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Politik

„Er verhielt sich beinahe wie der Deutschland-Imam der (Gülen-)Gemeinde“

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Das Presseecho zur Campus-Rede des deutschen Bundespräsidenten Joachim Gauck in Ankara fiel höchst unterschiedlich aus. Vor allem die regierungsnahen Medien reagierten empört und warfen Gauck die Überschreitung von Anstandsgrenzen vor. (Foto: rtr)

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Joachim Gauck unterhält sich während seines Türkei-Aufenthalts mit einem Imam.
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Der viertägige Staatsbesuch von Bundespräsident Joachim Gauck schlägt in der Türkei hohe Wellen. Nachdem Gauck in seiner Rede vor Studenten der als Oppositionshochburg geltenden Technischen Universität des Nahen Ostens (ODTÜ/METU) in Ankara vor den Gefahren für die Demokratie gewarnt und die Politik der türkischen Regierung mit deutlichen Worten kritisiert hatte, wurde Gauck von Erdoğan selbst und vielen regierungsnahen Zeitungen scharf angegangen.

Vor allem diese Medien sahen die ungewöhnlich deutliche Campus-Rede an der ÖDTU als diplomatische Gepflogenheiten missachtende und provokative Geste. Gauck hatte in seiner Rede die antidemokratischen Maßnahmen der türkischen Regierung kritisiert und auf die Gefahren hingewiesen, die Eingriffe der Regierung in die Justiz und die Einschränkungen der Pressefreiheit für eine Demokratie beherberge.

Das regierungsnahe Portal „A Haber“ bezeichnete den Bundespräsidenten als „Deutschland-Imam der (Gülen-)Gemeinde“. Gauck habe keinen Anstand, kenne seine Grenzen nicht und rede darüber hinaus völligen Unsinn. Die Zeitung „Takvim“, die in ihrer Schlagzeile schreibt, Gauck solle nicht „plappern“, wirft dem ehemaligen Bürgerrechtler Gauck vor, sich wie ein Kolonialherr zu verhalten und der Türkei Demokratielektionen erteilen zu wollen. Kurzerhand erklärt sie, genauso wie die Zeitung „Yeni Akit“, die Bundesrepublik Deutschland zu einem Polizeistaat.

Außerdem haben viele weitere Zeitungen, darunter die „Star“ und die „Sabah“, die Kritik des Premierministers Erdoğan an Gauck ausführlich wiedergegeben, der sich bereits am gestrigen Dienstag über die Rede Joachim Gaucks empört hatte.

Erdoğan: „Gauck soll seine Ratschläge lieber für sich behalten“

Neben dem Pressecho zur Campus-Rede in den Medien gab es auch Reaktionen in der Politik selbst. Erdoğan warf dem Bundespräsidenten am Dienstag in der Fraktionssitzung der von ihm geführten Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) vor, sich nicht wie ein Staatsmann verhalten zu haben, sondern Predigen zu halten. Gauck denke wohl, dass er noch ein Pastor sei. Gauck habe vor den Studenten der METU „merkwürdige“ Sachen von sich gegeben und Lügen nacherzählt, die ihm vorher jemand beigebracht habe. Gauck solle seine Ratschläge lieber für sich selber behalten, so Erdoğan.

Gauck selbst wies in Istanbul die Kritik des türkischen Premierministers zurück. „Ich habe mir erlaubt, das zu tun, was ich immer tue. Nämlich die kritischen Themen, die in einer Gesellschaft diskutiert werden, aufzunehmen.“ Er habe sich im Vorfeld ausführlich mit den Konflikten in der Türkei auseinandergesetzt und sich mit zahlreichen zivilgesellschaftlichen Akteuren ausgetauscht. „Ich habe getan, was meine Pflicht ist. Und ich bin eher zurückhaltend gewesen bei meinen Anmerkungen.“ Unklar blieb, wie diese ausgesehen hätten, hätte er diese „Zurückhaltung“ nicht an den Tag gelegt.