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Politik

„Mit dem Stolz der Türkei spielt man nicht. Eher lasse ich mich erschießen“

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Wie fühlt es sich an, wenn man zusammen mit dutzenden Landsleuten Geisel der Terrororganisation IS ist? Die freigekommenen Geiseln berichten über die Geiselhaft, ihre Entführer und den außergewöhnlichen Mut des türkischen Generalkonsuls. (Foto: dha)

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Immer mehr Informationen über die Geiselhaft der am 20. September freigekommenen Türken werden bekannt. In einer von Hürriyet Daily News veröffentlichten Meldung vom Samstag hieß es, einer der Befreiten habe berichtet, der türkische Generalkonsul Öztürk Yılmaz (Foto) habe sich während seiner Geiselhaft geweigert, IS-Forderungen zu erfüllen.

„Unser Generalkonsul steckte in großen Schwierigkeiten. Zwei oder drei Mal haben sie (die IS-Geiselnehmer) versucht ihn dazu zu zwingen, eine Stellungnahme (vor der Kamera) abzugeben, indem sie ihm eine Pistole an den Kopf hielten. Aber obwohl er eine Waffe auf sich gerichtet sah, hat er nicht getan, was sie von ihm verlangten“, sagte einer der Befreiten dem Fernsehsender CNN-Türk an Bord des Flugzeugs, dass die befreiten Geisel von Şanlıurfa nach Ankara brachte.

„Sie setzten uns vom ersten Tag an unter Druck, uns filmen zu lassen, aber unser Generalkonsul entgegnete ihnen: ‚Ihr könnt mich erschießen, aber ich werde es euch nicht erlauben, mit dem Stolz der Türkei zu spielen.’ Und riskierte damit sein Leben“, sagte der ebenfalls freigekommene Derviş Öztürk gegenüber CNN-Türk. Ein weiteres Mitglied der ehemaligen Geiseln, Alptekin Esirgün, bestätigte die Aussage von Öztürk: „Er hat keine (IS-) Stellungnahme verlesen, trotz der Tatsache, dass sie ihm eine Waffe an den Kopf hielten. Er ist mit der Situation gut umgegangen.“

IS versteckte Geiseln in Häusern geflohener irakischer Christen 

Der Generalkonsul sagte bei seiner Ankunft in Ankara: „Gestern war mein Geburtstag. Ich hatte gehofft dass ich (ihn) so Gott es will in der Türkei feiern kann. Wir standen aufrecht, wir haben nie die Hoffnung verloren. Es gibt keinen Schmerz, den man für sein Land nicht ertragen kann. Ich habe niemals etwas bereut. Ich werde diese Erfahrung immer mit mir tragen, (und zwar) voller Stolz.“

Auch in Bezug auf die Bedingungen, unter denen die Geiseln leben mussten, werden nun immer mehr Details bekannt. Der Sicherheitsbeamte Alparslan Yel, der ebenfalls zur Gruppe der Geiseln gehörte, sagte Hürriyet Daily News zufolge, dass die türkischen Geiseln im Vergleich zu den anderen Geiseln des IS besser behandelt wurden, weil sie Muslime seien. „Es war dennoch nicht angenehm für uns, weil draußen ein Krieg tobte“, sagte er gegenüber der Anadolu Nachrichtenagentur. CNN-Türk fragte eine der freigekommenen Geisel, ob sie während ihrer Gefangenschaft Misshandlungen oder Folter ausgesetzt waren: „Sicherlich, so etwas ist vorgekommen.“

Die eigenen Angaben zufolge als Köchin im Konsulat in Mossul beschäftigte Fatma Köksal äußerte sich gegenüber Hürriyet Daily News über die Zeit als Geisel des IS. Sie sagte, dass die Gruppe der türkischen Geiseln zuletzt in einem Haus festgehalten worden sei, in dem zuvor eine christliche Familie gewohnt hätte. Als die Terrororganisation im Juli die Stadt Mossul überrannte, flohen Zehntausende Menschen aus der Stadt, darunter auch viele irakische Christen, die den Terror des IS fürchteten. Medienberichten und Zeugenaussagen zufolge markierten IS-Kämpfer nach ihrer Machtübernahme die Häuser der in der Stadt verbliebenden Christen mit dem arabischen Buchstaben (‏ن‎) „Nūn“ (Anfangsbuchstabe des Arabischen Wortes für Christen: naṣārā).

 „Sie haben uns nicht schlecht behandelt“

„Wir haben mindestens acht oder neun mal unseren Aufenthaltsort gewechselt. Wir waren in einem leerstehenden Haus eines Christen. Letzte Nacht haben sie uns nach Syrien gebracht“, sagte Köksal. Auf ihre Geiselnehmer angesprochen, sagte sie: „Sie haben uns nicht schlecht behandelt. Wir hatten zu keinem Zeitpunkt Angst. Sie haben uns wie ihre Gäste behandelt.“ Dennoch schien Köksal sichtlich erleichtert über ihre Ankunft zu sein. „Ich habe acht Jahre für das Konsulat gearbeitet. Jetzt gehe ich in den Ruhestand. Ich werde niemals wieder in den Irak zurückkehren.“

Die ehemalige Köchin machte auch Angaben zu der eigentlichen Geiselnahme durch IS-Kämpfer in Mossul. Sie sagte, die Gruppe sei am Tag ihrer Geiselnahme nicht über die Lage informiert gewesen. Als dann eine Gruppe von Männern vor dem Konsulat auftauchten und sich Zugang verschafften, seien sie als Geiseln genommen worden. „Sie sagten, sie würden uns nicht weh tun.“

Viele der freigekommenen Geiseln wollten sich gegenüber den Medien mit der Begründung, von offizieller Seite gebeten zu sein, nicht über die Ereignisse zu sprechen, nicht äußern.