Connect with us

Politik

Die AKP, Fuat Avni und der „Kampf gegen den Parallelstaat“

Spread the love

Twitternachrichten sollten ein angebliches Komplott zwischen dem Whistleblower Fuat Avni und der CHP „enthüllen“. Am Ende entpuppte sich der Vorwurf als Fälschung. Die Opposition sieht den Geheimdienst hinter der Kampagne. (Foto: zaman)

Published

on

Twitternachrichten sollten ein angebliches Komplott zwischen dem Whistleblower Fuat Avni und der CHP zu „enthüllen“. Am Ende entpuppte sich der Vorwurf als Fälschung. Die Opposition sieht den Geheimdienst hinter der Kampagne.
Spread the love

Bei dem „Kampf gegen den Parallelstaat” spielen die regierungsnahen Medien eine besondere Rolle. Mittels einer Zersetzungsstrategie gehen diese Medien gegen die vermeintlichen Protagonisten des von Ankara vermuteten Komplotts der Hizmet-Bewegung und der oppositionellen Cumhuriyet Halk Partisi (Republikanische Volkspartei; CHP) vor.

Ein wichtiges Mosaikstück in dem angeblichen Komplott sieht die regierende AKP (Adalet ve Kalkınma Partisi) in dem auf Twitter aktiven Whistleblower Fuat Avni. In regierungsnahen Medien sind nun Berichte aufgetaucht, wonach Fuat Avni durch private Nachrichten mit namhaften Politikern der CHP in Kontakt gestanden haben soll. Nach Darstellung der entsprechenden Medien ein Beweis für die illegalen Machenschaften der Opposition.

Nachdem Anfang des Monats zehn Polizeibeamte verhaftet worden waren, berichteten mehrere regierungsnahe Medien, dass ein Netzwerk hinter „Fuat Avni“ aufgedeckt worden wäre. Das enttarnte Netzwerk habe dem türkischen Journalisten Emre Uslu zugearbeitet, so der Vorwurf. Uslu war früher Dozent an einer  Polizeiakademie. Die Tatsache, dass in mehreren Tagen nach den Festnahmen keine neuen Nachrichten mehr über den Account verbreitet worden waren, schien diese Auffassung zu bestätigen. Mittlerweile ist „Fuat Avni“ allerdings wieder aktiv, was den Verdacht gegen die zehn verhafteten Polizisten zu zerstreuen scheint.

Hatte Fuat Avni Kontakt zu CHP-Politikern?

Vor einigen Tagen berichteten nun die regierungsnahen Zeitungen Akşam und Star auf ihren Titelseiten, dass „Fuat Avni“ und die CHP-Abgeordneten Umut Oran (Istanbul) sowie Akif Hamzaçebi (Trabzon) eine Konversation darüber geführt hätten, wie die Hizmet-Bewegung den Wahlkampf der größten Oppositionspartei unterstützen würde und wie der Vorsitzende der CHP, Kemal Kılıçdaroğlu, sich politisch äußern solle.

In einer der angeblichen Privatnachrichten soll Fuat Avni geschrieben haben: „Während des Wahlkampfs werden wir Aufnahmen veröffentlichen und auch Ihr werdet davon profitieren. Sagt eurem dämlichen Vorsitzenden, es darf nicht wieder wie am 17. Dezember werden.“ An jenem Tag wurden gegen zahlreiche Persönlichkeiten aus dem Umfeld der Regierung Hausdurchsuchungen und Verhaftungen im Zusammenhang mit Korruptionsvorwürfen angeordnet. Die Regierung in Ankara sah dies als einen versuchten Staatsstreich an, hinter dem Anhänger der Hizmet-Bewegung stehen sollen.

Die CHP-Abgeordneten und der Parteivorsitzende Kemal Kılıçdaroğlu wiesen die Darstellungen vehement zurück. Oran und Hamzaçebi betonten, nie eine Konversation mit Fuat Avni geführt zu haben. Sie haben mittlerweile rechtliche Schritte eingeleitet.

Twitter-„Privatnachrichten“ mit mehr als 140 Zeichen

In weiterer Folge konnten die angeblichen Nachrichten denn auch als Fälschungen entlarvt werden. Einige Tweets, die angeblich vom gleichen Tag stammten und die Fuat Avni mit anonymen Dritten teilte, wiesen wesentlich mehr als 140 Zeichen auf – was jedoch die Höchstlänge von Twitternachrichten darstellt. Darüber hinaus passten bei weiteren Nachrichten der Zeitpunkt der Veröffentlichung und ihr Bezug nicht zusammen.

Die Abgeordneten Oran und Hamzaçebi seien zudem keine Follower Fuat Avnis auf Twitter, weshalb es auch keinen privaten Nachrichtenaustausch zwischen ihnen auf dieser Plattform geben könnte.

CHP-Spitze beschuldigt Geheimdienstleute

Der CHP-Vorsitzende Kemal Kılıçdaroğlu sieht Kreise der Nationalen Geheimdienstes (MİT) hinter der neuerlichen Kampagne, die direkt auf Geheiß des Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan handeln würden.

Ziel sei es, zum einen angebliche Querverbindungen zwischen der CHP und der „Parallelstruktur“ herzustellen, zum anderen, um durch die Mobilisierung des nationalistischen Parteiflügels gegen die Spitze eine Spaltung der Partei herbeizuführen. Kılıçdaroğlu witterte bereits ein Geheimdienstkomplott hinter der Abspaltung der „Anatolien-Partei“ (Anadolu Partisi) der sekular-kemalistischen Abgeordneten Emine Ülker Tarhan im November des Vorjahres.

Kılıçdaroğlu reagierte zudem mit Sarkasmus auf die Berichte, wonach die Hizmet-Bewegung der CHP Geld über das Türkische Sprachinstitut (TDK) zukommen habe lassen: „Wo ist da die Regierung? Wieso kann sie das Geld nicht finden? Sie sagen, wir hätten Geld auf Schweizer Konten. Dann gebt uns doch bitte auch die Kontonummern, damit wir ran können. Wir brauchen das Geld gerade jetzt vor den Wahlen besonders dringend.“

HINTERGRUND Im Vorfeld der heißen Phase des Wahlkampfes zu den im kommenden Juni anstehenden Parlamentswahlen in der Türkei nimmt die Auseinandersetzung um den angeblichen „Parallelstaat“ zu. Die Regierung wirft dieser angeblichen Organisation vor, für eine Reihe illegaler Tonbandaufzeichnungen unter anderem von führenden Politikern und Sicherheitsbeamten zu Beginn des Jahres 2014 verantwortlich zu sein.  Präsident Erdoğan und die Regierungspartei AKP  bauen ihre Strategie auch für die anstehenden Wahlen – genau wie bereits bei den Kommunal- und Präsidentschaftswahlen – auf dem “Kampf mit dem Parallelstaat” auf. Mit diesem Vorwand greift sie nicht nur die Opposition an, sondern auch den USA lebenden muslimisch-türkischen Prediger Fethullah Gülen und die Hizmet-Bewegung in der Türkei. Der Darstellung der AKP zufolge sollen sie Teil einer internationalen Verschwörung, die zum Ziel hat, Erdoğan und die AKP zu stürzen, sein.

Über den Account „Fuat Avni“ wurden seit knapp einem Jahr vertrauliche Informationen an die Öffentlichkeit gespielt, die von einer oder mehreren Personen stammen müssen, die Zugang zum Umfeld der türkischen Regierung oder in bedeutende Sicherheits- und Justizkreise haben sollen.