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Politik

CHP-Chef in den USA: „Türkei besteht nicht nur aus der AKP”

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Der Vorsitzende der größten türkischen Oppositionspartei wirft vor seiner USA-Reise Premier Erdoğan eine verfehlte Bildungspolitik vor. Zudem gehe es in der Türkei derzeit schlimmer zu als zu Zeiten der Einparteienherrschaft. (Foto: dha)

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Kemal Kılıçdaroğlu in einem Meeting seiner Partei CHP - dha
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Nicht nur der stellvertretende Premierminister Bülent Arınç weilt zurzeit in den USA. Auch der Vorsitzende der größten Oppositionspartei, Kemal Kılıçdaroğlu (CHP), wird sich über den Großen Teich begeben. Er wird sich dort mit amerikanischen Politikern treffen, um über die türkisch-amerikanischen Beziehungen zu sprechen.

Kılıçdaroğlu zufolge werde es Gespräche mit der US-Administration geben, Offiziellen des Weißen Hauses, NSA-Größen, dem Department of State, Kongressabgeordneten, Think Tanks, Unternehmerverbänden, Vertretern der türkischen Community und von jüdischen Organisationen. Der Besuch sei, so der CHP-Vorsitzende, bereits seit längerer Zeit geplant. „Es wird mein erster USA-Besuch als CHP-Vorsitzender sein“, äußerte Kılıçdaroğlu in einem ausführlichen Gespräch gegenüber Today’s Zaman. „Der Hauptgrund unseres Besuches wird sein, die Prinzipien, Ideen und Visionen sowie unsere Ziele in der Regierungsarbeit unseren amerikanischen Kollegen mitzuteilen. Wir werden ihnen deutlich machen, dass die Türkei nicht nur aus der AKP besteht und dass die CHP an die Macht kommen wird, weil es Zeit ist und die Türkei das braucht, und dass die CHP dafür bereit steht.“

Kılıçdaroğlu nannte die USA einen wichtigen Partner und wolle unbedingt dem in Washington weit verbreiteten Eindruck entgegenwirken, die CHP wäre eine antiamerikanische Partei. „Die CHP ist niemandes Feind“, so der CHP-Chef. „Wir werden unsere Politik in keiner Weise auf Animositäten stützen. Wir werden Atatürks Forderung‚ Frieden in der Heimat und in der Welt‘ als Richtschnur nehmen. Außerdem waren die türkisch-amerikanischen Beziehungen immer wichtig für beide Seiten, ob sie gut oder schlecht waren.“

„USA haben China-Deal übel genommen“

Es gäbe innerhalb der CHP unterschiedliche Herangehensweisen hinsichtlich der USA. Entscheidend sei aber die institutionelle Politik. Die CHP wolle starke und gesunde Beziehungen zu den USA pflegen, keine kurzfristigen und oberflächlichen. Kılıçdaroğlu gab der Regierung die Schuld an derzeitigen Spannungen. „Die jüngsten Spannungen zwischen den USA und der Türkei liegen darin begründet, dass die AKP ihren Deal über das nationale Raketenabwehrsystem mit China gemacht habe. Das habe nicht nur die USA, sondern alle NATO-Partner gestört. Die AKP habe jedoch nur mit harscher Rhetorik reagiert.“ Außerdem seien die USA über die Syrien- und Irakpolitik der türkischen Führung ungehalten.

Auch zur aktuellen Debatte um die Dershanes (private Nachhilfeschulen) äußerte sich Kılıçdaroğlu gegenüber TZ. Dabei übte er scharfe Kritik an der Bildungspolitik in der Türkei und wertete die Pläne zur Schließung der Vorbereitungsschulen als „Resultat eines autoritären Regimes“. Die Dershane sei „unvermeidlich“, solange das bestehende Schulsystem bleibe, was es sei.

„Schicken die Eltern ihre Kinder freiwillig dorthin? Nein, sie tun es, weil sie wollen, dass ihre Kinder die Aufnahmeprüfung an der Universität schaffen. Das nationale Bildungssystem lässt ihnen keine andere Wahl“, so Kılıçdaroğlu. Der CHP-Chef warf dem Premierminister Unkenntnis über das Bildungssystem vor. Es habe in elf Jahren fünf Wechsel an der Spitze des Bildungsministeriums gegeben, man habe auf ineffiziente Weise versucht, die Schulpflicht von acht auf zwölf Jahre zu verlängern und nun seien 213 000 Lehrer arbeitslos.

„AKP-Regierung schlimmer als Einparteienherrschaft“

Mit Blick auf die bevorstehenden Kommunalwahlen weigerte sich der CHP-Vorsitzende, einen bestimmten Prozentsatz an Stimmen anzugeben, ab dem die Partei die Wahl als Erfolg betrachten wurde. Die CHP werde jedoch versuchen, so viele Wahlkreise wie möglich zu erobern.

Kılıçdaroğlu wies Spekulationen über mögliche Wahlbündnisse erneut zurück. Es werde, betonte er jedoch auf Nachfrage durch die TZ, keine Restriktionen für Kandidatinnen geben, die ein Kopftuch tragen. „Wenn sie sich als Kandidatinnen eignen, warum nicht? Es gibt kein Hindernis.“

Auf die Frage, ob sich die CHP für schlimme Ereignisse der Vergangenheit, etwa für Dersim, entschuldigen solle, antwortete Kılıçdaroğlu, die CHP zur Zeit der Einparteienherrschaft wäre nicht die heutige CHP gewesen. Damals hätten auch Adnan Menderes, Ismet Inönü oder Hasan Polatkan zur CHP gehört. Historiker sollen die damaligen Ereignisse untersuchen, nicht Politiker. Die CHP habe sich für nichts zu schämen. Selbst zu Zeiten der Einparteienherrschaft hätte es kein so angsterfülltes Klima, keinen solchen Druck oder keine solche Gesetzlosigkeit gegeben wie jetzt unter der AKP-Regierung. Für Dersim solle der Staat sich entschuldigen, nicht die CHP.