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Gesellschaft

Türkei: Politik nimmt sich der Gewalt gegen Frauen an

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Häusliche Gewalt betrifft in der Türkei Frauen aus allen Schichten. Zum Auftakt der Parlamentskommission zur Erforschung von Gewalt gegen Frauen wurde nun ein Konsens über die Zusammenarbeit über Parteigrenzen erzielt. (Foto: zaman)

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Türkisches Parlament
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Eine parlamentarische Kommission zur Erforschung der Ursachen für Gewalt gegen Frauen ist zum ersten Mal zusammengetreten, wobei erst einmal geklärt werden soll, wer überhaupt zu diesem Thema angehört werden soll. Unter den als heranzuziehende Personen oder Vereinigungen vorgeschlagenen Expertenpools befinden sich unter anderem solche aus der LGBTI-Community. Abgeordnete der Regierungsparteien und der Opposition im Ausschuss haben sich bereits während des ersten Treffens darauf verständigt, dass das Thema der Gewalt gegen Frauen „über der Politik“ stehe.

Im Rahmen der Sitzung anwesend waren unter anderem Hasret Kara und Arzu Boztaş, die als Opfer schwerer Gewalttaten in der Öffentlichkeit bekannt geworden waren. Karas Ehemann stach 43-mal mit einem Schraubenzieher auf sie ein, nachdem sie die Scheidung begehrt hatte. Boztaş, die mit 15 Jahren verheiratet worden war und Mutter von sechs Kindern ist, verlor ein Bein, nachdem ihr Ehemann ihr in alle Gliedmaßen geschossen hatte – ebenfalls, nachdem sie die Scheidung wollte.

Unter den Gruppen, die geladen werden sollten, um über Frauenrechte zu sprechen, waren auch NGOs, die sich mit Frauenthemen oder solchen der LGBTI-Community befassen, darunter LGBTI, KAOSGL, „Pembe Hayat“ (Pinkes Leben) oder „Kırmızı Şemsiye“ (Roter Regenschirm).

Noch immer unzählige Fälle tödlicher Gewalt gegen Frauen

Gewalt gegen Frauen ist in der Türkei ein schwer wiegendes Problem. Zahlreiche Frauen werden jedes Jahr von Ehemännern, Partnern oder Familienmitgliedern ermordet. Seit im Jahr 2012 das Gesetz zum Schutz der Familie und zur Verhinderung von Gewalt gegen Frauen eingeführt worden war, wurden in der Türkei fast 700 Frauen getötet. 217 Tötungsdelikte dieser Art, meist so genannte „Ehrenmorde“ wurden demnach im Jahr 2012 begangen, 189 wurden im Jahr 2013 gezählt und 287 weitere in den ersten zehn Monaten des Jahres 2014.

Das Problem der Gewalt gegen Frauen ist nicht allein in bildungsfernen Schichten präsent, sondern betrifft auch Frauen mit höheren Ausbildungsgraden. Eine jüngste Umfrage des Projekts „Geschäftsleute gegen häusliche Gewalt“ (BADV) ergab, dass 75% der befragten Frauen in so genannten „White-Collar-Jobs“ und mit Universitätsabschluss angaben, sie wären mindestens einmal in ihrem Leben bereits Opfer von physischer oder verbaler Gewalt geworden.

Häusliche Gewalt ist indessen kein auf Frauen beschränktes Problem. Die damalige Ministerin für Familie und Sozialpolitik, Fatma Şahin, plante beispielsweise Anfang 2013 die Eröffnung eines Männerhauses in Istanbul. „Es gibt Männer, die Gewalt ausgesetzt sind. Einige wenden sich an unser Ministerium oder an die Sicherheitskräfte, um Schutz vor häuslicher Gewalt zu erhalten. Wir planen nun, eine Unterkunft in Istanbul zu eröffnen, die offen ist für von ihren Frauen misshandelte Männer“, erklärte Şahin damals.