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Politik

Pilatus, sind deine Hände jetzt rein?

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Manche Persönlichkeiten haben über ihre Lebenszeit hinaus eine symbolische Bedeutung. Pontius Pilatus steht fast seit zwei Jahrtausenden für Menschen, die sich zwischen Macht und Recht, Schuld und Unschuld, Gewissen und Ruhm entscheiden müssen.

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Ekrem Dumanli
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GASTBEITRAG Pontius Pilatus hat sich bis zuletzt gewährt, sich an dem Unrecht zu beteiligen. Im Inneren war er bei den zu Unrecht Unterdrückten. Er wollte die stürmischen Tage überwinden, indem er schwieg. Jedoch schützte seine distanzierte Haltung nicht davor, eine klare Entscheidung treffen zu müssen.

Diejenigen, die eine schreckliche Hetzkampagne gegen Jesus und seine Freunde führten, wollten Pilatus an ihre Schuld beteiligen. Auch das System in Rom forderte dies. Seine Aufgabe war es, das Urteil für die Hinrichtung zu unterzeichnen. Die Peiniger hatten das Todesurteil für Jesus ausgesprochen und forderten nun von ihm, dieses abzusegnen. Er selbst glaubte jedoch nicht an die Schuld von Jesus. Während Pilatus auf dem Richterstuhl saß, ließ ihm seine Frau, die einen Traum gesehen hatte, ausrichten: „Lass die Hände von diesem Mann, er ist unschuldig. Ich hatte seinetwegen heute Nacht einen schrecklichen Traum.“

Der römische Statthalter in Jerusalem wollte keine Schuld auf sich nehmen. Er stellte Jesus mit der Absicht Fragen, ihn freizusprechen. Die Antwort auf seine Frage, „Was ist die Wahrheit?“ war genauso eine Antwort und er sagte: „Ich sehe diesen Mann nicht als schuldig.“

Urteil stand schon vorher fest

Jedoch hatten die Herrschenden das Recht außer Kraft gesetzt und Jesus, ohne ein Gerichtsurteil einzuholen, längst für schuldig befunden. Entweder würde Pilatus sein Amt niederlegen oder sich an dem Verbrechen beteiligen.

Er fand ein Vorwand und verschob die Hinrichtung. Sein Ziel war es, dafür zu sorgen, dass einige Tage vergehen und laut Ostertradition das Volk den unschuldigen Propheten freispricht. Die Hinrichtung zu verschieben gelang ihm auch am Ende.

Leider haben die Massen ihr Recht, eine Person freizusprechen, nicht für Jesus eingesetzt, sondern für den Räuber Barabbas. Hatte der ehrenvolle Prophet nicht so viel Wert wie ein Verbrecher?

Mittels schwarzer Propaganda war es ihnen gelungen, das Volk gegen Jesus aufzustacheln. Den ungebändigten Massen war nicht klar, welch ein Unrecht sie taten. Die Menschen schrien wie verrückt. Sie wollten Jesus, den Sohn Marias, am Kreuz sehen.

Pilatus übersah eine historische Tatsache: Auch die Propheten vor Jesus haben sich gegen die Mehrheit gestellt und waren Zielscheibe furioser Massen. Das zeigt jedoch nicht, dass sie im Unrecht waren.

Um Jesus vor der Lynchkampagne zu retten, unternahm Pilatus noch einen Versuch. Er schlug vor, Jesus mit der Bedingung, dass er verbannt wird, freizulassen. Doch die angesehenen Religionsgelehrten wehrten sich mit dem Argument, dass der Wille des Volkes sofort ausgeführt werden müsse.

Gewissensbisse und Schuldgefühle

Pilatus ging es um sein Amt. Er konnte dem Druck nicht mehr standhalten und fügte sich der wütenden Koalition, die sich vom jeglichen Recht entfernt hatte. Der Rest der Geschichte ist bekannt: Sei haben den wertvollen Propheten verspottet, ausgepeitscht, geschlagen und anschließend, jemand anderen, den sie für Jesus hielten, gekreuzigt.

Pilatus hatte nun das unschuldige Blut eines Propheten an den Händen. Sie verursachten bei ihm Schuldgefühle. Er verlangte von seinen Leuten einen Krug und einen Schüssel und wusch sich vor den Augen der verwundert blickende Masse seine Hände. Er sagte dabei: „Ich wasche meine Hände in Unschuld.“

Es gibt Hinweise dafür, dass diese Redewendung bereits im antiken Griechenland und in der alten jüdischen Tradition, im Sinne von „Ich trage keine Schuld“ existiert. Die Wendung „seine Hände in Unschuld waschen“ wird jedoch bis heute mit dem Namen Pilatus in Verbindung gebracht und hat eine tiefe symbolische Bedeutung bekommen. Viele Künstler haben inspiriert von Pilatus‘ Haltung Gemälde gemalt, auf dem ein Gouverneur, der sich die Hände wäscht, zu sehen ist.

