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Kolumnen

German Angst

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Union und SPD einigen sich auf eine neue Große Koalition. Eine Neuauflage der alten soll es nicht werden. Ob das gelingt, ist angesichts der ewiggleichen Gesichter aber mehr als fraglich. Das GroKo-Ergebnis zeigt: Die Deutschen sind ein Volk der Ängstlichen.

Die Deutschen sind kein mutiges Volk. Im Gegenteil: So ist der Begriff „German Angst“ international bekannt. Alle Welt weiß: Wagnisse sind für die Menschen zwischen Rhein und Oder, Oberstdorf und Flensburg keine Option. Wir bleiben gern beim Alten – da wissen wir, was wir haben. Anders lässt es sich nicht erklären, dass eine neue Große Koalition (GroKo) mit einer zum vierten Mal regierenden Kanzlerin Angela Merkel nun sehr wahrscheinlich erscheint.

„Das Beste an diesem Koalitionsvertrag ist die Tatsache, dass es ihn gibt“, deuten folgerichtig viele Beobachter den gestern veröffentlichten Vertrag zur Regierungsbildung zwischen CDU/CSU und SPD. Unrecht haben sie nicht: Es gibt Schlimmeres, zum Beispiele weitere Monate, in denen die Regierung nur geschäftsführend im Amt ist und kaum entscheiden darf.

Schulz – vom Wendehals zum Außenminister?

Nach der Wahl war die GroKo nicht gerade zu erwarten. Das Nein der SPD schien zu entschlossen. Es folgte eine machttaktische Faselei nach der anderen und plötzlich stand SPD-Chef Schulz als oberster Wendehals Berlins am Pranger. Nun könnte Schulz Außenminister werden.

Nach zähen Verhandlungswochen steht nun eine neue GroKo, die keine Neuauflage der alten sein soll. Die CDU musste sich das Ja der SPD allerdings teuer erkaufen. An die Sozialdemokraten gehen die wichtigen Ressorts Arbeit/Soziales, Außen und Finanzen. Sie wollen unbedingt vermeiden, zum wiederholten Male von der Kanzlerin geschluckt zu werden.

Die Ressortverteilung ist für sie ein echter Coup. Denn in den drei Bereichen wird das meiste Geld ausgegeben. Dort spürt der Bürger am meisten von der Politik – der Politik der SPD, so hoffen sie im Willy-Brandt-Haus. Dass die SPD-Mitglieder nun für eine Fortsetzung der Großen Koalition stimmen werden, ist nach den erfolgreichen Verhandlungen wahrscheinlicher denn je.

Heimatminister Seehofer

Die CSU bekommt indes ein durch den Begriff Heimat und das Teilressort Bauen aufgewertetes Innenministerium. Dass CSU-Chef Horst Seehofer nun Heimatminister werden soll, ist zwar lediglich eine Fußnote, erscheint angesichts des Rechtsrucks in der Bundesrepublik aber zumindest bedenklich. Außerdem haben die Bayern die Mütterrente durchgesetzt und zentrale Ressorts wie Digitalisierung und Verkehr besetzt.

Kanzlerin Merkel scheint angesichts der vielen Zugeständnisse an ihre Regierungspartner wie die klare Verliererin. Nicht vergessen: Sie bleibt Kanzlerin und geht in ihre vierte Amtszeit. Das ist angesichts des vertrackten Wahlergebnisse vom September mehr als viele ihr zutrauten.

Wieder einmal zeigte Merkel, dass sie genau weiß, wie sie ihre Macht sichern kann. Mithilfe der German Angst bleibt sie an der Macht. Fraglich ist: Wie lange noch?