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Gesellschaft

„Sie können aber gut Deutsch“ – Einwanderer werden immer einheimischer

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In einer auf den Mikrozensus gestützten Studie zeigt das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung, dass die Integration von Einwanderern in Deutschland die Regel ist und diese sich stark den autochthonen Deutschen annähern. (Foto: reuters)

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Berlin ist multikulturell.
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Wer kennt es nicht? Obwohl man schon seit Jahren in Deutschland lebt oder gar hier geboren ist, begegnet einem dieser Satz immer und immer wieder: „Sie können aber gut Deutsch“. Den Angesprochenen verlangt dieser teils als Kompliment gemeinte, teils aber auch aus der Verwunderung heraus gesagte Satz häufig nur ein müdes Lächeln ab.

Denn das Bild, das manche Medien vermitteln, deckt sich nicht mit der Lebensrealität. Daher kommen solche Feststellungen zustande. Aus Daten des Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes, die seitens des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung in einer Studie mit dem Titel „Neue Potenziale. Zur Lage der Integration in Deutschland“ ausgewertet wurden, geht hervor, dass Einwanderer sich sehr schnell in die deutschen Lebensverhältnisse eingliedern und sich zunehmend auch in Bereichen anpassen, wo es innerhalb der Mehrheitsgesellschaft Defizite gibt. Die Studie wurde am heutigen Dienstag der Öffentlichkeit vorgestellt.

Was dabei vor allem positiv zu Buche schlägt: In Deutschland geborene Einwandererkinder erreichen oft höhere Schulabschlüsse als ihre Eltern. Die Nachkommen der ehemaligen Gastarbeiter sind in der Regel besser gebildet als ihre Eltern.

Angleichung im Positiven wie im Negativen

Zudem sind die Abschlüsse von Einwanderern besser, je später sie nach Deutschland gekommen waren. Unter Einwanderern, die nach 2005 nach Deutschland gekommen sind, gibt es dabei sogar mehr Akademiker als in der einheimischen Bevölkerung – auch im Fall von Rumänen und Bulgaren, die vor allem im Laufe des kürzlichen Europawahlkampfs als vermeintliche Kandidaten für eine massenhafte „Armutszuwanderung“ geoutet wurden. „Zwar kommen noch rund zehn Prozent aller Zuwanderer ohne jeden Bildungsabschluss ins Land, darunter viele Saisonarbeiter“, sagte Reiner Klingholz, der Direktor des Berlin-Instituts. Von einer Armutszuwanderung als Massenphänomen könne jedoch keine Rede sein.

Allerdings bleiben Einwanderer auch, was negative Entwicklungen innerhalb der Mehrheitsgesellschaft anbelangt, von diesen nicht verschont: Auch unter ihnen werden tendenziell weniger Kinder geboren, wird seltener geheiratet und es gibt mehr Trennungen.

Ein Fünftel der Menschen in Deutschland hat ausländische Wurzeln. Im Mai 2011 lebten in der Bundesrepublik etwa 15,3 Millionen Migranten beziehungsweise nach 1955 zugewanderte und inzwischen eingebürgerte Deutsche; das sind 19,2 Prozent der Bevölkerung. Die Forscher vom Berlin-Institut stützten sich bei ihrer Studie auf die Daten des Mikrozensus von 2010, für den 800 000 Menschen befragt wurden. Seit 2005 haben die Autoren des Mikrozensus eine kleine, entscheidende Veränderung vorgenommen: Es wird nach dem eigenen Geburtsland und dem der Eltern gefragt. So ist es möglich, nicht nur zwischen Ausländern und Deutschen zu unterscheiden, sondern auch die Eingebürgerten zu erfassen.

Wegen der Wirtschaftskrise waren, so das Berlin-Institut, in den vergangenen Jahren vor allem hochqualifizierte EU-Ausländer nach Deutschland gekommen, deren Bildungsniveau im Schnitt höher war als das der einheimischen Bevölkerung. Klingholz warnte jedoch, nach dem Ende der Krise viele dieser Fachkräfte wieder in ihrer Heimatländer abwandern würden. Deshalb brauche man eine gezielte Integrationspolitik, um Deutschlands Ruf als attraktives Einwanderungsland zu festigen.

Auch Einwanderer profitieren vom Rückgang der Arbeitslosigkeit

Die Fortschritte, von denen im Bericht die Rede ist, beruhen den Forschern zufolge auf geänderten wirtschaftlichen Bedingungen: Früher warben Unternehmer gering qualifizierte Gastarbeiter an. Heute hingegen bemüht sich die Bundesrepublik wegen des Fachkräftemangels überwiegend um gut ausgebildete Zuwanderer an. „Die Zuwanderer heute finden vergleichsweise leicht eine Beschäftigung und erfüllen damit die wichtigste Voraussetzung für eine gelingende Integration“, sagte Klingholz, der eigentlich Chemiker und Molekularbiologe ist, aber seit Jahren über globale demografische Entwicklungen forscht.

Einwanderer profitierten dabei  auch vom Rückgang der Arbeitslosigkeit. „Deutschland entwickelt sich langsam, aber sicher zu einem modernen Einwanderungsland, ähnlich wie Kanada oder Neuseeland“, so Klingholz.

Alte Probleme durch verpasste Integrationspolitik blieben aber der Studie zufolge dennoch bestehen. Die Kinder von Gastarbeitern erlangten zwar bessere Schulabschlüsse als ihre Eltern; der Unterschied zu den Alteingesessenen sei aber weiterhin beträchtlich. 25 Prozent der in Deutschland geborenen Nachkommen türkischer Einwanderer machten das Abitur – bei den Einheimischen seien es 43 Prozent. Dabei erlangten Mädchen türkischer Eltern diesen Abschluss öfter als die Jungen.

Darüber hinaus sei auch der „Tiger Mom“-Effekt in der asiatischen Community zu beobachten: Kinder von Einwanderern aus Asien erzielten weitaus bessere Schulabschlüsse als deutsche – auch wenn ihre Eltern ein niedriges Bildungsniveau haben.

Große Unterschiede zwischen einzelnen Ländern und Städten

Wie gut Menschen integriert seien, hänge letztendlich auch stark vom regionalen Angebot an Arbeitsplätzen ab, sagte Klingholz. Beim Länder-Ranking liegen Hessen und Hamburg vorn, Niedersachsen und das Saarland hinten. Im Städtevergleich schneiden München, Bonn, Frankfurt am Main und Düsseldorf besonders gut ab; Schlusslichter sind Duisburg, Nürnberg und Dortmund. Dort sei die Arbeitslosigkeit groß, und die Probleme unter den Einwanderern häuften sich.

Deutschlandweit sei allerdings auch die gesellschaftliche Akzeptanz von Einwanderern in der gesamten Bevölkerung gewachsen. Eine Ansicht, die auch der bekannte Autor Feridun Zaimoğlu im Interview mit heute.de teilt, wo er betont: „Lange Zeit gab es das böse Gerücht, Zuwanderer seien hierzulande den missgestimmten Deutschen ausgesetzt; da war die Rede von Neidern und Spöttern, die nicht genau hingeschaut haben. Mich überrascht es nicht, dass Deutschland so beliebt ist bei Einwanderern – einfach, weil die Deutschen sie de facto willkommen heißen. Aber was heißt bunter? Deutschland war vorher nicht fad, eindimensional, kalt. Die Einwanderungsgeschichte Deutschlands ist seit langem ein Erfolg, das Land hat vieles richtig gemacht.“