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Politik

Türkei: 16 Polizeichefs ausgetauscht, 1000 Polizisten zwangsversetzt

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Die Bemühungen der Regierung in Ankara, eine angebliche, gegen sie gerichtete Verschwörung im Inneren des Staates zu bekämpfen, weiten sich aus. Mittlerweile ist die Zahl der darob versetzten Polizeibeamten vierstellig. (Foto: iha)

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Türkische Polizisten
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Die türkische Regierung hat am Dienstag in der Hauptstadt Ankara fast 350 Polizisten zwangsversetzt. Die Beamten gehörten Abteilungen an, die sich mit dem Kampf gegen Terrorismus, Schmuggel und Korruption beschäftigen, meldete die Nachrichtenagentur Anadolu. Nach unbestätigten Berichten sollen dabei allein 80 Polizeichefs von ihren bisherigen Aufgaben entbunden worden sein. Insgesamt sollen in den vergangenen Wochen etwa 1000 Polizisten zwangsversetzt worden sein. In der Nacht zum Mittwoch wurden zudem Polizeichefs in 16 Provinzen ausgetauscht, darunter in Ankara, Izmir und Antalya.

Die Versetzungen stehen offenbar in direktem Zusammenhang mit den im Dezember 2013 bekannt gewordenen Korruptionsermittlungen gegen Spitzenbeamte, Geschäftsleute und Personen aus dem Umfeld der Regierungspartei AKP. Auch Söhne mehrerer Minister aus den Reihen der AKP waren festgenommen worden, ohne dass die Regierung von Premierminister Recep Tayyip Erdoğan zuvor informiert worden war. Eine solche Informationspflicht bestand gesetzlich allerdings nicht. Polizisten, die in die Ermittlungen involviert waren, waren lediglich dem Staatsanwalt gegenüber rechenschaftspflichtig, der die Ermittlungen leitete. In weiterer Folge traten mehrere Minister von ihren Posten zurück. Erdoğan bildete daraufhin sein Kabinett um.

Regierung soll sich auf Geheimdienstdokumente stützen

Bei den Korruptionsermittlungen geht es unter anderem darum, ob die staatliche Halkbank gegen Zahlung von Schmiergeld dabei geholfen hat, mithilfe von Goldtransfers die internationalen Sanktionen gegen den Iran zu unterlaufen. Gefolgsleute Erdoğans machen vor allem eine angebliche Verschwörung von ausländischen und innertürkischen Mächten für die Enthüllungen verantwortlich.

„Akşam“ zufolge soll eine Liste mit etwa 2000 Namen wichtiger Polizisten, Richter, Staatsanwälte, Verwaltungsbeamter, Geschäftsleute und Journalisten existieren, die Teil dieses „parallelen Staatssystems“ gewesen sein sollen. Dies soll der Geheimdienst herausgefunden haben – immerhin steht dieser ja im Verdacht, seit 2004 gezielt bestimmte Gruppen ausspioniert zu haben, deren Loyalität gegenüber der alten Militärjunta und/oder der AKP-Regierung in Frage gestanden haben soll. Angebliches Ziel der Verschwörung: die Regierung stürzen. Die meisten der Betroffenen werden verdächtigt, der Hizmet-Bewegung anzugehören.

Die seit Beginn der Ermittlungen ihrer Ämter enthobenen Beamten würden nun Bürgermeister bewachen, den Verkehr regeln oder irgendwo in der Provinz am Schreibtisch sitzen. In jedem Fall ist es die größte Umstrukturierung in der türkischen Polizei seit langem.

Vizepremierminister Beşir Atalay erklärte, es gebe keinerlei Listen, Erdoğan habe also auch keine Namen vorgelegt bekommen. Zu einer Entlassungswelle kam es trotzdem.

HSYK nimmt seinerseits Ermittlungen auf

Am Dienstag wurden weitere Fälle bekannt. Unter den jüngsten 78 versetzten Polizeibeamten befinden sich die Chefs der Abteilungen für Bekämpfung des Schmuggels und der Organisierten Kriminalität in den Provinzen Kilis, Sakarya und Bolu. Darüber hinaus wurden 30 Beamte der Staatsschutzabteilung in der Polizeidirektion Bursa und 45 Beamte aus dem Bereich öffentliche Sicherheit in der Polizeidirektion Istanbul versetzt.

Der Hohe Rat der Richter und Staatsanwälte (HSYK) – ein Kontrollorgan – nahm indessen Ermittlungen gegen einen neu eingesetzten Polizeichef von Istanbul auf. Auch gegen einen Istanbuler Staatsanwalt, der die Ermittlungen wegen Korruption geführt und dann von der Aufgabe abgezogen worden war, wurde ein Verfahren eingeleitet. Das Gremium hatte das Eingreifen der Regierung Erdoğan in die Arbeit der Justiz kritisiert und dann vom neuen Justizminister Bekir Bozdağ einen Maulkorb verpasst bekommen. (dpa/SpOn/Today’s Zaman/dtj)