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Politik

Militärdiktatur und die Rolle der Medien

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Spiegelten die Medien zu Zeiten Mubaraks primär die Interessen des Machtkonglomerats aus den politisch-militärischen Eliten und ihren Geschäftspartnern wider, sind sie nun zu Verlautbarungsorganen der Militärjunta geworden. (Foto: dpa)

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Ein ägyptischer Polizeibeamter sichert am 29. Oktober 2013 ein Gerichtsgebäude in Kairo ab.
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GASTBEITRAG Die aktuellen Entwicklungen in Ägypten sind ein besonders beunruhigendes Beispiel dafür, welch problematische Rolle die Medien bei der Polarisierung einer Gesellschaft spielen können. Sie halten uns dazu an, über die gesellschaftlichen Funktionen von Medien und deren tatsächliche Anwendbarkeit zu reflektieren. Insbesondere in Ländern politischer Transformation müssen die Medien einen Platz finden zwischen den Interessen ihrer Besitzer und der ihnen in einer idealen Bürgergesellschaft zugedachten Funktion des Mittlers zwischen den Interessen.

In Ägypten sehen wir, dass die Medien diesen Platz (noch) nicht gefunden haben. Schlimmer noch: Sie sind im Moment nicht viel mehr als willfährige Instrumente in den Händen von Wirtschaftsmagnaten und politischen Eliten. So haben sie nicht nur die gegenwärtige Polarisierung in der Gesellschaft reflektiert, sondern auch mit befördert.

Eigentlich hatte Ägypten auch unter Mubarak eine durchaus lebendige Medienlandschaft. Durch in- und ausländischen Liberalisierungsdruck hatte Mubarak bereits seit dem Jahr 2000 private Fernseh- und Radiosender lizensiert und seit 2003 etablierten sich zahlreiche private Zeitungen wie al-Masry al-Youm oder al-Dustur auf dem Markt. Zahlreiche Blogs und Foren in sozialen Medien taten ein Übriges dazu, dass sich in Ägypten eine durchaus pluralistische Medienöffentlichkeit entwickeln konnte.

Mubarak ließ unpolitische Tabubrüche als Blitzableiter zu

Diese Medienöffentlichkeit war selbstverständlich nicht frei: Die Medien in Staatsbesitz hatten klare Tabus und so kamen beispielsweise die Muslimbrüder allenfalls als Schreckgespenst vor, aber niemals wurde ein Interview mit ihnen geführt. Die Chefredakteure privater Medien wiederum wurden immer wieder in Prozesse wegen Verleumdung verwickelt, Gesetze gegenüber Journalisten waren harsch und politisch aktive Blogger wurden öfter verhaftet.

Insbesondere aber die Besitzer privater Medien hatten ein Interesse, sich mit ihren Fernsehsendern und Zeitungen auf dem Markt zu behaupten. Einige versuchten dies mit gänzlich unpolitischen Inhalten und setzten auf Musik und Unterhaltung, andere suchten den Tabu-Bruch und wanderten dabei auf einem schmalen Grat zwischen Verbot und kommerziellem Erfolg. Das Mubarak-Regime brauchte aber diese Ventile, um gesellschaftlichen Druck entweichen zu lassen und ließ deshalb einige Medien als kritische Organe gewähren.

Allerdings erweist sich nun die damals etablierte Struktur hinter diesen privaten Medien als Problem für einen demokratischen Transformationsprozess. Es gibt nämlich nicht nur einen direkten politischen Parallelismus in Ägypten, also eine Verbindung von politischen Fraktionen mit einem Medium. Die Durchschlagskraft und die eindeutige Parteinahme der privat finanzierten Medien ist das Problem. Sie werden zumeist von Wirtschaftsmagnaten betrieben, bei denen sich häufig politische und wirtschaftliche Interessen vermischen.

Eine direkte Verflechtung von Politik, Wirtschaftsinteressen und Medien sehen wir bei dem Führer der Wafd-Partei, Sayed El-Badawi, der über seine Hayat-TV-Gruppe und die eigene Zeitung al-Wafd nicht nur massiv Parteiwerbung macht, sondern auch seine Pharma-Produkte annonciert. Naguib Sawiris ist Telekommunikationstycoon und Gründer der Partei Freie Ägypter in einem. Er steht hinter dem Sender OnTV und hält den Hauptanteil an der bedeutendsten ägyptischen Tageszeitung al-Masry al-Youm.

Wirtschaftsimperien vertrauten Muslimbrüdern nicht

Darüber hinaus haben die Wirtschaftsmagnaten spezifische Eigeninteressen, die zumindest indirekt politische Wirkungsmacht entfalten. Das Mubarak-Regime, in dem die Unternehmereliten eng mit den politischen Eliten verbandelt waren und man wechselseitig voneinander profitiert hat, hatte eine Loyalitätskultur der besonderen Art geschaffen. Loyal verhält man sich demnach gegenüber denjenigen, die die unternehmerischen Handlungsfelder am wenigsten einschränken und die kommerziellen Interessen am besten schützen.

