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Sport

Bei Trabzonspor spielt die Identifikation wieder eine Rolle

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Lange Zeit war Trabzonspor in der Bedeutungslosigkeit untergetaucht, doch seitdem der neue Trainer, der von der inoffiziellen Reservemannschaft des Klubs kam, das Sagen hat, hofft man wieder auf glorreichere Zeiten am Schwarzmeer. (Foto: dha)

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Trabzonspor Spieler nach dem Spiel - dha
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Nach der erfolgreichen Amtszeit der ehemaligen Torwart-Legende Şenol Güneş, der den sechsmaligen türkischen Meister sogar in die Champions League führte, erlebte Trabzonspor in der vergangenen Saison eine miserable Spielzeit. Am Ende freute man sich am Schwarzen Meer sogar noch über einen recht schmeichelhaften neunten Tabellenplatz, weil man im Saisonverlauf hauptsächlich im unteren Tabellenmittelfeld untertauchte und zeitweise sogar den Abstiegsplätzen bedrohlich nahe kam. Selbst ein „Trostpreis“ – der türkische Pokal – wurde im Finale gegen Vizemeister Fenerbahçe verspielt. Der Höhepunkt der Krisensaison war der Rücktritt von Erfolgscoach Şenol Güneş, der keine Perspektive mehr auf eine sportliche Kehrtwende sah. Das Engagement seines Nachfolgers Tolunay Kafkas stellte sich im Nachhinein sogar nur als ein kurzes Intermezzo heraus. Mit dem Amtsantritt des neuen Präsidenten İbrahim Hacıosmanoğlu wurde Mustafa Akçay zum neuen Cheftrainer berufen, der vor allem die Eigengewächse in den Profi-Kader integrierte. Nach anfänglichen Schwierigkeiten ging der Plan sogar auf. Besonders auf europäischer Bühne gibt Trabzonspor aktuell eine gute Figur ab.

„Wer ist eigentlich dieser Mustafa Akçay?“, fragten sich viele Fußballfans in der Türkei zu Saisonbeginn. Selbst in Trabzon selbst war der Name vielen Menschen nicht geläufig. Doch wer sich besonders mit der türkischen zweiten Liga und dem türkischen Pokal in der letzten Saison befasst hat, weiß, dass es sich bei Akçay um einen selbstbewussten Trainer handelt, der für mutigen und konsequenten Offensivfußball steht. So mussten bereits Galatasaray und Fenerbahçe Bekanntschaft mit Akçay machen, der in der Vorsaison 1461 Trabzon – die inoffizielle Reservemannschaft von Trabzonspor – trainierte. Für den türkischen Meister war zuhause gegen 1461 Trabzon im türkischen Pokal sogar Endstation, während Fenerbahçe ebenfalls auf heimischem Geläuf ein Pokal-Gruppenspiel gegen die „Zweite“ von Trabzonspor verlor. Die Siege gegen diese beiden Spitzenklubs blieben nicht die einzigen Erfolge Akçays. Während seiner zweijährigen Amtszeit bei 1461 Trabzon stieg er von der dritten in die zweite Liga auf und beendete die Saison dort auf einem sensationellen dritten Platz. In İbrahim Hacıosmanoğlu hatte er dann seinen größten Befürworter. Hacıosmanoğlu, Trabzonspor-Präsident, verpflichtete ihn gerade einmal einen Tag nach seinem eigenen Amtsantritt als Trainer.

Der „Philosoph“ schaute bei Ajax van Gaal über die Schulter

Akçay, der einen großen Wert auf die Bildung legt und von sich selbst sagt, dass er „nie auslerne“, bekam auch schon den Spitznamen „der Philosoph“. Für den detailverliebten Trainer sind Begriffe wie „Beobachtung“ und „Analyse“ wichtige Elemente, mit denen er tagtäglich arbeitet. Um seinen eigenen Horizont zu erweitern, hospitierte er sogar unter Louis van Gaal bei Ajax Amsterdam. Kein Wunder also, dass er sich aus vollster Überzeugung für die Nachwuchsförderung einsetzt. Seine junge Mannschaft, die in der letzten Saison die Türk-Telekom-Arena und das Şükrü-Saraçoğlu-Stadion stürmte, ist das Sinnbild seines Vertrauens in die jungen Talente. Was aber nun vor allem bei Trabzonspor ins Auge sticht, ist die enorme spielerische Qualität, mit der das neue Team von Akçay zu Werke geht. Zumindest steht man bislang viel besser als in der vergangenen Saison da und konnte sich besonders durch attraktiven Fußball im oberen Tabellendrittel festsetzen.

Unter Akçay macht Trabzonspor seinem Namen alle Ehre

Als letztjähriger Pokalfinalist sicherte sich der Schwarzmeerklub trotz der desaströsen Spielzeit einen Platz in der Qualifikationsrunde für die Europa League, wo im Vorjahr auch schon Schluss war. In dieser Saison setzte sich Trabzon jedoch in allen drei Qualifikationsrunden durch und hat sich auch schon in der Gruppenphase das Ticket für das Sechzehntelfinale gesichert. Ein 4:2-Sieg durch drei Tore von Olcan Adın und einem Treffer von Soner Aydoğdu gegen Apollon Limassol machte das Weiterkommen perfekt. Mit 13 Punkten ist die „türkische Nummer Vier“ sogar Tabellenführer in der Gruppe J und kann sich mit einem Unentschieden im abschließenden Vorrundenspiel auswärts bei Lazio Rom sogar den Gruppensieg sichern. „Für Lazio und uns wird das ein sehr bedeutendes Spiel, da es um den Gruppensieg geht. Ich hoffe, es wird ein faires Spiel. Wir werden, so wie es sich für Trabzonspor gehört, alles geben“, sagt Akçay.

Junger Kader mit Star-Leadern

Der 53-jährige Trainer hat aus dem von der letzten Saison hinterlassenen Scherbenhaufen eine eingeschworene Einheit geformt und setzt dabei auf die richtige Mischung zwischen Jung und Alt. Mit Mehmet Kuruoğlu, Abdullah Karmil, Fatih Öztürk, Caner Osmanpaşa, Abdulkadir Özdemir und Yusuf Erdoğan stufte er sofort sechs talentierte Spieler von 1461 Trabzon zum Profikader von Trabzonspor hoch. Vor allem der junge Flügelflitzer Yusuf Erdoğan (20) gilt als vielversprechendes Talent. Doch der Mannschaft sollte es aufgrund des Jugendwahns nicht an Erfahrung fehlen, deshalb verpflichtete Trabzonspor im Sommer die prominenten Ex-Chelsea-Akteure Florent Malouda und Jose Bosingwa. Neben den beiden Stars glänzen jedoch auch Torwart Onur Kıvrak, der sogar angeblich vom englischen Riesen Manchester United umworben wird, Dribbler Olcan Adın und Trabzonspors Top-Torschütze Paulo Henrique, der in bislang 24 Pflichtspielen in dieser Saison schon 14 Tore verbuchen konnte. Bei Trabzonspor läuft es momentan besonders deswegen, weil die Mannschaft diszipliniert auftritt und die taktischen Anweisungen von Akçay umsetzt. Der Teamspirit ist ihm heilig. So wurden auch schon mit Volkan Şen und Batuhan Karadeniz zwei Störenfriede unbefristet suspendiert.

In Trabzon jedenfalls beginnt man sich mit dieser jungen und aufstrebenden Mannschaft zu identifizieren. Angefeuert von seinen leidenschaftlichen und fanatischen Fans will Trabzonspor insbesondere auf europäischem Terrain weiterhin für Furore sorgen.