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Bildung & Forschung

Hitzige Debatte um türkische Lehrbücher in NRW

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In der Debatte um Schulbücher für den Türkischunterricht will die GEW nächste Woche einen Bericht über die angeblich „nationalistisch-konservativen“ Inhalte von Unterrichtsmaterialien des türkischen Erziehungsministeriums vorlegen. (Foto: iha)

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Hitzige Debatte um türkische Lehrbücher in NRW
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In Nordrhein-Westfalen ist eine hitzige Debatte um türkischsprachige Schulbücher entbrannt. Laut der Gewerkschaft Erziehung und Bildung (GEW) sollen türkische Schulbücher, die seitens der Konsulate an Türkisch unterrichtende Lehrer verteilt werden, „nationalistisch-konservative“ Inhalte enthalten.

Die für unterschiedliche Jahrgangsstufen konzipierten vier Lehrbücher mit den Titeln „Türkçe ve Türk Kültürü“ (Türkisch und türkische Kultur) werden vom Ministerium für Nationale Erziehung der Republik Türkei für die Nutzung in aller Welt erarbeitet und gedruckt. Über die türkischen Konsulate erhalten Türkisch unterrichtende Lehrer die Bücher kostenlos und können sie nach Belieben punktuell im Unterricht anwenden. Somit ist ihre Verwendung nicht verpflichtend, sondern optional. Dennoch seien die Bücher „nationalistisch und konservativ“, wie es der Kölner Lehrer und GEW-Vorstandsmitglied Hasan Taşkale ausdrückt. Auf Anfrage des DTJ wollte er jedoch keine konkreten Passagen nennen, da sich bereits eine Arbeitsgruppe innerhalb der GEW mit dem Thema befassen und spätestens Anfang nächster Woche der Öffentlichkeit einen Bericht vorstellen würde.

Umfassender Forderungskatalog an Ankara

Taşkale sagte jedoch, dass Themen wie „Integration“ und „Zusammenleben in Deutschland“ im Buch thematisiert werden müssten und Themen wie Religion aus dem Themenspektrum herausgenommen werden sollten. „Dafür gibt es den islamischen Religionsunterricht“, so Taşkale.

Die türkische Botschaft glaubt dennoch an die Notwendigkeit des kurzen Abschnittes über Religion und lässt in einer Pressemitteilung folgendes verkünden: „Wie Ihnen sicher bekannt ist, leben in Deutschland etwa 900.000 muslimische Schülerinnen und Schüler. Doch nicht einmal 10.000 von ihnen wird die Möglichkeit des Islamunterrichts in der Schule angeboten. Dies liegt darin begründet, dass die Lehrkräfte, die diesen Unterricht erteilen werden, noch nicht ausgebildet worden sind.“ Das Land NRW bilde dabei eine Ausnahme, wo seit September 2012 islamischer Religionsunterricht angeboten werde.

Im NRW-Schulministerium werden die Vorwürfe sehr ernst genommen, zumal sich der nordrhein-westfälische Schulausschuss auf Antrag der Opposition am Mittwoch, dem 8. Mai, mit dem Thema befassen wird. Dabei fordert die schulpolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, Petra Vogt, eine Aufklärung: „Wir wollen wissen, in welchem Umfang das türkische Konsulat versucht hat, Schulbücher zu verteilen und ob das Ministerium in die Aktion eingebunden war.“

Nach Angaben des Schulministeriums ist das Buch „Türkçe ve Türk Kültürü“ nicht auf der einst vom Land Hessen für alle Bundesländer erarbeiteten Liste, auf welcher die zugelassenen Schulbücher für den herkunftssprachlichen Türkisch-Unterricht aufgelistet sind. Nicht zugelassene Materialien seien aber nach Informationen des Ministeriums „in eigener Verantwortung im Unterricht“ anwendbar.

Erste Sichtung im Ministerium ohne Beanstandungen

Die türkische Botschaft erklärt zwar, dass die zuständigen Behörden des Landes NRW über die Ausgabe der Bücher informiert worden sind, das Schulministerium widerspricht dem aber. „Das Schulministerium hat erst durch Presseberichte Kenntnis vom Versand der Bücher erhalten“, so die Sprecherin des Schulministeriums, Barbara Löcherbach. Es habe aber „eine erste, kursorische Sichtung dieses Bandes“ gegeben, in der keine Hinweise auf nationalistische, diskriminierende oder geschichtsverfälschende Inhalte festgestellt worden seien. Das Ministerium erwarte nun von der GEW, dass diese konkrete Stellen benennt, die kritikwürdig seien. Erst dann könne die Prüfung fortgesetzt werden.

Einige Türkisch unterrichtende Lehrer wie Halil Gülel aus Düsseldorf sind hingegen der Auffassung, dass diese Kritik politische und ideologische Hintergründe hat. Auch Hayrettin Onay, der seit ca. 25 Jahren in Düsseldorf Türkisch unterrichtet, ist gegen eine politisch geführte Debatte, glaubt aber, dass die Bücher wissenschaftlich überarbeitet werden könnten. Auch in Deutschland war die GEW – die offenbar bereits das Wort „konservativ“ für ein Schimpfwort hält – bereits durch umstrittene Äußerungen mit Blick auf nationale Symbole des deutschen Staates aufgefallen. Am Rande der Fußball-WM 2006 hatte sie beispielsweise eine Abschaffung der Nationalhymne gefordert.

Nach Angaben der türkischen Botschaft in Berlin nehmen derzeit 58.000 Schüler an 953 Schulen in NRW am muttersprachlichen Türkisch-Unterricht teil. Der freiwillige Unterricht wird von 363 örtlich beauftragten Lehrkräften erteilt. In anderen Ländern können die Lehrkräfte auch aus der Türkei entsandt werden.