Und auch wenn die Muslimbrüder eigentlich einer neoliberalen Wirtschaftspolitik nicht grundsätzlich entgegenstanden, ist es doch offensichtlich das Militär mit seinen eigenen Wirtschaftsimperien, welches das größere Vertrauen der Wirtschaftsmagnaten hat. Ahmad Bahgat, der Mann, der hinter der 2001 gegründeten Dream-TV-Gruppe steht, hatte bereits seit längerem enge Beziehungen zu den Söhnen Mubaraks und hat nach 2011 Journalisten, die sich kritisch gegenüber der Armeeführung äußerten, entlassen. Auch Mohammed al-Amin, dem neben der Zeitung al-Watan der Sender CBC gehört, gilt als ein Profiteur des Mubarak-Regimes.

Die Parteinahme der von diesen Unternehmern finanzierten Medien für die Armee und den Putsch gegen Mursi und die erneute Dämonisierung und Hetze gegen die Muslimbrüder durch diese Medien zeugen davon, dass Medien noch lange nicht als öffentliches Gut, sondern lediglich als Instrumente einer Interessenartikulation verstanden werden.

Allein, die Muslimbrüder sind nicht unschuldig an der Persistenz und der Verstärkung des Lagerdenkens im ägyptischen Mediensektor: Sie haben mit ihrem Fernsehkanal Misr25, eigenen Zeitungen und einem Netz aus Online-Portalen ebenfalls dezidiert partikularistische eigene Medien hervorgebracht, die viel auf Selbstpropaganda und wenig auf ausgewogene und seriöse Berichterstattung setzten. Durch die offene Parteinahme des von Qatar finanzierten TV-Senders al-Jazeera Misr Mubasher für die Muslimbrüder konnte zudem leicht das Image einer von außen gesteuerten Vereinigung konstruiert werden.

Unter Mursi wurden lediglich Chefredakteursposten umbesetzt

Insbesondere aber haben die Muslimbrüder verpasst, die reichweitenstarken Staatsmedien wie das Fernsehen und die nationalen Zeitungen wie al-Ahram zu reformieren. Auch wenn dies zugegebenermaßen eine Herkulesaufgabe gewesen wäre, so haben die Muslimbrüder doch lediglich versucht, die Medien durch die Benennung neuer leitender Redakteure in Unterstützer der eigenen Politik zu verwandeln, in der Hoffnung, die Balance der gegensätzlichen Lager zu ihren Gunsten zu verschieben. Die Schaffung eines öffentlichen Rundfunks, in dem möglichst viele gesellschaftliche Gruppen repräsentiert sind, wurde nicht angestrebt. Stattdessen kann nun die Übergangsregierung die politische und ideologische Ausrichtung der Staatsmedien wieder nahtlos nach ihrem Gusto anpassen.

Medien brauchen einen klaren gesetzlichen Rahmen, in dem sie als öffentliches Gut verstanden werden und als solches auch von den politischen Eliten respektiert werden. Gleichzeitig müssen innerhalb dieses Rahmens alle Medienproduzenten auch ein Interesse daran entwickeln, ihr Produkt – den Journalismus – als öffentliches Gut zu verstehen und eine professionelle Autonomie gegen Einflüsse politischer Eliten, aber auch gegen die Einflussnahme seitens ihrer Besitzer herauszubilden.

Status quo ante nun auch unter Beteiligung ausländischer Journalisten

Der externe Medienpluralismus, der eigentlich gesund sein sollte für eine Gesellschaft, hat aufgrund fehlender konsensorientierter Einrichtungen wie beispielsweise einem öffentlichen Rundfunk und einer Überhöhung von Partikularinteressen zu einer Polarisierung in Ägypten geführt, die das neue Regime nach dem Putsch mit einer regelrechten Gleichschaltung der Medien durch Abschalten der Gegner beantwortet hat.

Die Schließung von oppositionellen Fernsehsendern und Zeitungen und die Übergriffe gegen ausländische Medien haben bisher keinen nennenswerten Widerstand unter Journalisten und Medienmachern hervorgebracht. Es ist zu hoffen, dass diese die Ereignisse dennoch kritisch zu reflektieren beginnen und ihre in den Umbrüchen 2011 errungene Schlagkraft nutzen, um sich von Partikularinteressen emanzipieren und so zu helfen, die Polarisierung durch eine Reform der Medienstrukturen zu überwinden.

Autoreninfo: Carola Richter ist Juniorprofessorin für Internationale Kommunikation an der Freien Universität Berlin. Sie beschäftigt sich vor allem mit Mediensystemen im Nahen Osten.