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Politik

Türkische Jugendliche aus Deutschland werden gezielt nach Syrien gelockt

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Auch unter türkischen Einwandererkindern versuchen so genannte „Djihadisten“ Fuß zu fassen und muslimische Jugendliche zu radikalisieren. Das BAMF hat eine Beratungsstelle für betroffene Angehörige eingerichtet. (Foto: reuters)

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In Syrien tobt der Krieg unvermindert weiter.
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Für den Münchener Harun P. ist es zu spät. „Nach den bisherigen Ermittlungen reiste der zuletzt in München wohnhafte Beschuldigte Harun P. Ende September 2013 nach Syrien, wo er sich spätestens im Dezember 2013 der militant-djihadistischen Gruppierung ‚Junud Al-Sham‘ anschloss. Er soll eine Kampfausbildung absolviert und ein Schnellfeuergewehr erhalten haben. Anschließend soll er zunächst für Wachdienste eingesetzt worden sein. Am 1. April 2014 wurde der Beschuldigte am Flughafen in Prag festgenommen und alsbald nach Deutschland überstellt. Der Generalbundesanwalt hat die Ermittlungen am 22. April 2014 übernommen.“  So hieß es in der Pressemitteilung der Bundesgeneralanwaltschaft.

Der Generalbundesanwalt habe am 23. Mai 2014 beim Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs einen Haftbefehl gegen den 26-jährigen deutschen Staatsangehörigen Harun P. erwirkt. Er ist dringend verdächtigt, sich als Mitglied an der ausländischen terroristischen Vereinigung „Junud Al-Sham“ beteiligt zu haben. Zudem wirft ihm die Bundesanwaltschaft gemeinschaftlichen Totschlag und eine versuchte Anstiftung zum Mord vor. Der Beschuldigte wurde am 2. Juni 2014 dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt, der den Haftbefehl vom 23. Mai 2014 gegen ihn ausgestellt hatte. Harun P. befindet sich derzeit in Untersuchungshaft.

Die Zahl der jungen Menschen in Deutschland, die sich durch Anwerbung radikaler Gruppierungen am Bürgerkrieg in Syrien beteiligen, steigt stetig an. Laut den Angaben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr sind aktuell 320 „Djihadisten“ aus Deutschland ins syrische Kampfgebiet ausgereist, um sich aktiv an Kampfhandlungen zu beteiligen oder den Widerstand gegen das Assad-Regime auf andere Weise zu unterstützen. Wie hoch der Anteil türkischstämmiger Personen an der Gesamtzahl der nach Syrien ausgereisten Menschen ist, ist ungewiss. Sicher ist aber, dass aus Bayern etwa 30 Personen, darunter etwa die Hälfte türkischer Herkunft, ins Kriegsgebiet aufgebrochen sind.

Syrischer Bürgerkrieg als Universität des Terrorismus

Auf der einen Seite riskieren sie ihr Leben, da sie keine Kriegserfahrung haben und das Gebiet nicht kennen und auf der anderen Seite stellen sie für die Innere Sicherheit Deutschlands wiederum eine große Gefahr dar, weil, wie das bayerische Innenministerium bekannt gibt, ca. 100 der nach Syrien ausgereisten „Djihadisten“ wieder nach Deutschland zurückgekehrt sind. Auf unsere Frage, welche Gefahr von den zurückgekehrten Extremisten ausgeht, teilt das Ministerium folgendes mit: „Gewaltbereite islamistische Terroristen sind unverändert eine große Gefahr für die Innere Sicherheit Deutschlands.

Durch die im Kampf gewonnene Erfahrung im Umgang mit Sprengstoffen und Waffen stellen vor allem die Rückkehrer selbst in Bezug auf gewaltbereite Aktionen innerhalb Deutschlands ein unkalkulierbares Risiko dar. Das Erlebte im Kriegs- bzw. Krisengebiet kann sich zusätzlich radikalisierend bzw. traumatisierend auf Personen auswirken. Insbesondere seit 2009 verzeichnen die Sicherheitsbehörden einen signifikanten Anstieg solcher Reisebewegungen – mit weiter steigender Tendenz.“

