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Politik

Hass- und Boykottkampagne der AKP soll vor den Internationalen Strafgerichtshof

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In einer 24-seitigen Eingabe an den ICC in Den Haag fordert der türkische Geschäftsmann Kani Kudu einen Prozess gegen die AKP-Regierung. Diese habe seiner Ansicht nach Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verantworten. (Foto: reuters)

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Der türkische Geschäftsmann Kani Kudu hat eine Strafanzeige beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag eingereicht. Er will mehrere Mitglieder der derzeit regierenden Adalet ve Kalkınma Partisi (Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung; AKP) und den langjährigen türkischen Premierminister und jetzigen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan mithilfe seines Anwalts İsmail Yanar vor den Internationalen Strafgerichtshof bringen, weil diese sich seiner Auffassung nach des Völkermordes und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht hätten.

Auch die Verantwortlichen für andere staatlich gesteuerte Institutionen, wie der Fernsehsender TRT, und die Chefredakteure von der Regierung kontrollierter oder regierungsfreundlicher Medien sind Gegenstand der Sachverhaltsdarstellung.

Die Vorwürfe beziehen sich unter anderem auf den Tod von 34 kurdischen Zivilisten bei Uludere im Jahre 2011, die fälschlicherweise für PKK-Terroristen gehalten und mit einem Kampfflugzeug angegriffen wurden, des Weiteren auf die harte Vorgehensweise der Regierung bei den Gezi-Protesten im Sommer 2013 sowie auf den „rücksichtslosen Krieg“ der türkischen Regierungsverantwortlichen gegen die Hizmet-Bewegung.

Der Angriff von Uludere sei nach offiziellen Angaben ein Versehen gewesen, das auf fehlerhaften Geheimdienstangaben beruhte. Es handelte sich tatsächlich jedoch nur um Schmuggler, die zum Zwecke des Schwarzhandels die nordirakische Grenze überqueren wollten. Gegen die Verantwortlichen für den Angriff kam es in der Türkei nie zu einem Prozess. Kudu will nun die Anklage Erdoğans wegen des Todes der kurdischen Zivilisten erreichen.

„Erdoğans Rhetorik trug in Gezi zur Eskalation bei“

Erdoğan und dem damaligen Innenminister Muammer Güler soll – so Kudu – darüber hinaus der Prozess wegen des Todes von sechs Zivilisten und zwei Sicherheitsbeamten, Mehmet Ayvalıtaş, Abdullah Cömert, Ethem Sarısülük, Ali İsmail Korkmaz, Mustafa Sarı, Ahmet Küçüktağ, Ahmet Atakan und Berkin Elvan gemacht werden, die im Zuge der Krawalle am Rand der Gezi-Proteste ums Leben gekommen waren. Der Petition zufolge habe Erdoğan durch seine Titulierung der Demonstranten als „Vergewaltiger“, „Vandalen“, „Barbaren“, „Schwachsinnige“ und „Verräter“ die Eskalation herbeigeführt.

Auch die Repressionsmaßnahmen der AKP-Regierung gegen die Hizmet-Bewegung, die infolge der Korruptionsermittlungen gegen Politiker und Geschäftsleute im Umfeld der Regierung im Dezember 2013 einsetzten, sind Gegenstand der Petition.

Erdoğan hatte die zivilgesellschaftliche Bewegung, die durch den derzeit in Pennsylvania (USA) lebenden Islamgelehrten Fethullah Gülen inspiriert ist, vorgeworfen, ein Komplott gegen seine zunehmend autoritäre Regierung geplant und umgesetzt zu haben. Daraufhin hatte die AKP-Regierung tausende Polizei- und Justizbeamte im Zuge einer Säuberungsaktion versetzt oder ihrer Ämter enthoben.

