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Politik

HDP und AKP müssen mit Verlusten rechnen, Opposition kann aber nicht punkten

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Knapp vier Wochen vor den Wahlen bleiben die Trends in den Umfragen bestehen: Die AKP verliert leicht, aber kontinuierlich. Mit ihren Zustimmungswerten schmücken kann sich aber keine Partei.

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Wenige Wochen vor den Neuwahlen am 1. November sehen die Umfragen für die Regierungspartei AKP weiterhin nicht gut aus. Laut einer aktuellen Umfrage des Gezici-Instituts, das bereits bei den Parlamentswahlen vom 7.Juni mit den genauesten Vorhersagen aufwarten konnte, rutscht die Partei von Premierminister Davutoğlu weiter ab und kommt auf nur noch 39,8% der Stimmen. Die Oppositionsparteien CHP und MHP können ihren Stimmenanteil hingegen auf 28,2 und 17,3 Prozent steigern, während die pro-kurdische HDP ebenfalls verliert, mit 12,3 Prozent aber relativ deutlich über der 10-Prozent-Hürde bleibt. Während also CHP acht und MHP sieben Parlamentssitze mehr im Gegensatz zu den letzten Wahlen bekommen würden, würden die AKP und HDP 12 beziehungsweise 3 Abgeordnete verlieren.

Grund für die Verluste dürfte die seit Juli eskalierende Gewalt im Südosten der Türkei sein. 66,4 Prozent der Befragten gaben an, dass die Regierung Versäumnisse bei der Bekämpfung des Terrorismus zu verschulden habe. Unter den AKP-Wählern lag diese Quote bei 28,8 Prozent. Auf die Frage, wessen Wahlversprechen den Menschen am meisten gefällt, kam die CHP an erster Stelle, gefolgt von MHP, AKP und HDP.

Die Ergebnisse der Umfrage legen nahe, dass es nach der Wahl erneut notwendig werden könnte, eine Koalitionsregierung zu bilden. Zudem bereitet den Türken die zunehmende Einschränkung der Pressefreiheit Sorgen. 67,8 Prozent der Befragten gaben an, dass sie den Umgang mit Journalisten nicht gut finden. In der vergangenen Woche wurde der Prominente Journalist Ahmet Hakan vor seinem Haus angegriffen und zusammengeschlagen, er erlitt Knochenbrüche. Für die Umfrage vom 26. und 27. September hat Gezici 4.860 Personen aus 36 Provinzen und 136 Regierungsgbezirken befragt.

Allgemeiner Trend: Regierung verliert, Opposition gewinnt aber nicht

Die Ergebnisse der letzten Gezici-Studie decken sich mit den allgemeinen Umfrage-Trends, die auch andere renommierte Meinungsforschungsinstitute feststellen. Bereits letzten Monat hatte das Institut Metropoll eine Studie veröffentlicht, in der die Stimmungsentwicklung der letzten Monate abgebildet wurde. Sie bietet interessante Einblicke in den Verlauf der Umfragewerte der türkischen Regierung. Glaubt man den Metropoll-Ergebnissen, so ist die Stimmung im Land sehr schlecht. Auf die Frage, ob sich die Türkei generell zum Guten oder zum Schlechten entwickle, antwortete eine Mehrheit von fast zwei Dritteln (65%), das Land entwickle sich zum Schlechten, während gerade einmal weniger als ein Viertel (23,2%) glaubte, es gehe bergauf. Ebenfalls beunruhigend für die AKP müsste dabei sein, dass die Ergenbisse der Frage, wie die Wirtschaft des Landes geführt wird, beinahe auf die Prozentzahl gleich sind. Wirtschaftliche Kompetenz galt lange Zeit als ein Steckenpferd der AKP, der ökonomische Aufschwung des letzten Jahrzehnts als einer der Garanten ihres Erfolges an den Wahlurnen.

Vor allem die Entwicklung der Umfrageergebnisse spricht eine deutliche Sprache: Antwortete noch im Mai 2014 eine Mehrheit von 51,4% der Befragten, dass sie zufrieden mit der Wirtschaftspolitik der AKP sei (im Gegensatz zu 42,5%, die dies verneinten), so näherten sich die Werte an, bis sie im August 2014 – als Erdoğan Präsident wurde – gleichauf lagen. Seitdem geht die Schere jedoch kontinuierlich auseinander, der Anteil der Zufriedenen schrumpft, der der Unzufriedenen wächst. Ähnlich verhält es sich mit den Zustimmungswerten Recep Tayyip Erdoğans. Noch im Dezember 2011 konnte er sich auf eine überwältigende Zustimmung von 71% gegenüber 26,9% Ablehnung berufen. Seitdem fallen seine Zustimmungswerte, höhere Ablehnung und höhere Zustimmung wechselten sich ab, um die Zeit seines Amtswechsels in den Präsidentenpalast lagen sie ungefähr gleichauf. Seitdem öffnet sich die Schere aber auch hier immer weiter, wobei zuletzt (von Juni auf August 2015) eine leichte Verringerung des Anteils der Unzufriedenen festzustellen ist.

Bahçelis Werte am Boden

Ähnlich ergeht es Premierminister Ahmet Davutoğlu: Waren seine Zustimmungswerte im Oktober 2014 noch fast ausgeglichen (43,5% Zustimmung und 45,1% Ablehnung), so hat sich die Schere seitdem ebenfalls kontinuierlich geöffnet. Zuletzt begrüßten nur 36,9% seine Arbeit, während sie 55,8% ablehnten. Die Werte von Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu sehen allerdings nicht besser aus; dafür hat er eine umgekehrte Tendenz, Zustimmung und Ablehnung nähern sich kontinuierlich an. Dennoch entsteht nicht der Eindruck, dass die CHP übermäßig von der Schwäche der AKP profitieren könnte. Die Werte von HDP-Chef Selahattin Demirtaş sind hingegen relativ stabil – gleichbleibend hohe Abneigung bei leicht steigender Zustimmung. Über- beziehungsweise untertroffen werden sie jedoch alle von MHP-Chef Devlet Bahçeli (Foto, 3. v. r.): Sein bester Wert liegt sage und schreibe 8 Jahre zurück und selbst damals lagen seine Zustimmungswerte 5% unter den negativen Antworten (43,7 zu 48,7%). Seitdem sind seine Zustimmungswerte kontinuierlich in den Keller gegangen: Zuletzt waren drei Viertel der Befragten unzufrieden mit ihm, während seine Zustimmung auf 17% zusammengeschmolzen ist.

Es macht also den Eindruck, als würden viele Türken denken, sie hätten die Wahl zwischen Pest und Cholera: Die Regierungspartei und ihr Spitzenpersonal (Präsident Erdoğan eingeschlossen) verliert seit Monaten kontinuierlich an Ansehen und Vertrauen, doch die Opposition kann kaum davon profitieren. Vor allem die Spitzenpolitiker scheinen ausgebrannt, keiner von ihnen kann von sich behaupten, sich auf großen Rückhalt in der Bevölkerung zu stützen. Glaubt man den Ergebnissen, so kann zumindest die HDP einen kleinen Erfolg verbuchen: Ihre Zustimmungswerte sind relativ stabil, was dafür spricht, dass die politische Taktik von AKP und MHP, sie mit der PKK gleichzusetzen und so für die Gewalt im Land verantwortlich zu machen, nicht aufgeht. Die Umfragewerte sprechen für die These, dass sie es schafft, sich als feste politische Größe in der türkischen Parteienlandschaft zu etablieren.