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Politik

Der postmoderne Putsch vom 28. Februar und die „Diktatorenlehrlinge“

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In seinem Gespräch mit der Zeitschrift „Aksiyon“ berichtet Mehmet Bican, der frühere Tansu-Çiller-Pressesprecher, über die Umstände der Geschehnisse vom 28. Februar 1997, die als postmoderner Putsch in die Geschichte eingingen. (Foto: cihan)

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Der postmoderne Putsch vom 28. Februar und die „Diktatorenlehrlinge“
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In der Türkei begann im Jahre am 28. Februar des Jahres 1997 eine sogenannte „psychologische Operation“. Diese war der Ausgangspunkt des später als „postmoderner Putsch“ bezeichneten Versuches, die Regierung zu stürzen und umfasste sowohl den politischen als auch den administrativen, rechtlichen und sozialen Bereich des Landes.

Als der Kalender den 13. Juni 1997 zeigte, herrschte im Lande Verwirrung. Es hieß, dass der Putsch jederzeit kommen könnte. Die Warnungen waren so ernsthaft, dass einige Zeitungen bereits Sonderseiten vorbereitet hatten, in denen über einen bereits vollzogenen Putsch berichtet wurde. Es wird sogar berichtet, dass Tausende von Zeitungen, nachdem es am Ende doch keinen Putsch gegeben hatte, weggeworfen wurden.

Mehmet Bican, der kürzlich mit der Zeitschrift „Aksiyon“ gesprochen hat, bestätigt die Vorwürfe aus erster Hand. Bican war der Presseberater Tansu Çillers, der 2007 aus dem Kanzleramt direkt in Rente ging. Er führt die oben genannten Vorwürfe auf zwei Namen zurück: Der erste Name sei jener der Vizekanzlerin Çiller, der zweite Name laute Akın İzmiroğlu, er war der Kabinettschef. Als İzmiroğlu über die Verschwendung der Zeitungen erzählte, deutet er an, dass Çiller die Intervention verhindert hätte. Çiller hätte die US-Regierung angerufen und versichert, dass sie im Falle eines Putsches das Amt des Regierungschefs einnehmen würde.

Ob es am Anruf Çillers lag, ist unbekannt – Fakt ist, tatsächlich hatten die Zeitungen am 14. Juni über Warnungen seitens der US-Regierung berichtet. Zum Beispiel wies die Schlagzeile der „Milliyet“ auf „die Botschaft der USA zur Krise“ hin. Die US-Außenministerin Albright hatte damals folgende Aussage gemacht: „Wir haben ausdrücklich mitgeteilt, dass, egal was passiert, man nicht von der verfassungsmäßigen Ordnung abweichen sollte.“

Der Versuch der selbsterfüllenden Prophezeiung

Wenn man zwei Tage zurückblickt, ist zu erkennen, dass die Schlagzeilen den Putsch fast schon heraufbeschworen. Die Schlagzeilen der Zeitungen waren eindeutig, Hürriyet titelte „Wenn es nötig ist, werden wir Gebrauch von Waffen machen“; Cumhuriyet: „Wenn es nötig ist, werden wir uns mit Waffen schützen“; Radikal: „Wenn es nötig ist, dann mit Waffen“. Wobei sechs Monate zuvor Hürriyet noch die Schlagzeile „Diesmal sollte die Angelegenheit von den unbewaffneten Kräften geklärt werden“ benutzt hatte. Später wurde offenbar erkannt, dass der Marinekommandant Admiral Güven Erkaya der „Oberbefehlshaber“ war, der diese Information an Ertuğrul Özkök weitergeleitet hatte.

Die Aussage „Wenn es nötig ist, werden wir Gebrauch von Waffen machen“ war beim ersten Mal auch von Çevik Bir, den stellvertretenden Generalstabschef, an die gleiche Person gerichtet worden. Die Veränderung der Tonart illustriert, was es mit dem 28. Februar auf sich hatte. Dabei verlief doch alles entsprechend der ursprünglichen Planung. Die Aufgabe, die den unbewaffneten Kräften, zunächst einmal den Medien, Universitäten und Gewerkschaften zugedacht war, wurde mehr als erfüllt.

Die Hintergründe dieser Entwicklung lassen sich auch nachvollziehen: Man konnte von den „Karacılar“ unter der Führung von Çevik Bir nicht behaupten, dass sie sehr weltoffen oder erfahren gewesen wären. Als der Kalte Krieg vorüber war, gab es keine realistische Aussicht mehr, vom Ausland allzu große Unterstützung oder gar Beteiligung im Falle einer Intervention zu erwarten. Die Erklärung der USA konnte man dahingehend deuten, dass „die unbewaffneten Kräfte die Situation unter Kontrolle bringen sollen“. Nach dem 14. Juni kehrte man auch wieder in diesen Kreis zurück. Dieses Hin und Her hatte im Hinblick auf die Dynamik auch eine Konsequenz. Und die war entscheidend.

Entweder Putsch oder in den Ruhestand

Çevik war jener Kommandant, der mit der Außenwelt am meisten in Kontakt stand. Dass er die Kontrolle verlieren würde, galt als unvorstellbar. Seine Karrierepläne hatten ihn jedoch so sehr mitgerissen, dass er die Gefahren nicht mehr richtig erkennen konnte. Sein Ehrgeiz war so groß, dass er zum Übermut wurde. Die reguläre Abfolge der Durchwanderung der Diensthierarchie hätte für ihn den vorzeitigen Ruhestand bedeutet. Eine Möglichkeit, diese Folge zu umgehen, war ein Putsch. Das, was für ihn eine Chance bedeutete, war für diejenigen eine schlechte Nachricht, die nach ihm auf die Einnahme seines Rangs warteten. Vielleicht war dieser Kampf um die Kaderränge aber die Bestimmung der Türkei. Denn wenn man sich spätere Interventionsbemühungen ansieht, sind fast die gleichen Muster zu erkennen.

Auch Çetin Doğan, der Initiator des Balyoz-Putschversuches und Şener Eruygur, der Urheber des „Ayışıgı“-Putschplanes, sind mit ähnlichen Motiven vorgegangen. Yaşar Büyükanıt und İlker Başbuğ, welche „Sarıkız“ und „Ayışıgı“ nicht unterstützt hatten und aus diesen Gründen mal als Verräter bezeichnet und mal mit Verständnis behandelt wurden, hatten, genau wie Hüseyin Kıvrıkoğlu, aus der gleichen emotionalen Haltung heraus gehandelt.

Der Traum eines jeden Handwerkerlehrlings in Anatolien ist es, seinen eigenen Laden zu gründen. In den Reihen der türkischen Streitkräfte träumt hingegen anscheinend jeder vom eigenen Putschplan. Das legen zumindest die gefundenen Dokumente nahe.

Autoreninfo: Bülent Korucu ist Chefredakteur der türkischen Zeitschrift „Aksiyon“, die wöchentlich erscheint.