Zudem habe die Regierung dauerhaft versucht, im In- und Ausland die Schließung von Bildungseinrichtungen der Hizmet-Bewegung zu veranlassen, indem sie den Botschaften Anweisungen gab, diesbezüglich bei den Landesregierungen vorstellig zu werden. Zudem habe die Regierung illegal Daten über Schulen, Kulturzentren und Finanzdienstleister im Umfeld der Bewegung beschafft, um auf dieser Basis gegen sie vorgehen zu können. Erdoğan verdächtigte die Bewegung, ohne Beweise zu liefern, einen „Parallelstaat“ gebildet zu haben. Daraufhin war und ist die Bewegung öffentlichen Hassreden, Übergriffen, Verfolgung und Diskriminierung ausgesetzt. Erdoğan ordnete eine „Hexenjagd“ gegen Anhänger und Institutionen der Bewegung an.

Medial gestützte Hass- und Boykottkampagnen

Die Hizmet-Schulen seien zudem in einem bewussten Akt der Diskriminierung von Zuwendungen seitens der Regierung ausgeschlossen worden, die auf Grund jüngster legislativer Änderungen alle Privatschulen in der Türkei erhalten sollten. Darüber hinaus habe Erdoğan versucht, die Insolvenz der Hizmet-nahen Finanzeinrichtung Bank Asya herbeizuführen.

In Hasskampagnen, die über Regierungsmedien geführt wurden, habe die Regierung außerdem AKP-Bürgermeister dazu aufgefordert, Mitgliedern von Hizmet-nahen Einrichtungen öffentliche Dienstleistungen und Angebote zu verweigern. „Gebt ihnen nicht mal Wasser“, hatte Erdoğan erklärt. Darüber hinaus hat der jetzige Staatspräsident bei Wahlveranstaltungen die Hizmet-Bewegung dämonisiert, indem er ihre Anhänger unter anderem als „Assassinen“, „Terroristen“, „Marionetten“, „Perverse“, „Blutsauger“, „Häretiker“ oder „Putschisten“ bezeichnete.

Auf diese Weise, so die Petenten, habe die AKP-Regierung das Römische Statut des ICC verletzt, der für die Ahndung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne von Art. 2 der Völkermordkonvention von 1948 zuständig ist. Das Vorgehen der Regierung und ihr Versuch, die Mitglieder einer bestimmten Gruppe zu vernichten, würde alle Tatbestände, die dort genannt seien, erfüllen, heißt es in dem 24-seitigen Schriftstück. Als Beweismittel wurden UN-Resolutionen, Medienberichte und Zeugenaussagen angeführt.

Der ICC kann nicht gegen Staaten, sondern nur gegen Einzelpersonen vorgehen. Er kann auf Grund des Antrags eines Staates, des UN-Sicherheitsrates oder im Falle der Empfehlung der Kammer auch auf Grund von Eingaben von Privatpersonen oder NGOs tätig werden.

In der Strafanzeige werden folgende Personen aufgelistet:

Recep Tayyip Erdoğan (Staatspräsident), Ahmet Davutoğlu (Ministerpräsident), Bülent Arınç (stellvertretender Ministerpräsident), Süleyman Soylu (stellvertretender AKP-Vorsitzender), Şamil Tayyar (AKP-Abgeordneter), Minister (alte und neue): Efkan Ala, Nabi Avcı, Bekir Bozdağ, Muammer Güler, Zafer Çağlayan, Egemen Bağış, Akif Çağatay Kılıç, Hakan Fidan (Leiter des türkischen Nachrichtendienstes MİT), die Gouverneure Hüseyin Avni Mutlu und Muammer Erol, Selami Altınok (Polizeipräsident von Istanbul), Kadir Topbaş (Oberbürgermeister von Istanbul), Ali İnci (Bürgermeister von Hendek/Sakarya), Kemal Öztürk (Generaldirektor der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu), Mukim Öztekin (Leiter der Bankaufsichtsbehörde BDDK), Temel Kotil (Vorstandsvorsitzender der Fluggesellschaft Turkish Airlines) sowie Hamdi Topçu (Geschäftsführer von Turkish Airlines).

Außerdem sollen sich Verleger und Chefredakteure folgender Medien vor dem Internationalen Strafgerichtshof verantworten: Sabah, Akşam, Star, Takvim, Güneş, Yeni Akit, Yeni Şafak, A Haber, Ülke TV, ATV, Kanal 7, Sky 360, Kanal 24 und Beyaz TV.