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Politik

Agenten und Extremisten als Strippenzieher im Hintergrund?

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Die Türkei ist in Aufruhr. Doch wie konnte es so plötzlich zu so viel Gewalt kommen? Mehrere Festnahmen der Sicherheitskräfte erhärten nun den Verdacht, dass die Türkei Opfer eines gefürchteten Gasts wurde: des Agent Provocateur. (Foto: zaman)

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Agenten und Extremisten als Strippenzieher im Hintergrund?
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Mir ist bewusst, dass die „ausländische Einmischung“ ein sehr heikles Thema ist. Während dieser Aspekt von vielen Menschen als wirre Verschwörungstheorie abgetan wird, versuchen besonders Politiker, immer wieder die Schuld für unangenehme Tendenzen und Geschehnisse auf Kräfte aus dem Ausland zu schieben, um so ein Bild des „inneren Zusammenhalts“ zu konstruieren. Um eins gleich klarzustellen: Dieser Artikel soll weder dazu dienen, die Gewalt auf den Straßen der Türkei zu rechtfertigen – von wem auch immer sie ausgeübt wurde und wird -, noch soll er die Behauptung einiger Politiker stützen, Kräfte aus dem Ausland seien allein für die Eskalation verantwortlich.

Wer dieser Tage als Tourist in Istanbul unterwegs ist, lässt sich die Gelegenheit nicht entgehen und besucht die Zentren des aktuellen Protests. Viele Istanbul-Besucher machten Fotos von fahnenschwenkenden Demonstranten am Taksim-Platz oder suchten Gespräche mit Aktivisten im Gezi-Park.

Ungebetener Gast: Agent Provocateur

Doch glaubt man einigen Medienberichten und den Aussagen der türkischen Sicherheitskräfte, so sind in Istanbul und vielen anderen türkischen Städten derzeit auch ganz andere „ausländische Gäste“ im Getümmel der Demonstranten unterwegs: Agenten und Provokateure.

Als Agent Provocateur bezeichnet man eine Person, die üblicherweise verdeckt im Auftrag eines Staates Dritte zu einer gesetzwidrigen Handlung provozieren soll. Durch die provozierte illegale Handlung soll die eigene Position gestärkt, Spannung in einer Gesellschaft erzeugt oder in der Öffentlichkeit ein Eingreifen eigener Kräfte legitimiert werden.

Auch in Deutschland sind Fälle von eingeschleusten Provokateuren bekannt. Der Fall des Studenten Benno Ohnesorg, der 1967 in West-Berlin vom Polizisten Karl-Heinz Kurras erschossen wurde, erlangte traurige Berühmtheit. Im Jahre 2009 wurde bekannt, dass Kurras inoffizieller Mitarbeiter der Stasi war und Experten gehen heute davon aus, dass Kurras gezielt tötete, um eine Radikalisierung der deutschen Studentenbewegung anzustoßen. In der Türkei sind zwar noch keine Schüsse gefallen, es gibt aber ernstzunehmende Anzeichen für die Existenz von ausländischen Provokateuren.

Iranische Provokateure auf türkischen Straßen?

Die türkische Polizei verhaftete am 4. Juni beispielsweise einen iranischen Staatsangehörigen, dem vorgeworfen wird, auf einigen Demonstrationen in Ankara als Provokateur in Erscheinung getreten zu sein. Die Zeitung „Today’s Zaman“ berichtete, der Mann stehe gleichzeitig im Verdacht, Verbindungen zum iranischen Auslandsgeheimdienst zu haben.

Insgesamt nahm die Türkei im Zuge von Ermittlungen vergangene Woche bereits 15 ausländische Personen fest, die sich an den gewaltsamen Ausschreitungen der vergangenen Tage und Wochen beteiligt haben sollen. Die meisten dieser Personen sind iranische Staatsangehörige.

Im osttürkischen Erzurum wurde vergangene Woche ebenfalls ein Iraner festgenommen, der einen Angriff auf eine Delegation geplant haben soll, die sich im Rahmen des Friedensprozesses nach den Bedürfnissen der der Bevölkerung erkundigen sollte. Die Staatsanwaltschaft von Erzurum sagte, es bestehe der Verdacht, dass der Festgenommene Kontakt zu den iranischen Revolutionsgarden unterhalten habe.

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Linksextremisten und ausländische Provokateure mischen sich unter Demonstranten

Ministerpräsident Erdoğan sagte gegenüber der Presse: „Wir betreiben intensive geheimdienstliche Aufklärungsarbeit (in Bezug auf die Enttarnung ausländischer Einmischung bei den gewaltsamen Protesten). Es ist nicht möglich, die betreffenden Namen zu nennen. Aber wir werden uns mit den jeweiligen politischen Führern treffen.“

Die türkische Regierung beschuldigt darüber hinaus elf illegale, meist linksextremistische Gruppierungen, sich unter die Demonstranten gemischt zu haben und die Proteste für ihre politischen Ziele zu instrumentalisieren.

