Panorama
Bomberjacke und Springerstiefel – „Das war damals normal, alle jungen Leute hatten das“
Uwe Böhnhardts Vater will von der rechten Gesinnung seines Sohnes nichts mitbekommen haben, berichtet aber von Treffen mit dem untergetauchten Terror-Trio. Am Ende entschuldigt er sich für die Taten seines Sohnes. (Foto: dpa)
Jürgen Böhnhardt (Foto) steht die schwierige Situation im Zeugenstand vor dem NSU-Prozess ins Gesicht geschrieben. Beobachter nehmen den Vater des mutmaßlichen Terroristen Böhnhardt gar als „gebrochenen Mann“ wahr. Doch der Zeuge versteckt sich nicht hinter dem Leid, das ihm sein Sohn eingebracht hat. Er möchte nichts schönreden oder verschweigen, ringt jedoch mit den Worten und Erinnerungen.
Gleichwohl muss er sich die Frage gefallen lassen, warum ausgerechnet sein Sohn ein Terrorist wurde und, viel wichtiger, ob er selbst zumindest eine Teilverantwortung an den Taten des rechten „Terror-Trios“ trage . Vater Böhnhardt sucht nach Antworten. In seiner Zeugenvernehmung ist er auskunftsfreudig und sachlich, redet leise und stockt ein ums andere Mal.
„Böhnhardt wälzt keinerlei Schuld auf Dritte ab“
Der Zeuge stehe selbst ratlos vor der Einwicklung seines Sohnes. „Er schildert die Bemühungen, den Sohn aus diesen Zusammenhängen herauszubekommen und wälzt keinerlei Schuld auf Dritte ab“, sagt Doris Dietbach, die als Anwältin eine Nebenklägerin vertritt.
Seine Frau und Mutter des gemeinsamen Sohnes Uwe, Brigitte Böhnhardt, hatte im vergangenen November die Schuld an der Entwicklung des Sohnes an Andere abgegeben. Sie nannte den Fall der Berliner Mauer und die Perspektivlosigkeit der Wendejahre, neben der Polizei, den Schulen und dem Verfassungsschutz, als Grund für den Lebenswandel ihres Sohnes und handelte sich damit viel Kritik ein.
„Das haben wir damals überhaupt nicht geahnt“
Deutlich reflektierter schilderte Jürgen Böhnhardt seine Sicht der Dinge. Anders als seine Frau gab der 69-Jährige nicht den Behörden oder der Wende eine große Mitschuld an der Entwicklung seines Sohnes. Viel kann Vater Böhnhardt zur Aufklärung der NSU-Mordserie trotzdem nicht beitragen.
Doch es sind die Details und seine persönliche Perspektive, die den vorsitzenden Richter Manfred Götzl interessieren. So schildert der Zeuge, wie sein Sohn bis zur sechsten Klasse „ein ganz normaler Junge“ gewesen sei. Ab diesem Zeitpunkt habe sein Sohn begonnen die Schule zu schwänzen und geriet an falsche Freunde.
Die Wendejahre seien für seinen Sohn nicht einfach gewesen. Er habe angefangen „Autos zu knacken“, sogar ins Gefängnis musste er dafür. Damals hatte Uwe Böhnhardt bereits Kontakt zur rechtsextremen Szene.
Der ehemalige Ingenieur will von den radikalen Ansichten und der rassistischen Gesinnung seines Sohnes zunächst nichts mitbekommen haben. „Das haben wir damals überhaupt nicht geahnt“, sagte er. „Höchstens unterschwellig“ habe Uwe seine Gesinnung durchscheinen lassen. Auch bei der Kleidung seines Sohnes, Bomberjacke und Springerstiefel, habe er sich nichts gedacht: „Das ist zu der Zeit normal gewesen, das haben alle Leute gehabt.“
Drei Treffen mit dem „Terror-Trio“ im Untergrund
Das Elternpaar Böhnhardt scheint in der Retrospektive die Radikalisierung ihres Sohnes Uwe untätig beobachtet zu haben. Man habe den Ernst der Lage nicht mitbekommen, sagte er. Aussagen des Zeugen zufolge hatte er jedoch Uwe Mundlos, Beate Zschäpe und seinen Sohn persönlich davon zu überzeugen versucht, sich zu stellen.
So habe es zwischen 1999 und 2002, als die NSU-Terroristen bereits untergetaucht waren, drei Treffen mit dem Terror-Trio gegeben, bei denen Jürgen Böhnhardt die drei Neonazis zur Aufgabe überzeugen wollte. „Unsere Forderung war: Kommt zurück, stellt euch, es wird nicht besser.“ Doch die Drei seien dazu nicht bereit gewesen.
Die Rolle der Freundin seines Sohnes, Beate Zschäpe, schildert Jürgen Böhnhardt als „voll akzeptiert“ in der Terrorzelle. Das ist von „großer Relevanz“ für die Nebenklage-Anwältin Dierbach. Denn dieser Teil der Aussage belege, dass es eine große Nähe zwischen den beiden Uwes und der Angeklagten Zschäpe gab, sagte sie der ARD-Tagessschau. „Das belegt einfach: Sie war dicht dran.“
Am Ende seiner Zeugenaussage stockt Böhnhardt. Die folgenden Sätze wollen nicht so recht aus seinem Mund kommen. Als er es endlich schafft, entschuldigt sich Böhnhardts Vater bei den Angehörigen der Opfer des NSU-Terrors. Er sei den Familien der Opfer unendlich dankbar, dass sie ihn nicht zur Rechenschaft gezogen und beschimpft hätten. Es tue ihm „unendlich leid, was da passiert ist.“
Mindestens zehn Morde und zwei Sprengstoffanschläge in den Jahren 2000 bis 2007 sollen auf das Konto des Nationalsozialistischen Untergrunds gehen. Die Attentate töteten acht türkischstämmige und einen griechischen Kleinunternehmer sowie laut Anklageschrift die Polizistin Kiesewetter . Uwe Mundlos und der Sohn des Zeugen, Uwe Böhnhardt, sollen sich nach einem gescheiterten Banküberfall im November 2011 selbst getötet haben. Beate Zschäpe ist die einzige Überlebende von den drei Terroristen und als Mittäterin an sämtlichen „NSU“-Attentaten vor dem Oberlandesgericht München angeklagt.
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