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Politik

Spionage: Abhöraktivitäten Deutschlands „normal“

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Neueste Enthüllungen legen nahe, dass das Auffliegen der BND-Spionage gegenüber der Türkei Folge einer US-amerikanischen Retourkutsche sein könnte. Zudem könnte sie schon seit längerer Zeit erfolgen als ursprünglich angenommen. (Foto: cihan)

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Erdogan mit Merkel
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Die Spionagetätigkeit des BND in der Türkei könnte bereits fast vier Jahrzehnte zurückreichen, berichtet der Focus. Die Türkei hatte am 18. August den deutschen Botschafter einbestellt, nachdem bekannt geworden war, dass Berlin die Türkei in einem Regierungsdokument aus dem Jahre 2009 als eines der zentralen Spionageziele definiert hatte.

Dem Focus zufolge soll die deutsche Spionagepraxis gegenüber der Türkei bereits ins Jahr 1976 zurückreichen und das damals im Amt befindliche Kabinett unter dem sozialdemokratischen Bundeskanzler Helmut Schmidt soll diesen Schritt ausdrücklich gutgeheißen haben.

Dem Magazin zufolge habe der BND nach wie vor ein von Arbeitsgruppen der Bundesregierung approbiertes Mandat zur Beobachtung politischer und staatlicher Institutionen der Türkei, darunter des Amts des Premierministers, des Verteidigungswesens und der Außen- und Wirtschaftspolitik. Ein Regierungssprecher verweigerte jedweden Kommentar.

Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ hatte in der Vorwoche über geleakte Informationen berichtet, wonach der BND seit 2009 die Türkei ausspioniert habe. Der deutsche Botschafter in der Türkei, Eberhard Pohl, hatte die Behauptungen in einer Erklärung erst als bloße „Vorwürfe“ bezeichnet, ein ranghoher Offizieller des Außenministeriums hat jedoch einer Journalistin der Hürriyet gegenüber die Richtigkeit der Darstellung des Magazins bestätigt.

Retourkutsche für „scheinheiliges“ Auftreten wegen der NSA-Enthüllungen

Dabei äußerte der Offizielle auch die Vermutung, die USA „könnten“ dem „Spiegel“ die entsprechenden Unterlagen zugespielt haben. Äußerungen dieser Art aus dem Munde eines Offiziellen deuten jedoch stark darauf hin, dass es diesbezüglich gesicherte Erkenntnisse geben dürfte. Ein mögliches Motiv wäre dabei, der deutschen Regierung eine Retourkutsche zu verpassen, nachdem von dort massive Kritik am Verbündeten auf Grund des Inhalts der Offenbarungen des nach Russland geflohenen Ex-NSA-Mitarbeiters Edward Snowden geäußert worden war. Dieser hatte unter anderem aufgedeckt, dass unter anderem sogar das Mobiltelefon der Kanzlerin Merkel überwacht worden war.

Die USA warfen Deutschland dabei unter anderem Scheinheiligkeit vor, da ein nicht unerheblicher Teil der Informationen, die der NSA zur Verfügung standen, aus den Reihen der Partnerdienste wie des BND selbst stammten.

Während die Empörung über die eigene Bespitzelung durch die NSA sehr groß war, wird die Spionagepraxis des BND gegenüber der Türkei allerdings vielfach gerechtfertigt. So meinte der CSU-Abgeordnete Hans-Peter Uhl (München West/Mitte) gegenüber Focus, es gäbe „gute Gründe“ für eine Überwachung der Türkei. Darunter wären die Bekämpfung von Menschenhandel, Drogen oder Terrorismus. „Wir müssen wissen, was seitens des EU-Beitrittswerbers Türkei auf uns zukommt“, so Uhl.

Wer leakte die Informationen über die PKK-Gespräche 2010?

Bezüglich der NSA-Spionage gegen Deutschland hieß es hingegen seitens der Bundeskanzlerin, dass Spionage unter Freunden „in keiner Weise akzeptabel“ wäre. Der „Spiegel“ berichtete, dass der BND auch in Albanien, einem weiteren NATO-Partnerland, spioniert hätte.

Im geleakten Regierungsbericht, aus dem die Spionage hervorgeht, waren unter anderem die Aktivitäten der terroristischen PKK und die europäischen „Djihadisten“ als Begründung genannt worden, warum eine Überwachung notwendig wäre. Gerade ersteres Argument erweckt nun in der Türkei Argwohn. Immerhin hatte es bereits 2010 auf Geheiß Erdoğans erste Friedensgespräche der Türkischen Nationalen Geheimdienstorganisation (MİT) mit Vertretern der PKK in Norwegen gegeben. Diese waren gescheitert, nachdem 2011 Leaks über die Gespräche im Internet aufgetaucht waren.

Es ist jedoch davon auszugehen, dass auch eine Reihe anderer Dienste in der Türkei spionieren, betonte jüngst Innenminister Efkan Ala. Dies sei „normal“. Die zahlreichen Krisen im räumlichen Umfeld der Türkei (von der Ukraine über Syrien bis hin zum Iran) und die Beziehungen des Landes nach Zentralasien und auf den Balkan wecken auch Begehrlichkeiten hinsichtlich des Informationsbedürfnisses. Das Grundprinzip dürfte in jedem Fall sein „Lasst Euch nicht erwischen!“

Dies wird jedoch in einer immer weiter vernetzten Welt, in der Informationen sehr schnell transportiert und damit auch in falsche Hände gelangen können, immer schwieriger.

Überhaupt muten die Reaktionen der Verantwortlichen merkwürdig an. Noch im Dezember machte die Regierung die Hizmet-Bewegung um Fethullah Gülen für die nach den bekannt gewordenen Korruptionsermittlungen aufgekommenen Tonbandaufnahmen verantwortlich, ohne je einen Beweis vorgelegt zu haben. Erdoğan sprach und spricht in diesem Zusammenhang immer noch von einer „Parallelstruktur“ und einem „Putschvorhaben“.