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Politik

Es sind keine Konfessions- oder Religionskriege

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Religionskriege kann man dies kaum nennen. Neben unzähligen Faktoren, die die Konflikte der Region beeinflussen, spielt der Kampf zwischen den Staaten um Ressourcen und Macht die wohl wesentlichste Rolle.

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Kinder-Krieger im Jemen
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Der Blick des türkischen Staatspräsidenten Erdoğan auf die Weltpolitik ist zunehmend durch den „Kampf der Kulturen“ von Samuel Huntington und insbesondere durch den Konflikt zwischen dem Westen und dem Islam geprägt. Gegenwärtig zieht die Krise im Jemen die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft. Die Welt beobachtet einen Kampf um regionalen Einfluss zwischen Saudi-Arabien und dem Iran. Welche Anhaltspunkte könnten uns die jüngsten Ereignisse im Jemen in Bezug auf den „Kampf der Kulturen“ liefern?

Bei den Konfliktparteien handelt es sich auf der einen Seite um schiitische Huthis, die ein Drittel der jemenitischen Bevölkerung ausmachen und sich als unterdrückte Volksgruppe verstehen, sowie um die Anhänger Ali Abdullah Salihs, der zwischen 1990-2012 Jemens Präsident war. Und auf der anderen Seite steht die sunnitische Mehrheit des Landes und die Anhänger des 2012 zum Präsidenten gewählten Mansur Hadis, der Zuflucht in Saudi-Arabien suchen musste, nachdem Huthi-Rebellen die Hauptstadt Sana unter ihre Kontrolle brachten. Alle mehrheitlich sunnitischen Staaten, allen voran Saudi-Arabien und Ägypten, einschließlich der Türkei unterstützen Mansur Hadi und seine Anhänger. Zehn mehrheitlich sunnitische Staaten haben gemeinsam Luftangriffe gegen die aufständischen Huthis beschlossen. Zudem erklärte sich Ägypten bereit, gegebenenfalls auch Bodentruppen zur Verfügung zu stellen. Obwohl der Iran jegliche Unterstützung an die Huthi-Rebellen bestreitet, verurteilt Teheran die Schläge gegen die Aufständischen und offenbart seine Positionierung hinter den Huthis.

Die USA unterstützen einerseits geheimdienstlich und logistisch die saudi-arabisch geführte sunnitische Koalition und andererseits befindet es sich mit dem schiitischen Iran auf derselben Linie im Kampf gegen den IS und führt weiterhin Gespräche über das iranische Atomprogramm, um eine internationale Vereinbarung zu erzielen. Aus Sicht der USA, Saudi-Arabien und Ägypten hat der Jemen eine ungemein wichtige geostrategische Bedeutung. Der Großteil des weltweiten Erdöls wird nach Westen über die Meeresstraße des Bab al-Mandab abtransportiert, die das Rote Meer und den Golf von Aden miteinander verbindet. Die hohe Bedeutung dieser Meeresstraße ist schon daran zu erkennen, dass seit Ausbruch des Konflikts im Jemen die Ölpreise um sechs Prozent gestiegen sind.

Kurz gesagt hat der gegenwärtige Konflikt im Jemen mit dem „Kampf der Kulturen“ kaum etwas zu tun. Vielmehr handelt es sich um einen innerislamischen Interessenkonflikt. Dennoch werden Huntingtons Verfechter noch einmal hinterfragen wollen, ob der Konflikt wirklich nichts mit dem „Kampf der Kulturen“ zu tun hat. Es ist nicht ein Konflikt, der bloß zwischen Sunniten und Schiiten ausgetragen wird. Im Jemen gibt es nicht lediglich zwei Gruppen, die die Führung des Landes beanspruchen, sondern drei, wenn nicht sogar vier. Die anderen zwei Parteien werden gestellt von der Al-Qaida und von dem jemenitischen Arm der IS, der sich seit 2014 als Kontrahent der Al-Qaida begreift.

Die sunnitische Identität allein genügt nicht die Gesellschaft in Ägypten, Libyen, Tunesien oder der Türkei zusammenzuhalten. Wie im Jemen konkurriert auch in Saudi-Arabien und Ägypten das „sunnitische“ Regime mit „sunnitischen“ Oppositionellen. Zudem bekämpft sich in Ägypten und Tunesien die „sunnitische“ Muslimbruderschaft mit den „sunnitischen“ Salafisten. Das „sunnitische“ Jordanien, Marokko und irakische Kurdistan koalieren im Kampf gegen den „sunnitischen“ IS mit der NATO als auch mit dem schiitischen Iran.

Die Ereignisse in der Region lassen sich also nur schwerlich mit der Theorie vom Kampf der Kulturen oder Kampf der Konfessionen erklären. Neben unzähligen Faktoren, die die Konflikte der Region beeinflussen, spielt der Kampf zwischen den Staaten um Ressourcen und Macht die wohl wesentlichste Rolle. Der Ursprung dieser Konflikte basiert weder auf religiösen noch konfessionellen Aspekten, sondern auf Nationalinteressen. Die verschiedenen Religionen und Konfessionen werden dabei instrumentalisiert.

Wenn man in die Region, insbesondere im Jemen, blickt und dann die folgende Aussage von Erdoğans hört kann man nur sagen, dass es sich lediglich um einen Wunsch, als Wirklichkeit handelt: „In der islamischen Welt kann es nicht Zwietracht geben, sondern nur Einheit. Hier kann es nur Liebe und Freundschaft geben.“

Denn der Zustand der islamischen Welt ist in Wirklichkeit weit davon entfernt.