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Politik

Juncker opportun: „Es ist nicht die Zeit, Ankara Verstöße gegen Menschenrechte vorzuwerfen“

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Die EU-Staaten haben große Mühe, ihr Vorgehen in der Flüchtlingskrise zu koordinieren. Kommissionspräsident Juncker kritisiert mangelnde Solidarität entlang der Balkanroute. Es sei auch nicht die Zeit, die Türkei zu kritisieren. (Foto: dpa)

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Wie sehr die Europäische Union sich an realpolitischen Interessen orientiert und dafür demokratische Werte außer Acht lässt, zeigt sich in ihrer aktuellen Politik gegenüber der Türkei. Gerade an dem Tag, an dem in der Türkei die Pressefreiheit mit Füßen getreten wird, sagt EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, dass es derzeit nicht die Zeit sei, Ankara Verstöße gegen Menschenrechte vorzuwerfen.

Juncker warnte angesichts des Zustroms Zehntausender Flüchtlinge vor einer „humanitären Katastrophe“ im nahenden Winter. Den EU-Staaten warf er am Dienstag in Straßburg schwere Versäumnisse vor, weil sie ihre Zusagen nicht einhielten und viel zu langsam handelten. Auf der sogenannten Balkanroute müssen zurzeit Tausende trotz Regen und Kälte auch nachts im Freien ausharren, darunter viele Familien mit Kindern.

Dem Präsidenten des Europäischen Rates, Donald Tusk, zufolge sei die Flüchtlingskrise die größte Herausforderung der EU seit Jahrzehnten. „Außerordentliche Zeiten erfordern außerordentliche Opfer“, sagte Tusk.

Juncker mahnte eine zügigen Umsetzung des Aktionsplans mit der Türkei an. Die Türkei brauche drei Milliarden Euro und sei im Gegenzug bereit, die Flüchtlinge im Land zu halten, sagte er. Jetzt seien dringend konkrete Absprachen nötig, und es sei nicht die Zeit, der Regierung in Ankara Verstöße gegen die Menschenrechte vorzuwerfen – „ob uns das gefällt oder nicht“. Von der Türkei aus setzen zurzeit Tausende Flüchtlinge auf griechische Ägäisinseln über und reisen dann weiter, meist Richtung Deutschland.

Die EU-Kommission hält derzeit offenbar einen kritischen Fortschrittsbericht über die Türkei zurück. Er soll erst nach den Wahlen am 1. November veröffentlicht werden.

Keine Registrierung, keine Rechte

Die Streitigkeiten und gegenseitigen Schuldzuweisungen beim Sondertreffen zur Westbalkanroute am Sonntag sind für Juncker ein Zeichen, „dass die EU in keinem guten Zustand ist“. Dieses Treffen hätte nicht nötig sein sollen, und die Balkanstaaten sollten „miteinander und nicht übereinander reden“. Dies erwecke den Eindruck, dass die Union kurz vor dem Zerwürfnis oder der Spaltung stehe. Positiv vermerkte er, dass alle Teilnehmerstaaten des Sondertreffens bereits Kontaktpersonen für den Informationsaustausch über den Andrang der Migranten ernannt hätten.

„Die EU-Staaten müssen das tun, was sie versprochen haben“, mahnte Juncker zum Thema Verteilung der Migranten. Eine Reihe von Staaten hätten nun mitgeteilt, dass sie bald 700 Menschen umsiedeln würden. Das sei unzureichend. „Wir dürfen nicht vergessen, dass wir einen Beschluss für die Umsiedlung von 160 000 Menschen haben.“

Die Regierungen hätten sich verpflichtet, den unkontrollierten Zuzug zu verlangsamen. Migranten, die sich nicht registrieren lassen wollten, erinnerte Juncker an ihre Verpflichtungen. „Keine Registrierung, keine Rechte. So einfach ist das. Das müssen die Flüchtlinge wissen.“ (dtj/dpa)