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Politik

Fünf Euro dürfen nicht die Energiewende gefährden

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Um den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung bis zum Jahr 2020 auf mindestens 35 % erhöhen, bedarf es neuer Finanzquellen. Jeder Haushalt soll seinen Beitrag leisten. Die Wirtschaft jedoch entzieht sich der Verantwortung. (Foto: dpa)

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Fünf Euro dürfen nicht die Energiewende gefährden
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Von Günther Lachmann

Eigentlich sollte es keinen Zweifel darüber geben, dass die Energiewende der richtige Weg in die Zukunft ist. Nach über vier Jahrzehnten des Ausbaus der Atomenergie sind die Verfechter dieser Technologie den Beweis schuldig geblieben, dass sie die davon ausgehenden Risiken beherrschen. Damals wie heute ist ungeklärt, wie und wo der in den Atomkraftwerken anfallende radioaktive Müll für viele Hunderte Jahre sicher entsorgt werden kann. Ebenso unklar ist, wie die Verantwortlichen ihre Kraftwerke vor Naturkatastrophen oder auch kriegerischen oder terroristischen Angriffe schützen wollen. Am Beispiel der Katastrophe von Fukushima wurde die ganze Unbeherrschbarkeit dieser Technologie auf schreckliche Weise offenbar.

Es war dann auch dieses Ereignis, das Bundeskanzlerin Angela Merkel praktisch über Nacht dazu bewog, eine Kehrtwende in der Energiepolitik zu vollziehen. Obwohl sie gerade erst die Laufzeiten für alte Kernkraftwerke in Deutschland verlängert hatte, leitete die schwarz-gelbe Koalition nun den von ihr geforderten schnellstmöglichen Ausstieg aus der Atomkraft ein und übertraf damit noch jene Politik der rot-grünen Koalition unter Kanzler Gerhard Schröder, die sie einst bekämpft hatte.

Seither setzt die Bundesregierung ganz auf den Ausbau regenerativer Energien. Und das ist richtig, obwohl heute die Möglichkeiten vorhanden sind, aus fossilen Brennstoffen wie Kohle oder Erdöl mit vergleichsweise geringen Belastungen für die Umwelt Strom zu gewinnen. Aber die fossilen Energieträger sind endlich, sie werden nur noch für wenige Jahre verfügbar sein.

2050 sollen 80% des Energiebedarfs regenerativ gedeckt werden

Also hat sich Deutschland ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Es will den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung bis zum Jahr 2020 auf mindestens 35 Prozent erhöhen. Zehn Jahre später soll der Anteil schon auf 50 Prozent gestiegen sein, im Jahr 2040 dann auf 65 Prozent, und bis 2050 sollen 80 Prozent des deutschen Energieverbrauchs aus regenerativen Quellen stammen.

Dieser Wechsel hin zu den regenerativen Energien ist allerdings nicht umsonst zu haben. Investitionen in neue Anlagen und Stromleitungen sind nötig, damit die heute noch in Kernkraftwerken produzierte Strommenge künftig auf ökologische Weise produziert und an den Endkunden geliefert werden kann. Die Bundesregierung spricht von einem Investitionsbedarf bis Mitte des Jahrhunderts in Höhe von bis zu 550 Milliarden Euro. In dieser Summe sind auch die Ausgaben für energiesparende Maßnahmen wie die Sanierung von Häusern und Heizungen enthalten.

Kosten kommen jedoch auch auf solche Länder zu, die, anders als Deutschland, weiterhin auf die Atomkraft setzen. Sie müssen nämlich einen Teil ihrer Altanlagen erneuern. Ob dies dann tatsächlich bis zum Jahr 2030 rund eine Billion Euro kostet, wie das Internationale Wirtschaftsforum Regenerative Energien (IWR) errechnete, sei einmal dahingestellt. Zahlen müssen auch sie in jedem Fall.

Ihre Energiewende will die Bundesregierung durch eine Umlage auf den Strompreis finanzieren. Dahinter steht der Gedanke, dass jeder seinen Teil dazu beitragen soll. Grundsätzlich sind die meisten Bürger für die Energiewende. Eine aktuelle Umfrage von TNS Emnid im Auftrag von Greenpeace Energy kommt zu dem Ergebnis, dass 80 Prozent der Deutschen das EEG unterstützen. Allerdings wollen nur 20 Prozent der Befragten das Gesetz in seiner jetzigen Form beibehalten, und 60 Prozent wünschen sich ein optimiertes EEG, „das den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland weiter vorantreibt, den Anlagenbetreibern eine angemessene Vergütung garantiert und die Kosten der Energiewende fair verteilt“.

Aber was ist in diesem Falle fair? Die Wirtschaft jedenfalls will die Energiewende nicht mitfinanzieren. „Mit dem Anstieg der Strompreise 2013 wachsen erneut die Belastungen im Vergleich zu unseren internationalen Wettbewerbern“, sagt der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Hans Heinrich Driftmann.

Dabei müssen viele Unternehmen die EEG-Umlage gar nicht bezahlen. Vor allem Betriebe, die besonders viel Strom verbrauchen, können sich von der Umlage befreien lassen. Im Gegenzug steigen dann die Kosten für Verbraucher und kleine Firmen noch weiter. Fair ist das sicher nicht. Und die auf diese Weise gesicherten Arbeitsplätze ließen sich bestimmt auch durch eine andere Verwendung der Gewinne sichern.

Kostensteigerung vor allem für Privathaushalte

Privathaushalte können sich nicht von der EEG-Umlage befreien lassen, ganz egal, welchen Härten sie ausgesetzt sind. Für sie steigt die Umlage von heute 3,6 Cent auf 5,3 Cent pro Kilowattstunde. Ein vierköpfiger Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 3500 Kilowattstunden muss demnach pro Jahr rund 60 Euro mehr als bisher bezahlen. Das macht fünf Euro im Monat.

Und diese fünf Euro entfachen jetzt eine hitzige politische Debatte. Angeblich sind fünf Euro mehr im Monat für Privatkunden nicht vertretbar. Daher schlägt Wirtschaftsminister Philipp Rösler von der FDP eine Absenkung der Stromsteuer vor. Politiker von CDU und CSU wollen das EEG sogar von Grund auf verändern. „Wir wollen die Förderung erneuerbarer Energien, aber zu einem angemessenen Preis“, sagt der CDU/CSU-Europa-Abgeordnete Herbert Reul. Und die Linkspartei verlangt die Einführung eines Sozialtarifs. „Die ersten 1100 Kilowattstunden sollten für einen vierköpfigen Haushalt ganz umsonst sein“, sagt Parteichefin Katja Kipping. Auch die SPD drängt auf Erleichterungen für Geringverdiener.

Statt Konzepte gegen die drohende Altersarmut von Millionen Menschen zu entwickeln, statt Alternativen zu der bislang vollkommen wirkungslosen Euro-Politik zu diskutieren, statt die Monopolstellung der großen Energieerzeuger zu zerschlagen oder die katastrophalen Zustände in der Kranken- und Altenpflege zu beheben, streiten unserer Politiker über eine zusätzliche Belastung des Strompreises von fünf Euro im Monat! Sie streiten um fünf Euro für die Erforschung neuer Technologien und damit für neue moderne Arbeitsplätze. Sie streiten um fünf Euro, mit denen sie endlich die von den Atomkraftwerken ausgehende Gefahr reduzieren können.

Sie müssen aufpassen, dass sie sich nicht lächerlich machen. Es ist keineswegs zu viel verlangt, wenn jeder fünf Euro in die Zukunft investiert. Dies muss dann allerdings auch für die Wirtschaft gelten.