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Kolumnen

Mevlüde Genç, eine Mutter der Bundesrepublik

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1993 passierte ein Schrecken in Solingen, unweit von Köln und Düsseldorf. Nazis ermordeten fünf Türken, darunter drei Kinder und eine Jugendliche. Eine ganze Familie lebte seither kein normales Leben mehr. Kein Tag bis heute konnte den Angehörigen helfen zu vergessen.

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1993 passierte ein Schrecken in Solingen, unweit von Köln und Düsseldorf. Nazis ermordeten fünf Türken, darunter drei Kinder und eine Jugendliche. Eine ganze Familie lebte seither kein normales Leben mehr. Kein Tag bis heute konnte den Angehörigen helfen zu vergessen.

Ich weiß nicht, ob es einen größeren Schmerz für eine Mutter geben kann und was mit dem menschlichen Verstand nach so einem Schrecken passiert. Den Verstand zu verlieren jedoch, wäre vielleicht sogar das „normalste“ auf der Welt.

Nun haben wir eine Mutter, am Rande der Wirklichkeit, jenseits des Ertragbaren – eine Mutter in Flammen umzingelt, ihre mütterlichen Schutzinstinkte in diesen Flammen versperrt und fünf ihrer Kinder sterben vor ihren Augen auf die grausamste Art. Andere Kinder kämpfen monatelang ums Überleben. Ein Bangen. Keine Möglichkeit zum Verarbeiten. Eine Mutter steht da, am Tag null und alle Welt schaut zu. Was wird sie tun?

Wer kann es so einer Mutter übel nehmen, wenn sie eine Fackel in die Hand nimmt und die ganze Welt anzündet, um ihren Schmerz zu tilgen? Vielleicht wäre so eine Reaktion für viele das „normalste“ auf der Welt.

Und wir haben sie, ein Geschenk des Himmels, es hätte jeden anderen treffen können und beliebig anders hätte die Reaktion aussehen können. Und wir haben sie. Mevlüde Genç. Sie hat das Schicksal 93 getroffen und mit ihr zusammen eine wundervolle Familie.

„Nach 1993 ist meine Welt zusammengebrochen. Meine Tränen habe ich nicht gezeigt. Aber ich habe gesehen, dass die Menschen in Frieden und Freundschaft weiterleben müssen. Deshalb habe ich sie zu mehr gegenseitiger Freundschaft, Friede und Liebe eingeladen. Das war in dieser Situation meine große Aufgabe. Dessen war ich mir bewusst.“ sagt Mevlüde Genç. Für dieses Bewusstsein, diese Stärke und diesen Mut kann man sich bei ihr nur bedanken und es passiert viel zu wenig.

Das türkische Konsulat erinnert sich an Mevlüde Genç wenn der Jahrestag naht. Politiker erinnern sich an sie, wenn Wahlkampf ist. Journalisten, wenn der Jahrestag kommt. Die Stadt erinnert sich an 1993, wenn es um Integrationsthemen geht. Keiner schätzt sie gebührend wert. Dabei verdient  der unnachahmbare Einsatz von Mevlüde Genç und ihrer Familie einen Titel, den die ganze Nation kennen muss. Sie könnte als „Die Mutter der Bundesrepublik“ in die Geschichte eingehen. In Zeiten des wachsenden Rechtsextremismus in Deutschland und in Europa wäre das möglicherweise ein geeignetes Denkmal in den Herzen einer gesamten Bevölkerung. Das Potential für Frieden, welches Mevlüde Genç 1993 unmittelbar nach dem Mordanschlag abgerufen hat, ist noch lange nicht ausgeschöpft, denn diese kraft speist offensichtlich aus einer göttlichen Inspirationsquelle. Anders kann ich es mir nicht erklären.

Mevlüde Anne, eine Mutter der Bundesrepublik Deutschland.