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Panorama

Ein syrischer Astronaut in Istanbul: Der lange Weg des Muhammed Faris

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Als erster syrischer Astronaut wurde Muhammed Faris in seiner Heimat verehrt. Als in Syrien der Bürgerkrieg ausbrach, musste er fliehen. Heute lebt Faris in Istanbul – als Flüchtling.

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Syrischer Astronaut Mohammed Faris
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Als Muhammed Faris vom dunklen Weltall aus auf die Erde blickte, sah er die ganze Schönheit des Planeten. Er konnte die einzelnen Kontinente und sogar sein Heimatland Syrien erkennen, aber keine Grenzen. Als erster syrischer Kosmonaut – wie man Astronauten im Ostblock nannte –  flog Faris am 22. Juli 1987 in den Weltraum, wo er sieben Tage, 23 Stunden und vier Minuten verbrachte. Nach seiner Rückkehr wurde er in Syrien zum Nationalhelden, nach dem Schulen und Straßen benannt wurden. Heute lebt der Raumfahrer als Flüchtling in der türkischen Metropole Istanbul.

„Als ich vor vier Jahren gesehen habe, was für Morde das Assad-Regime begangen hat, habe ich beschlossen, mein Land zu verlassen, um der Welt zu berichten, was in Syrien passiert“, erzählt der 64-Jährige. Er blieb in Istanbul, weil er in der Nähe seines Volkes sein wollte – und weil ihm die türkische Kultur vertraut ist. „Istanbul erinnert mich an meine Heimatstadt Aleppo“, sagt Faris.

Von hier aus engagiert er sich für demokratischen Wandel in Syrien, hält Vorträge über die Raumfahrt und unterrichtet an Universitäten. Nach Deutschland zu fliehen sei für ihn aus diesem Grund nie in Frage gekommen, sagt er. Obwohl sein Sohn Mir (deutsch: Frieden) – benannt nach der russischen Raumstation – in Bonn lebt.

„Wenn man da draußen ist, erkennt man, wie wertvoll das Leben ist“

Jeden Freitag hält Faris einen Vortrag im Planetarium im Istanbuler Stadtteil Eyüp. Hier werden Astronomiekurse für Kinder angeboten. Das Interesse an den Veranstaltungen für Schüler von der Grundschule bis zum Gymnasium sei sehr groß, sagt Naime Sarul vom Ali Kuşçu Uzay Evi (Ali Kuşçu Weltraum-Haus). „Die Kinder sind begeistert, wenn Muhammed Faris von seinen Erfahrungen im Weltall erzählt. Sie stellen ihm Fragen zum Sonnensystem und zu den Planeten“, berichtet Sarul. „Gerade Gymnasiasten sagen uns danach, dass sie an der Universität Astronomie studieren wollen oder sogar auch in den Weltraum fahren wollen.“

In Faris‘ einfachem Büro in Fatih, dem „Klein-Syrien“ von Istanbul, erinnert nur noch ein Ölgemälde an die Reise des Kosmonauten ins All. Doch wenn Faris vom Weltraum erzählt, scheint er die Gegenwart zu vergessen. „Wenn man da draußen ist, erkennt man, wie wertvoll das Leben ist. Man fängt an zu glauben, dass die Menschheit das Schönste ist, was auf dieser Welt existiert“, sagt er.

1985 wurde Faris als einer von vier Syrern in einem langwierigen Verfahren für das sowjetische Trainingsprogramm „Interkosmos“ ausgewählt. Nach zwei Jahren Ausbildung und weiteren Tests wurde er 1987 als erster und bis heute einziger syrischer Kosmonaut ins All geschickt.

Als er nach sieben Tagen auf die Erde zurückkehrte, kannte jeder in Syrien Muhammed Faris. „Ich war sehr glücklich, dass ich meinen Traum erfüllt habe und für mein Land ins Weltall gegangen bin. Überall lag eine festliche Stimmung in der Luft und ich habe in den Augen der Menschen Liebe und Bewunderung gesehen“, erinnert er sich.

„Im Weltall habe ich eine Welt ohne Grenzen gesehen“

Der Kosmonaut gab sein Wissen über die Raumfahrt an Schulen und Universitäten weiter, bis im Frühling 2011 die Menschen in Syrien auf die Straßen gingen. „Ich war Zeuge der Demonstrationen. Anfangs waren das friedliche Proteste für mehr Freiheit und eine bessere Zukunft der Kinder“, berichtet Faris. Bald danach bricht der Bürgerkrieg aus. Im Sommer 2012 flieht der Raumfahrer wie viele andere Syrer mit seiner Familie in die Türkei.

Wenn Faris erzählt, ist ihm anzumerken, wie sehr ihn das Schicksal seiner Landsleute schmerzt. „Die Syrer würden ihr Land niemals freiwillig verlassen. Sie lieben ihr Land. Aber im Angesicht der Bomben versuchen sie, ihre Kinder in Sicherheit zu bringen.“

Dass die EU die Grenzen schließt, macht ihn traurig. „Im Weltall habe ich eine Welt ohne Grenzen gesehen. Deshalb bedaure ich es, wenn Staaten die Augen vor den menschlichen Grundbedürfnissen der Flüchtlinge verschließen“, sagt der Kosmonaut. „Denn nichts auf dieser Welt ist so wertvoll wie die Menschen.“ (dpa/ dtj)