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Politik

Megaprojekt in Istanbul: İmamoğlu wagt den Aufstand

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Kanal Istanbul Projekt.
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Es sollte ein Jahrhundertprojekt für den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan werden: Der Kanal Istanbul. Doch der Widerstand gegen das Vorhaben wächst.

Die Vorliebe des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan für größere Bauvorhaben ist unbestritten. Der landesweite Bau von Fußballstadien oder Mega-Flughäfen sind nur zwei von vielen Beispielen. Das größte unter diesen Projekten sollte aber der gigantische „Kanal Istanbul“ sein. Jahrelang wurde das Projekt mit großem Interesse verfolgt und von der Regierung als „Jahrhundert-“ oder „Verrücktes Projekt“ angepriesen.

Worum geht es? Es ist nicht etwa ein neuer Fernsehsender mit einem Riesenbudget, der rund um die Uhr nur über die Megametropole berichtet. Mit dem „Kanal Istanbul“ soll ein künstlicher Seeweg quer durch die Stadt gegraben werden. Insgesamt geht es um eine Strecke von etwa 45 Kilometern. Das Ziel: Das Marmarameer mit dem Schwarzen Meer verbinden. Die Strecke soll parallel zur Bosporus-Meerenge verlaufen und den internationalen Schiffsverkehr entlasten; so jedenfalls die Hoffnung der türkischen Regierung.

Vor wenigen Tagen kündigte Staatspräsident Erdoğan an, dass bald die Ausschreibungen für den Bau beginnen werden. Das Ministerium für Umwelt und Städtebau segnete die Umweltverträglichkeitsprüfung ab, während der Istanbuler Bürgermeister Ekrem İmamoğlu von der oppositionellen CHP noch am selben Tag ein vor seiner Amtszeit unterzeichnetes „Protokoll zur Zusammenarbeit“ kündigte. Der Startschuss für den Streit zwischen den beiden Politikern, der seitdem hochkocht.

İmamoğlu: „Kanal Istanbul ist ein Verrat an Istanbul“

Am Mittwoch letzter Woche widmete sich İmamoğlu dem Projekt „Kanal Istanbul“ in einer langen Rede, die knapp anderthalb Stunden dauerte. Dabei kritisierte er das Vorhaben als einen „Verrat an Istanbul.“ Der Oberbürgermeister sprach unter anderem von der Vernichtung eines Großteils der unter- und oberirdischen Wasserressourcen der Stadt sowie von Millionen Quadratmetern Wald- und Landwirtschaftsfläche. Er warnte davor, dass acht Millionen Menschen in der schwer erdbebengefährdeten Stadt auf einer neu entstehenden „Insel“ zwischen Bosporus und dem neuen Kanal eingeklemmt würden. Außerdem werde der Kanal nicht nur die Regierung, sondern auch die Stadt Milliarden Lira kosten.

„Katar Istanbul“

Mit dieser Haltung steht der Oberbürgermeister nicht allein. Über die Grenzen von Istanbul hinaus wird das Projekt kritisch beäugt. Nicht nur aufgrund der Risiken für die Umwelt, sondern auch wegen dem Bekanntwerden der großen Flächenverkäufe an Mitglieder der katarischen Königsfamilie. Demnach soll die Mutter des Emir von Katar, Şeyha Moza, ein Unternehmen in Istanbul gegründet und nur eineinhalb Monate später entlang der Route des Kanalprojekts ein großes Grundstück erworben haben. Das berichten türkische Medien. Viele vermuten deshalb ein großes Korruptionsgeschäft hinter dem Projekt. Auf Social Media verbreitete sich daher die sarkastische Umbenennung des Kanals in „Katar Istanbul.“ Der Präsident reagierte darauf nur mit Kopfschütteln. „Warum soll es ausländischen Geschäftsleuten nicht gestattet sein, Grundstücke in unserem Land zu erwerben?“, fragte er rhetorisch.

Widerstand von vielen Istanbulern

Das Tauziehen um den Kanal ist mehr als ein Streit um ein großes Bauvorhaben. Es sei zum stellvertretenden Schlachtfeld geworden für den Machtkampf zwischen Opposition und Regierung, sagen Beobachter – und auch zwischen Erdoğan und einem Herausforderer.

Aber auch die Bevölkerung setzt diesmal ein großes Zeichen gegen das Projekt. So wurde schnell eine Unterschriftenkampagne zur Verhinderung initiiert. Am Freitagmorgen hatte die Kampagne auf Change.org bereits über 13.000 Unterschriften gesammelt. Damit aber nicht genug: Die Istanbuler setzen sich in Bewegung. Vor den zuständigen Behörden in Istanbul bildeten sich lange Menschenschlangen, um offizielle Beschwerdeschreiben und Petitionen gegen das Projekt einzureichen.

Befürworter sehen großen Bedarf

Befürworter drängen auf den Bedarf des Projekts. Der Bosporus sei zu klein für den derzeitigen Schiffsverkehr. Das Projekt würde die Meerenge entlasten. Unterfüttert wurde diese Sicht durch einen kuriosen Schiffsunfall am Freitag.

„Seid ihr euch sicher, dass ihr den Kanal immer noch nicht wollt?“, schrieben einige Befürworter auf Twitter.

Volksabstimmung für Kanal-Projekt?

Aber es gab auch viele Social Media-Nutzer, die sich über die starke Politisierung des Themas auf Landesebene beklagten. Einige forderten deshalb eine Volksabstimmung. Die Istanbuler Bürger hätten zu entscheiden, ob ein solch gigantisches Projekt realisiert werde oder nicht. Dieser Vorschlag ist bislang bei dem Oppositionsbürgermeister İmamoğlu auf Zustimmung gestoßen. Dennoch warte er vorerst die Einschätzungen von Experten ab, sagte der CHP-Politiker in einem Statement.

Indes stellte die türkische Regierung bereits eine umfangreiche Animation des „Kanal Istanbul“ vor. Sicher ist: Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.

 

dtj/dpa