an der dicht besiedelten Küste auch Großstädte wie Bursa. Experten warnten bereits vor Jahren vor der Algenplage. Geschehen ist bis heute nichts. Die Folge: Viele Fischer können ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen. Ihre Netze dringen nicht durch den zähen Schleim. Muscheln und andere Meerestiere wachsen langsamer und die Fischpopulation wird immer weniger. Immerhin konnten in den letzten Wochen große Teile des Gewässers gereinigt werden. Doch wenn es kein Umdenken gibt, kann es bald wieder so aussehen wie in diesem Frühjahr.

Kahle Hänge und lodernde Flammen

Die Zeichen der Naturzerstörung werden immer offensichtlicher: In den Urlaubsregionen Muğla und Antalya sind das neuerdings kahle Hänge und lodernde Flammen. Mitten in der Feriensaison brannte es an der türkischen Mittelmeerküste lichterloh, nicht zum ersten Mal.

Während an der Küste Gäste aus aller Welt ihren Sommerurlaub genossen, kämpften Landwirte und Einheimische wenige Kilometer entfernt verzweifelt gegen die Flammen. Vielerorts waren weder Einsatzkräfte noch Löschflugzeuge oder -hubschrauber oder erst sehr spät unterwegs. Die Kritik am Krisenmanagement der Regierung ist groß.

Bäche werden über Nacht zu reißenden Fluten

Dass fast zeitgleich im Norden des Landes mehr als 70 Menschen an den schlimmsten Überflutungen der Geschichte der Türkei sterben, ist besonders tragisch. Heftige Regenfälle hatten in der Schwarzmeerregion Bäche und Flüsse in reißende Fluten verwandelt. Häuser und Brücken stürzten ein, ganze Orte wurden überflutet, wie Videos zeigen.

Experten zufolge führen neben dem Klimawandel auch die Begradigung von Flüssen zu solch starken Überschwemmungen. Besonders die Einengung des Flusses Ezine im Bezirk Bozkurt habe fatale Folgen gehabt.

Indes versprach der türkische Umweltminister Murat Kurum, einen Aktionsplan zum Klimaschutz zu entwickeln. Das sei ein nationales Sicherheitsproblem. Der Aktionsplan zielt darauf ab, Verluste und Schäden durch Umweltkatastrophen zu reduzieren. Er wird sich daran messen lassen müssen.

300 Zimmer und 11.000 Quadratmeter Privatstrand

Sein Vorgesetzter schwebt ohnehin in anderen Sphären. Jüngst ließ sich Regierungschef Erdoğan eine neue Sommerresidenz an der Ägäis errichten: 300 Zimmer in mehreren Bauten samt Schwimmbädern im neo-osmanischen Stil. Kostenpunkt: rund 62 Millionen Euro (640 Millionen türkische Lira). Wohlbemerkt: Das Land steckt in einer Wirtschaftskrise.

Hinzu kommt: eine 11.000 Quadratmeter große Fläche, die zum Privatstrand umgebaut wurde. Der extrafeine Sand wurde eigens aus einem 200 Kilometer entfernten See angekarrt. Er befindet sich – und auch das passt ins Bild – in einem Naturschutzgebiet.

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