Verschwörungstheorien sind in der Türkei ein weit verbreitetes Phänomen. Die unterschiedlichsten Gruppen bedienen sich regelmäßig solcher Anschuldigungen und versuchen so bestimmte Personen, politische Bewegungen oder Entwicklungen zu diskreditieren.

Doch dass bei aller Übertreibung oft auch ein wahrer Kern enthalten ist, zeigt die Enttarnung eines iranischen Spionagerings im Jahre 2012. Der türkische Nachrichtendienst konnte die geheimdienstlichen Tätigkeiten von neun Personen – einige davon türkische Staatsangehörige – und eine in Verbindung mit dem iranischen Geheimdienst aufdecken. Den enttarnten Agenten wird vorgeworfen, für den Iran strategische und sensible Daten der Türkei gesammelt und geheimdienstliche Expertise mit der Terrorgruppe PKK ausgetauscht zu haben.

Agent Provocateur gängiges Mittel der Geheimdienste

Die Beziehungen zwischen Ankara und Teheran haben sich besonders auf Grund der gegensätzlichen Position zum syrischen Bürgerkrieg massiv verschlechtert. Der iranische Geheimdienst soll Berichten zu folge schon vor den momentanen Protesten auf verschiedenen Ebenen versucht haben, die Türkei zu infiltrieren. Auch steht Teheran im Verdacht, ein Gegner des Friedensprozesses zur Beilegung des Kurdenkonfliktes in der Türkei zu sein und eine „Geheimdiplomatie“ mit der PKK-Führung zu unterhalten.

Auch auf den jüngsten Demonstrationen in der Türkei könnten solche Personen oder Gruppen zum Einsatz gekommen sein, um kurzfristig eine gewaltsamen Eskalation zwischen Demonstranten und Staatsmacht und mittelfristig eine Polarisierung der türkischen Gesellschaft vor den wichtigen Wahlen der kommenden zwei Jahre zu erreichen.

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Wirkung der Proteste: Verdrängung anderer Ereignisse aus den Schlagzeilen

Auch ist der Zeitpunkt der Krawalle in der Türkei von Bedeutung. Um festzustellen, wer von der Eskalation in der Türkei und der enormem medialen Aufmerksamkeit profitierte, reicht ein Blick in die Rubrik „Auslandsnachrichten“ türkischer und westlicher Medien: Bis vor zwei Wochen noch dominierte der grausame Krieg in Syrien die dortigen Schlagzeilen, was den Druck auf westliche und türkische Politiker erhöhte, endlich aktiv zu werden gegen das syrische Regime. Doch seit der Eskalation in Istanbul scheint das Morden in Syrien aus den Schlagzeilen verschwunden zu sein. Und dies, obwohl sich in Syrien in den vergangenen Wochen entscheidendes zugetragen hat:

Die Truppen des von Teheran massiv unterstützten syrischen Präsidenten Baschar al-Assad konnten in den letzten Wochen Dank der militärischen Unterstützung der libanesischen Hisbollah anscheinend militärisch und strategisch wichtige Siege erringen. So konnte politischer oder gar militärischer Druck von Assad vorerst abgewendet und die nun beschlossene Bewaffnung der Rebellen womöglich verzögert werden.

Berichte: Türkische Polizisten als Provokateure in Ankara

Doch die ausländischen – oder von ausländischen Geheimdiensten gesteuerten – Provokateure sind nur eine Seite der Medaille. In Ankara etwa berichteten verstörte Demonstranten, dass sie verzweifelt versucht hätten, einige offenbar gewaltbereite Individuen in der Menge vom Steine werfen abzuhalten, um weiterhin friedlich demonstrieren zu können. Doch allen Beschwichtigungsversuchen zum Trotz begannen diese Individuen Gegenstände in Richtung der Polizei zu werfen, worauf diese sofort mit aller Härte zurückschlug und die Demonstration mit Wasserwerfern und Tränengas auflöste. Viele der Demonstranten äußerten im Anschluss den Verdacht, die türkische Polizei habe eigene Provokateure in die friedliche Menge eingeschleust, um einen Grund für eine rasche Auflösung der großen und bis dahin friedlichen Kundgebung zu haben.

Der Einsatz von Provokateuren ist in Demokratien meist gesetzlich streng reglementiert, da der Staat sich auf diese Weise als Gesetzesbrecher betätigt und Taten provoziert, die ohne die staatlich gesteuerten Agenten gar nicht begangen worden wären.