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Kultur/Religion

Was lesen die Türken in Deutschland? Und die Kurden?

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Dass die deutschen Leser gerade das Leben von Thomas Gottschalk lesen, wissen wir. Wir wissen auch, welche Sorte von Büchern auf reges Interesse stoßen. Aber was lesen die Türken in Deutschland? Und die Kurden?

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Was die Deutschen lesen, wissen wir mehr oder weniger. Der Spiegel veröffentlicht regelmäßig Bestseller-Listen. Um nach ihnen zu urteilen, stößt zurzeit das Buch von Thomas Gottschalk über seine Biografie „Herbstblond“ auf das rege Interesse der Leser.

Dass die Deutschen Helmut Schmidt verehren und seine Bücher regelmäßig auf den oberen Rängen der Bestseller-Listen landen, ist auch allgemein bekannt.

Auch ist bekannt, dass in Deutschland um die 95.000 Titel im Jahr erscheinen, dass davon ein Fünftel der Belletristik zugeordnet werden können, gefolgt von Deutscher Literatur und Kinder- und Jugendbüchern. Sachbücher kommen mit etwa fünf Prozent an vierter Stelle.

Und wie sieht es bei den in Deutschland lebenden Türken und Kurden aus?

Relativ unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit haben sich auch türkische Buch(versand)händler etabliert. Sie schaffen einen Markt für Bücher aus der Türkei und verkaufen sie an die interessierten Leser in Deutschland. Kitapavrupa (www.kitapavrupa.com) in Köln, ehemals Kitapyurdu, ist einer von ihnen.

Mittlerweile gibt es aber auch Verlage, die Bücher mit Türkei-Bezug, aber in deutscher Sprache drucken. Der Main Donau Verlag ist dafür ein Beispiel. Der Mezopotamya Verlag und Vertrieb dagegen spricht die kurdischstämmige Bevölkerung in Deutschland an.

Wir haben uns an sie gewandt und gefragt, an welchen Büchern ihre Kundschaft interessiert ist, welche Bücher einen Absatz finden und welche als Ladenhüter zu bezeichnen sind.

Kitapavrupa: Religiöse (Erbauungs-)Literatur findet guten Absatz

Der Versandhändler Kitapavrupa in Köln verkauft zurzeit am meisten religiöse Erbauungsliteratur. Besonders beliebt ist „Allah de ötesini bırak“ von Uğur Koşar.

Ahmet Özay vom Versandhaus ist der Auffassung, dass die Türken politikmüde sind und sich der religiöse (Erbauungs-)Literatur zugewandt haben. Das Buch „Das Leben unseres Propheten“ von Salih Suruç wird gut verkauft, aber auch Bücher von Ahmet Mahmut Ünlü, bekannt unter dem Namen Cübbeli Ahmet Hoca.

Religiöse Bücher, die einen politischen Bezug zu haben scheinen oder zu modern daherkommen, seien dagegen zu Ladenhütern geworden. So würden Bücher von Yaşar Nuri Öztürk überhaupt nicht mehr verkauft. Öztürk, dessen Werke teilweise auch ins Deutsche übersetzt wurden, ist in der Türkei unter anderem für seine kruden theologischen Thesen bekannt. Er kritisierte in der Vergangenheit die etablierten religiösen Gemeinden und versuchte sich zeitweise als Politiker bei der CHP. Er propagiert einen Islam, der sich auf Koran stützen und mit dem säkularen Leben in Einklang befinden soll.

Politische Bücher sind zu Ladenhütern geworden

Bei Kitapavrupa verkaufen sich auch Bücher von İlker Başbuğ (ehemaliger Generalstabschef, der zeitweilig inhaftiert wurde) oder Doğu Perinçek nicht gut. Aber auch Bücher von Journalisten wie Yılmaz Özdil oder Ekrem Dumanlı, die im türkischen Journalismus bekannte Namen sind, werden nicht gut verkauft. Zu den Ladenhütern zählen auch Werke von Literaten wie Ahmet Ümit oder İskender Pala.

Das Nachfolge-Buch von Hanefi Avcı, „Haliç’teki Simonlar 2“ würde überhaupt nicht verkauft werden. Dabei wäre das erste Buch das meistverkaufte Buch von Kitapavrupa gewesen.

Bücher mit Bezug auf das Alevitentum verkauften sich verhalten, Bücher von ausländischen Autoren dagegen würden überhaupt nicht verkauft – auch wenn sie in der Türkei guten Absatz finden.

Was interessant ist: Bücher von Nurettin Yıldız sind sehr beliebt. Besonders Frauen kauften seine Bücher. Dabei hatte Yıldız vor kurzem behauptet, im Islam gebe es keine Untergrenze für die Heirat von Mädchen, von daher könne auch ein sechs Jahre altes Mädchen verheiratet werden.

Auf Kritik hin versuchte er sich zu verteidigen, indem er sagte, man könne Mädchen jung heiraten, aber das bedeute nicht, dass man die Ehe vollziehen müsse.

Main Donau Verlag: Spezifische Bücher gehen nicht gut

Beim Main Donau Verlag, der vor drei Jahren gegründet und bisher um die 20 Bücher in deutscher Sprache verlegt hat, finden Bücher über die türkische Küche guten Absatz. Das Buch „Ein Glas Tee“ habe viele Käufer gefunden. „Türkisch kochen für Anfänger“ sei bereits nach drei Monaten ausverkauft gewesen.

Auch Bücher über Nasreddin Hoca seien beliebt. Generell gelte: Belletristische Bücher wie Erzählungen, Romane oder Reiseberichte würden gut verkauft, spezifische Bücher hingegen nicht. So habe sich auch das Buch „Fragen an Hizmet“ nicht gut verkauft.

Und wie sieht es bei den Kurden aus?

Mezopotamya: Kurdischsprachige Bücher in der Minderheit

Darüber gab uns Ali Kaya von Mezopotamya Auskunft. Bei ihnen fänden Bücher über die kurdische Geschichte, kurdische Kultur, aber auch Erinnerungen oder Biografien von Guerillas guten Absatz. Das fünfte Buch von Abdullah Öcalan über die kurdische Frage oder die Frage der demokratischen Lösung werde ebenso gut verkauft.

Auch Bücher von İhsan Eliaçık, der sich einen Namen als antikapitalistischer islamischer Theologe gemacht hat, erfreuten sich einer größeren Beliebtheit. Ebenso Bücher über Aleviten von Faik Bulut oder Hamza Aksüt sowie Bücher über die Jesiden von Mehmet Bayrak. Überhaupt sei Bayrak einer der Autoren, dessen Bücher guten Absatz fänden. Dies gelte auch für Hidayet Kaya.

Mezopotamya verkauft auch Wörterbücher (deutsch-/kurdisch), Kinder-Romane, aber auch Bücher in deutscher Sprache der Sorte Roman, Guerilla-Erinnerungen und Sachbücher. Laut Kaya finden aber auch Bücher zu ökologischen Themen Abnehmer.

Die von Mezopotamya verkauften Bücher seien zu 30 bis 40 Prozent in kurdischer, 60 bis 70 Prozent der Bücher hingegen in türkischer Sprache.