Über die Entwicklungen ist auch Nükhet Kıvran, die Vorsitzende des Ausländerbeirats München, verärgert. Für sie sind diese Taten „unverständlich“. Sie stellt die Frage in den Raum, was diese Jugendliche dazu treibe, in ein für sie fremdes Land zu gehen und ihr Leben dort aufs Spiel zu setzen, und machte dafür die Eltern und die Gesellschaft verantwortlich. „In meinen Augen sind die an erster Stelle stehenden Faktoren das Bildungssystem und die Gesellschaft, die diese Jugendlichen offensichtlich nicht so umarmen konnte, wie es ein Vaterland hätte tun sollen. Einen abschließenden Blick allerdings möchte ich auch auf die muslimische Gemeinde, insbesondere die türkische, werfen und auf deren Versagen in der Aufklärung und im Auffangen dieser Jugendlichen! Jetzt kann sofortiges Reagieren vielleicht noch diese jungen Menschen retten, aber nur, in dem man dieses Problem nicht auf den jeweils anderen hin- und herschiebt, sondern dieses als eigenen Fehler angeht“, stellte die selbstbewusste Vorsitzende des Ausländerbeirats fest.

Rat und Hilfe für betroffene Angehörige

In diesem Zusammenhang stellt sich in der Tat die berechtigte Frage, wie man es verhindern kann, dass sich diese jungen Menschen radikalisieren, dann ins Kampfgebiet ausreisen und danach unsere Sicherheit hier im Lande bedrohen. In Anbetracht der Situation hat beispielsweise das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vor zwei Jahren die „Beratungsstelle Radikalisierung“ eingerichtet. Die Aufgabe dieser Beratungsstelle besteht darin, die Bürger zu informieren und zu beraten,  deren Angehörige sich radikalen Gruppen angeschlossen haben.

Die Beratungsstelle Radikalisierung ist unter der Telefonnummer (0911) 943 43 43 oder per Email unter [email protected] zu erreichen. Es ist vor allem auch notwendig, die Eltern frühzeitig über die Gefahren der Radikalisierung und radikaler Gruppen zu informieren. „Im Sommer 2014 wird eine Broschüre veröffentlicht, die speziell auf häufige Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Salafismus eingeht und Ansprechpartner für Rat und Hilfe benennt. Einer effektiven Prävention von Radikalisierungstendenzen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen kommt angesichts der aktuellen Entwicklungen in Syrien ein rasch wachsender Stellenwert zu“, betont das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr.

Denn sowohl den Eltern als auch den engen Bezugspersonen, z.B. in der Schule und im Freundeskreis, obliegt eine wichtige Aufgabe, um entsprechende Entwicklungen frühzeitig erkennen zu können.

Bremen will „Djihadisten“ die Wiedereinreise verweigern

Unterdessen will nun Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) nach Syrien ausgereisten sogenannten „Gotteskriegern“ die Wiedereinreise nach Deutschland verweigern. Dies meldet die Nachrichtenagentur KNA. „Gelingt es uns nicht, bei Ausreisewilligen rechtzeitig die Pässe einzuziehen, dann müssen wir dafür Sorge tragen, dass diese Leute nicht wieder nach Deutschland einreisen und zu einer lebensbedrohlichen Gefahr für alle anderen werden“, sagte er am Dienstag bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2013 für Bremen. Dies sei etwa durch Ausweisung des Betroffenen möglich oder durch das Erlöschen des Aufenthaltstitels, weil der Ausländer zu lange im Ausland gewesen sei.

Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes seien in den vergangenen Monaten zehn junge Männer aus Bremen nach Syrien ausgereist, um dort zu kämpfen, sagte Mäurer. Einer davon sei getötet worden. „Salafisten, die aus solchen Kampfgebieten in die Bundesrepublik zurückkehren, haben schlimmste Gräueltaten erlebt oder gar selbst dran teilgenommen.“ Bei manchen von ihnen existierten keinerlei Hemmungen mehr, Menschen zu töten. Als Beispiel für eine solche Entwicklung nannte Mäurer den Fall des mutmaßlichen vierfachen Mörders aus Brüssel, Mehdi Nemmouche.

Der Innensenator warnte vor einem Erstarken des Salafismus in Bremen. Dieser habe „eine hohe Anziehungskraft vor allem auf junge Muslime“. Derzeit gebe es in Bremen 360 Anhänger der Salafisten. Sie verkehrten vor allem im „Islamischen Kulturzentrum Bremen“ (IKZ) und im „Kultur- und Familienverein“ (KuF). Beide Vereine würden vom Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) beobachtet.