Connect with us

Politik

„Russkiy Krim?“: Referendum zur Abspaltung hat begonnen

Spread the love

Die Bevölkerung der Autonomen Krimregionen wird heute über die Angliederung der Region an die Russische Föderation abstimmen. Es wird allgemein mit einem klaren „Ja“ zum Ausscheiden aus dem ukrainischen Staatsverband gerechnet. (Foto: reuters)

Published

on

Die Bevölkerung der Autonomen Krimregionen wird heute in einem Referendum über die Angliederung der Region an die Russische Föderation abstimmen.
Spread the love

Das Referendum über den künftigen Status der Halbinsel Krim und der Stadt Sewastopol hat am Sonntagmorgen begonnen. Die Einwohner haben zwischen einer Erweiterung der Vollmachten der Region im Bestand der Ukraine und einem Beitritt zur Russischen Föderation zu wählen. Die Krim zählt 1,515 Millionen und Sewastopol 305 000 Stimmberechtigte.

Auf den Stimmzetteln des Referendums stehen zwei Fragen in drei Sprachen – Russisch, Ukrainisch und Krim-Tatarisch: „Sind Sie für eine Wiedervereinigung der Krim mit Russland mit den Rechten eines Subjekts der Russischen Föderation?“ und „Sind Sie für die Wiedereinführung der Verfassung der Republik Krim von 1992 und für den Status der Krim als eines Teils der Ukraine?“

Die Behörden der Krim erwarten eine Beteiligung von mehr als 80 Prozent. Laut bisherigen Umfragen unterstützen mehr als 90 Einwohner der Halbinsel den Beitritt zur Russischen Föderation. Erste Berichte von russischen Sendern sprechen von langen Warteschlangen vor den Abstimmungslokalen.

Auf der Krim und in Sewastopol haben sich mehr als 800 Journalisten und mehr als 180 Beobachter aus 23 Ländern registrieren lassen. Neben Personen mit lauteren Absichten befinden sich unter diesen auch solche, die den Aufenthalt dafür nutzen, um Self-Promotion zu betreiben, wie der Euronationalist und Rechtsextremist Luc Michel, der sich bei dieser Gelegenheit dem Sender „Russia Today“ als Interviewpartner andiente.

Die endgültigen Abstimmungsergebnisse sollen am Montagmorgen bekannt gegeben werden.

Ist internationale Anerkennung für eine Souveränität erforderlich?

Die pro-russische Führung der Krim hat die ukrainische Halbinsel zum unabhängigen Staat erklärt. Was aber macht einen souveränen Staat aus? Im Völkerrecht werden diese meist nach der von dem Staatsrechtler Georg Jellinek entwickelten Drei-Elemente-Regel definiert. Sie beschreibt einen politisch und rechtlich organisierten Personenverband (Staatsvolk), der auf abgegrenzter Fläche (Staatsgebiet) einer Bevölkerung eine eigene Ordnung (Staatsgewalt) gibt.

Beim Staatsgebiet ist keine genaue Grenze erforderlich, es genügt ein unstrittiges Kernterritorium. Für ein Staatsvolk reicht ein Mindestmaß an Zugehörigkeitsgefühl; ethnische oder sprachliche Einheitlichkeit ist nicht Bedingung. Staatsgewalt bezeichnet die Fähigkeit einer Regierung, eine Ordnung effektiv zu organisieren und nach außen von anderen Staaten unabhängig zu handeln.

Das Völkerrecht schließt auch die Sezession (Abtrennung) von Gebieten nicht aus. Dabei steht das Selbstbestimmungsrecht der Völker im Konflikt mit der garantierten territorialen Integrität des bisherigen Gesamt-Staates. Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurden ihre früheren Teilrepubliken souveräne Staaten.

