Kolumnen
Die Stimme der Wutbürger
Auf Zypern hat die Europäische Union mit der Enteignung von Sparguthaben ein absolutes Tabu in der freien Welt gebrochen. Juncker beschwört sogar die Kriegsgefahr. Das Vertrauen der Bürger in die Politik ist auf dem Tiefpunkt angelangt. (Foto: rtr)
Nun ist sie da, die Partei, die sich schlicht „Alternative für Deutschland“ nennt. Sie präsentiert sich als Gegenentwurf zu CDU, CSU, FDP, SPD, Grünen und Linken. Dabei widerspricht sie allen derzeit im Parlament vertretenen Parteien vor allem in einem Punkt: Sie will raus aus dem Euro und zurück zur D-Mark. Diese Aussage allein garantiert der neuen Gruppierung bereits maximale öffentliche Aufmerksamkeit. Obwohl sie noch nicht einmal alle rechtlichen Hürden für eine Teilnahme an der Bundestagswahl im kommenden September genommen hat, spaziert ihr Sprecher Bernd Lucke jetzt schon von Talkshow zu Talkshow. Und in den Internetforen tobt eine leidenschaftliche Debatte zwischen begeisterten Anhängern und erbitterten Gegnern der „Alternative für Deutschland“ (AfD).
Seit langem schon diagnostizieren die Demoskopen eine wachsende Unzufriedenheit der Bevölkerung mit den etablierten Parteien. In einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest Dimap für die Quandt-Stiftung sprechen 76 Prozent der Befragten allen im Bundestag vertretenen Parteien ihr Misstrauen aus. Eine Mehrheit von 52 Prozent misstraut auch dem Bundestag selbst. Als Konsequenz fordern 63 Prozent mehr direkte Demokratie nach Schweizer Vorbild.
Am Verhalten der etablierten Parteien hat dieser eklatante Vertrauensentzug bislang kaum etwas geändert. Zwar gibt es bei SPD und Grünen Ansätze für mehr innerparteiliche Demokratie. So durfte die Basis in beiden Parteien mehr oder weniger über den oder die Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl entscheiden. Da jedoch aus diesen zum Teil fragwürdigen Wahlverfahren wiederum nur Vertreter des alten, verkrusteten Systems hervorgingen, konnten sie dem Bild vom autoritären politischen Verständnis der Parteiführungen gar nichts entgegensetzen. Der Eindruck, die etablierte Politik glaube immer noch, den Bürger zu seinem „Glück“ zwingen zu müssen, verfestigte sich eher als dass er zerstreut werden konnte.
Parallelen zu 1913 beschworen
Vor allem in der Euro-Krise, die nun aktuell durch die Zypern-Frage die Furcht der Menschen vor dem Verlust ihres Ersparten noch einmal potenziert, halten Union, SPD, FDP und Grüne unbeirrt an ihrer zentralistischen Europapolitik fest. Dabei ist es doch gerade diese Politik, die sie immer mehr von den Menschen entfernt, weil sie die Existenz ganzer Volkswirtschaften gefährdet und somit die Zukunft der nächsten Generation gleich mit aufs Spiel setzt. Die Beispiele Griechenlands, Spaniens, Portugals und jetzt Zyperns zeigen dies überdeutlich.
Solche Situationen, in denen die politischen Eliten derart eklatant das Verständnis für die Bedürfnisse und Nöte der Bevölkerung verlieren, sind brandgefährlich. Diesbezüglich gibt es hinreichend Beispiele aus der Geschichte, gerade auch in der deutschen. Der frühere Euro-Gruppen-Vorsitzende Jean Claude Juncker erinnert nicht ohne Grund an die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. „Wer glaubt, dass sich die ewige Frage von Krieg und Frieden in Europa nie mehr stellt, könnte sich gewaltig irren“, sagt jener Mann dem „Spiegel“, der mit seiner Euro-Politik maßgeblich dazu beigetragen hat, dass es überhaupt erst wieder so weit gekommen ist.
Juncker sieht „auffällige Parallelen zum Jahr 1913“. Auch damals dachten viele, in Europa werde es nie mehr Krieg geben. „Mich frappiert die Erkenntnis, wie sehr die europäischen Verhältnisse im Jahr 2013 denen von vor 100 Jahren ähneln“, sagt Juncker. Erste Anzeichen sieht er in den Wahlkämpfen in Griechenland und Italien. „Plötzlich kamen Ressentiments hoch, von denen man dachte, sie seien definitiv abgelegt.“ Und: „Die Dämonen sind nicht weg, sie schlafen nur.“
Juncker spricht offenbar von der Gefahr eines Krieges. Allerdings denkt er dabei wohl weniger an die Bomben- und Panzerkriege der Vergangenheit, wenngleich nicht auszuschließen ist, dass es auch dazu wieder kommen könnte. Der Krieg, den er anspricht, ist der Krieg ums Geld, um Reichtum und Wohlstand, ein Krieg, der am Ende nicht weniger vernichtend ist als die Bomben- und Panzerkriege der Vergangenheit.
Die deutsche Fassung der „Grillini“
Banker, Spekulanten und die Politik haben den Bürgern Europas diesen Krieg erklärt. Wer es bislang noch nicht wahrhaben wollte, der wurde durch die mit deutscher Zustimmung beschlossene und erst nach einem Aufschrei der Öffentlichkeit wieder zurückgenommene Enteignung zyprischer Kleinsparer eines Besseren belehrt. Die Bürger spüren instinktiv, dass die Schlacht begonnen hat. Daher nämlich rührt ihre Angst, die zunehmend Macht über sie gewinnt.
Als einzige politische Kraft spricht die „Alternative für Deutschland“ diese Angst an. Aber sie versucht nicht, diese populistisch zu instrumentalisieren, sondern bietet Lösungen an. Sie hält dem von allen Parteien des Bundestages vorgetragenen Argument der Alternativlosigkeit eine Alternative entgegen. Sie will erstens das Euro-Regime und zweitens die Rettungspolitik der milliardenschweren Hilfspakete beenden. Drittens will sie die Demokratie durch mehr direkte Bürgerbeteiligung stärken. Sie will raus aus dem Euro und zurück zu nationalen Währungen. An den europäischen Verträgen will sie nicht rütteln.
Sie polemisiert nicht, sie spielt sich nicht auf, auch wenn es einigen so erscheint, weil sie mit der Attitüde einer Wissenschaftspartei daherkommt. Sie gibt sich klug, ist weit entfernt davon, Stammtischparolen zu verbreiten. Sie ist nicht links, nicht rechts, sondern bürgerlich. Sie ist absolut unideologisch.
Dennoch wird sie diffamiert. Medien versuchen, die AfD in die rechte Ecke zu rücken, weil diese sich in ihrem Programm schreibt: „Wir lehnen eine Gängelung der öffentlichen Meinung unter dem Deckmantel der sogenannten ‚Political Correctness’ ab.“ Es ist genau dieser Satz, der Parteien und Medien elektrisiert. Da kommt eine politische Kraft, die sich nicht mehr ans Schweigekartell hält, sondern sagt, was auf der Straße gesprochen wird.
Sie ist in einer elementaren politischen und wirtschaftlichen Frage tatsächlich die einzige Stimme der Normalbürger. Sie sind das, was Beppe Grillo in Italien ist, nämlich die Verteidiger einer von finanzpolitischen Interessen gefangenen Demokratie. Sie will sich nicht den Mund und schon gar nicht das Denken verbieten lassen. Und genau das macht sie so gefährlich für die etablierten Parteien und Politiker. Hoffentlich hat sie genügend Rückgrat!