Connect with us

Gesellschaft

Die Zeit heilt nicht alle Wunden

Spread the love

22 Jahre nach den Ausschreitungen gegen Asylbewerber soll in Hoyerswerda wieder eine Unterkunft für Flüchtlinge entstehen. Die Debatte, welche die Stadt in der Oberlausitz aufs Neue heimsucht, zeigt, dass die Zeit nicht alle Wunden heilt. (Foto: reuters)

Published

on

Asylanten in Bulgarien, Harmanli - reuters
Spread the love

Noch bevor Solingen und Rostock-Lichtenhagen das Licht der Öffentlichkeit auf die rechtsextreme Szene nach der deutschen Wiedervereinigung lenkten, griff ein rechtsradikaler Mob in Hoyerswerda Asylbewerber an. Im September 1991 wurden bei Angriffen auf zwei Wohnheime für Flüchtlinge und Vertragsarbeiter 32 Menschen verletzt.

Sicherheitskräfte eskortierten die Opfer der Angriffe ins Umland. Der Hass hatte gesiegt. Die Kleinstadt in der Nähe der polnischen Grenze wurde zu einem ersten Sinnbild für die rechtsextremen Ausschreitungen Anfang der 1990er-Jahre.

Ausgerechnet Hoyerswerda

Ausgerechnet in dieser Stadt sollen nun wieder Flüchtlinge eine Heimat finden. Doch wie sollen Menschen, die auf der Flucht waren, ihre Familien für ein besseres Leben verließen und auf dem Weg dorthin traumatische Erfahrungen machen mussten, dort zur Ruhe kommen?

Wegen des Anstiegs der Asylbewerberzahlen in Deutschland und der sich daraus ergebenden Verpflichtung der Länder, einen Teil derselben aufzunehmen, hat der Landkreis Bautzen beschlossen, eine ehemalige Förderschule in Hoyerswerda in eine Unterkunft für Flüchtlinge umzubauen. Mitte Januar ziehen die ersten Asylbewerber bereits ein.

Noch bevor der erste Flüchtling die Stadt betritt, ist eine Debatte um das schwierige Erbe des 35 000 Einwohner zählenden Ortes entfacht. „1991 soll sich nicht wiederholen“, beteuert Oberbürgermeister Stefan Skora (CDU) in der Süddeutschen Zeitung. Doch er weiß, dass die rechten Ressentiments im Osten Sachsens nicht verschwunden sind.

Bürgerinitiative versus NPD

Im nur zwei Autostunden entfernten Schneeberg demonstrierten Mitte November hunderte Anwohner gemeinsam mit der NPD gegen den geplanten Bau eines Asylbewerberheims. Mit einem sogenannten „Fackellauf“ beschworen sie eine gespenstische Stimmung in der mittelalterlichen Stadt herauf. Die NPD schaffte es früher als Bürgerinitiativen, die Verwirrung der Anwohner für sich zu nutzen und gegen Ausländer zu hetzen.

Das soll in Hoyerswerda nicht passieren. Denn Skora erkennt in der Einrichtung des Flüchtlingsheims eine Chance. Hoyerswerda könne nun beweisen, dass es das Stigma der Wendejahre abgeschüttelt hat. Erst Anfang November hatte der Stadtrat den genauen Standort eines Denkmals beschlossen, das an die Opfer von 1991 erinnern soll.

Die NPD wird zwar im Landtagswahljahr 2014 zweifellos weitere Proteste gegen Asylbewerberheime organisieren, doch in Hoyerswerda ist man zuversichtlich, dass die rechten Ausschreitungen der Vergangenheit angehören.

Ein Tag der offenen Tür, ein Bürgerforum und eine Hotline zum Thema sollen die Bedenken der Bürger von Hoyerswerda beseitigen. Eine Bürgerinitiative sorgt, anders als in Schneeberg, für Dialog. Ein Begegnungstreffen der Bewohner des Heims und der Anwohner soll zudem Berührungsängsten entgegenwirken.