Nach herrschender Meinung im Völkerrecht muss die Existenz eines Staates nicht zwingend durch andere Länder anerkannt werden. Zu den international kaum anerkannten Staaten gehören die mit russischer Hilfe von Georgien abgetrennten Gebiete Abchasien und Südossetien. Westliche Länder haben eine Anerkennung des Referendums von vornherein kategorisch ausgeschlossen. Kritiker werfen ihnen dafür Doppelzüngigkeit vor, da im Falle der Unabhängigkeitsbestrebungen früherer Teilrepubliken der Sowjetunion oder der Sozialistischen Föderativen bzw. späteren Bundesrepublik Jugoslawien die territoriale Integrität von Staaten im Westen eine ungleich geringere Rolle bei der Beurteilung der Frage der Anerkennung gespielt hatte.

Historisch wechselvolles Schicksal der Krim

Die Krim hat historisch gesehen eine wechselvolle Geschichte hinter sich: Nach Feldzügen gegen die Türken am Schwarzen Meer eroberte die deutschstämmige Zarin Katharina die Große 1783 das Krim-Khanat der Tataren. Der Marinestützpunkt Sewastopol wurde gegründet, die Ansiedlung von Russen in dem neuen Kolonisierungsgebiet begann.

Im Kampf Russlands gegen das Osmanische Reich 1853-1856 stellten sich französische und britische Truppen auf die Seite der Türken. In dem dreijährigen Krimkrieg wurden bis zu 200 000 Menschen getötet. Es starben mehr Menschen an Vernachlässigung und Krankheit als im Kampf. Die als „Engel von Sewastopol“ bekanntgewordene Krankenschwester Florence Nightingale begründet dort die moderne Krankenpflege.

Gegen Ende des Ersten Weltkrieges besetzten deutsche Truppen von April bis November 1918 die Krim. Anschließend war die Halbinsel im russischen Bürgerkrieg Basis der „Weißen“ im Kampf gegen die „Roten“, die russischen Revolutionäre. 1921 gliederten die Bolschewiki die Krim als autonomes Gebiet der russischen Sowjetrepublik an.

Im Zweiten Weltkrieg begann nach Hitlers Überfall auf die UdSSR eine 29 Monate lange deutsche Besatzung der Krim. Nach der Rückeroberung wurden von Mai 1944 an mindestens 200 000 Krimtataren wegen angeblicher Kollaboration mit den Deutschen deportiert. Auch etwa 5000 Krim-Deutsche werden vertrieben, deren Vorfahren zum Teil unter Katharina dort angesiedelt worden waren. Die brutalen Vertreibungsmaßnahmen Stalins sind mit der Hauptgrund, warum die Krimtataren über die Aussicht, wieder von Moskau aus regiert zu werden, außerordentlich beunruhigt sind.

Bereits 1992 erste Sezessionstendenzen

Zum 300. Jahrestag der Vereinigung von Russen und Ukrainern machte der in der Ukraine aufgewachsene Kremlchef Nikita Chruschtschow die mehrheitlich von Russen bewohnte Krim zu einem Teil der Ukrainischen Sowjetrepublik.

Unter Parteichef Michail Gorbatschow wurde den Krimtataren 1988 die Rückkehr in die Heimat erlaubt, bis zu 250 000 kamen zurück.

Als 1991 die Sowjetunion zerfiel, erklärte die Ukraine im August ihre Unabhängigkeit. Moskau und Kiew hatten zuvor gegenseitig ihre Grenzen anerkannt. Im Dezember bestätigten 90 Prozent der Ukrainer in einem Referendum die Souveränität, auch auf der Krim gibt es eine Mehrheit.

Bereits 1992 verhinderte die Regierung in Kiew verhindert ein von pro-russischen Kräften angestrebtes Referendum über die Unabhängigkeit der Krim. Als Zugeständnis wurde eine Autonome Republik mit weitreichenden Rechten innerhalb der Ukraine eingerichtet.

1997 schlossen Kiew und Moskau ein Abkommen zum Verbleib russischer Marineeinheiten in Sewastopol, das nicht zum Autonomiegebiet gehört. Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch vereinbarte 2010 mit Moskau, dass der 2017 ablaufende Pachtvertrag zur Stationierung der russischen Schwarzmeer-Flotte um 25 Jahre verlängert wird. Die nach dem Umsturz installierte proeuropäisch-nationalistische Übergangsregierung wollte diesen vorzeitig beenden. (RIA Novosti/dpa/dtj)