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Politik

Die Muslimbruderschaft sollte die türkische Entwicklung genau beobachten

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In den letzten Wochen wurde die Türkei, die als Modellstaat für die Länder des Arabischen Frühlings gilt, wegen eines Bauvorhabens in einem Park von einer Serie an Protesten heimgesucht. Was bedeutet dies für die arabischen Reformstaaten? (Foto: aa)

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Die Muslimbruderschaft sollte die türkische Entwicklung genau beobachten
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Eine Reihe westlicher Medien veröffentlichte seit Beginn der Proteste Analysen, wonach die Türkei als Musterstaat für die arabische Welt ausgedient hätte. Da die Türkei in der arabischen Welt ähnlich wenig verstanden wird, gab es gleichlautende Kommentare auch in arabischen Medien. Ähnlich viele Kommentare über die Türkei hatte es zuletzt in der Zeit des Arabischen Frühlings Ende 2010 gegeben. Nun macht die Türkei eine kritische Zeit durch. Einige Mächte in der Region möchten nun gewährleisten, dass das Land die Zeche für seine Syrien-Politik zahlen sollte. Die Tatsache, dass Ankara in den letzten Jahren auch sehr viel an Energie aufgewendet hat, um den Kurdenkonflikt zu entschärfen, macht die Türkei auch zu einem geeigneten Ziel für Quertreibereien.

Zusätzlich hat die Ankündigung Erdoğans, Gaza besuchen zu wollen, für Aufregung gesorgt. Diese wurde eher als Herausforderung an den Westen betrachtet und reichte für sich allein bereits aus, um Unbehagen auszulösen. Was in Taksim geschah, kann deshalb auch nicht völlig isoliert davon betrachtet werden, Wie die Türkei ist auch Ägypten von vitaler Bedeutung für die arabische Welt, wobei Kairo jedoch auf Grund seiner wirtschaftlichen und demokratiepolitischen Probleme in einer ungleich ungünstigeren Position ist.

Eine frappierende Ähnlichkeit zwischen der Türkei und Ägypten ist, dass auch in Kairo eine pro-islamische politische Gruppierung am Ruder ist, in diesem Fall die Moslembruderschaft. Wenn nun in der Türkei Proteste gegen einen Regierungschef stattfinden, der bereits zwei Mal überlegen im Amt bestätigt wurde und der dem Land in kurzer Zeit Stabilität gebracht hatte, dann hat die ägyptische Regierungspartei allen Anlass, aufzuhorchen. Im Unterschied zu Erdoğan in der Türkei hat die Muslimbruderschaft in Ägypten auch keine extensive institutionelle Kontrolle über das Land. Das setzt sie mehreren Risiken aus. Welche wären das konkret?

Konflikt mit Äthiopien

An erster Stelle wäre dabei ein Dammbauprojekt in Äthiopien, das zu ernsthaften Diskussionen in Ägypten geführt hat. Jeder Versuch Kairos, Äthiopien in die Ecke zu drängen, könnte Proteste im Land hervorrufen. Addis Abeba hat nicht wenige Verbündete. Schritte dieser Art sollten also gut abgewogen sein.

Außerdem könnte in Ägypten eine ähnliche Situation entstehen wie in der letzten Woche in der Türkei. Dafür reichen oft kleine Provokationen aus. Auch die derzeitigen Gespräche mit dem IWF sind ein Risikofaktor. Ägypten zeigte sich zuletzt nicht bereit, einige Bedingungen des Weltwährungsfonds zu akzeptieren.

Auch Palästina könnte zum Risiko werden. Ägypten war in dieser Frage in letzter Zeit sehr still, was zwar Israel mit Genugtuung quittiert, was aber dazu führen kann, dass ein abrupter Politikwechsel Kairos in dieser Frage ungeahnte Verwerfungen nach sich ziehen könnte.

Gefährliche politische Großwetterlage

Insgesamt gesehen befindet sich Ägypten in einer der prekärsten Phasen seiner Geschichte, ökonomisch, politisch, rechtsstaatlich und diplomatisch. In dieser Situation kommt es dem Land sehr entgegen, dass mit der Muslimbruderschaft eine gut organisierte und moderate politische Kraft an der Macht ist.

Um diesen Vorteil zu nützen, sollte die Bruderschaft den Dialog mit unterschiedlichsten politischen Akteuren und Gruppen suchen. Die Bitterkeit in der Auseinandersetzung zwischen der Regierung und den Oppositionsparteien hat auch die Ereignisse in der Türkei beeinflusst. Auch wenn letztere zerstritten sind, bringen sie Menschen geeint zum Protest auf die Straßen.

Um eine solche Situation zu vermeiden, sollte die Muslimbruderschaft von sich aus den Kontakt zur Opposition suchen. Es wird nicht helfen, die eigenen Anhänger auf die Straßen zu holen.