Eigentlich steht Pilatus für jeden, der sich in einer Zwickmühle befindet. Er steht für diejenigen, die obwohl sie Unrecht sehen, schweigen und für diejenigen, die den Mächtigen dem der im Recht ist bevorzugen und sich dementsprechend positionieren. Er arbeitet mit den Ungerechten zusammen, um sein Amt und seinen über Jahre erarbeiteten Reichtum und Ruhm nicht zu verlieren.

Macht oder Recht?

Aus seiner Sicht hatte Pilatus berechtigte Gründe für seine Haltung: Jedoch hatte er sich mitschuldig gemacht, ein ungerechtes Urteil unterzeichnet und ging somit als Mörder in die Geschichte ein.

Pilatus! Du hättest keine Angst haben sollen. Die Folge war, dass du dir Ausreden ausdachtest. Das war dein Fehler!

Despoten und Unterdrücker suchen immer nach Mitschuldigen, damit die ganze Schuld nicht allein auf ihren Schultern lastet.

Schaut euch doch den teuflischen Plan an, den sich die Gegner Muhammads, die ihn ermorden wollten, in der Nacht der Auswanderung von Mekka nach Medina ausgedacht hatten: „Lasst uns aus jedem Stamm einen Mann nehmen und jeder von ihnen soll gleichzeitig mit dem Dolch zuschlagen, so dass sein Blut unter den Stämmen aufgeteilt ist.“

Die Psychologie eines jeden Despoten ist immer die gleiche: Sie suchen Mitschuldige. Das, was den Unterdücker verzweifeln lässt, sind diejenigen, die sich an dem Unrecht nicht beteiligen wollen. Diese sieht er als Verräter, erklärt sie zum Renegat. Sein Ziel ist es, bei der ersten Gelegenheit auch sie zu bestrafen. Er fühlt sich nur erst dann wohl, wenn alle sich an seiner Schuld beteiligt haben.

Pilatus!

Lass dich nicht von deinen Errungenschaften und deinen Titeln erniedrigen! Glaub es mir, jeden Satz, den du mit „Ich bin derjenige, der…“ beginnst, schließt der Satan mit einem Punkt ab.

Sätze die du mit

„Ich bin ein Gelehrter ohne Vergleich…

Ich bin ein unschätzbarer Intellektueller, der….

Ich bin ein Geschäftsmann, der Respekt genießt…“

beginnst, mögen dir als objektiv erscheinen und du glaubst, dich von der mühseligen Prüfung befreit zu haben. Du täuscht dich!

Schwülstige Sätze helfen in einem Umfeld der Unterdrückung nicht, um sein Gewissen zu reinigen. In Zeiten der Unterdrückung und Ungerechtigkeit reinigt sich das Gewissen mit dem was es tut, nicht damit, was es unterlässt zu tun.

Die umayyadischen und abbasidischen Sultane, die große muslimische Gelehrte unterdrückt haben, sind längst gestorben und Vergangenheit geworden. Aber die unschuldigen, zu Unrecht geschundenen Gelehrten, sind aus der Zeit des Leidens erhobenen Hauptes hervorgegangen und haben ihren verdienten Platz in den Herzen bis in alle Ewigkeit eingenommen.

Pilatus!

Als du deine Hände wuschst, dachtest du vielleicht auch, die Blutflecken an deinem Gewissen gereinigt zu haben. Du hast dich getäuscht! Sicherlich hast du wie Lady Macbeth bis in die tiefe Nacht hinein deine Hände mehrmals gewaschen; jedoch konntest du dich von dem nicht sichtbaren Blut nicht befreien. Die Schreie der Leidenden haben jeden Tag dein Herz durchbohrt und du hast an jedem Morgen im Zwiegespräch aufgeschrien: „Ich hab den Schlaf umgebracht; den Schlaf, der den Schmerz lindert und dem Menschen Seelenfrieden gibt“. Jesus ist wie ein Vogel gen Himmel weg. Weg aus unseren Reihen geflogen. Deine Hände jedoch sind nie reingewaschen Pilatus. Denn du hast die Würde des Rechts, des Gesetzes und der Werte nicht wahren können. Du bist unter der Last niederer Absichten zusammengebrochen…

Ekrem Dumanlı ist Chefredakteur der auflagenstärksten türkischen Tageszeitung Zaman.